Regierung: Sparen und höhere Steuern:Blut, Schweiß, Tränen

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Die Krise hat die Ausgaben des Bundes massiv in die Höhe getrieben, zugleich mahnt die Schuldenbremse zum Sparen. Die Vorschläge im Überblick.

Guido Bohsem u. Thomas Öchsner

Der Bund wird im laufenden Jahr rund 80 Milliarden Euro neue Schulden machen - so viel wie nie zuvor. Ein Viertel der gesamten Ausgaben wird durch Kredite finanziert. Nach den Vorgaben der Schuldenbremse dürfen 2016 nur noch etwa zehn Milliarden Euro geliehen werden. Das macht Kürzungen an vielen Stellen des Haushalts nötig. Außerdem wird im deutschen Bundestag heftig darüber diskutiert, wie die Banken an den Kosten der Finanzmarktkrise beteiligt werden sollen. In der Koalition zeichnet sich noch keine einheitliche Linie ab. Während die FDP nicht über eine Bankenabgabe hinaus gehen will, sind Union, SPD und Grüne für zusätzliche Steuern.

Kürzen, Sparen - und auch die Banken sollen zahlen: das ist die Devise des Bundes. (Foto: Foto: istock)

Lesen Sie, wie die Bundesregierung die Banken zur Kasse bitten könnte - und in welchen Bereichen sich Sparen richtig lohnt.

Hier können Sie Ihre Spartipps für die Bundesregierung loswerden und die Vorschläge anderer User sehen.

Arbeitsmarkt

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist für das größte Budget verantwortlich. Gut 143 Milliarden umfasst 2010 der Etat für Arbeit und Soziales. Die Haushaltspolitiker hoffen deshalb, vor allem hier fündig zu werden. Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, kündigte an, von der Leyen werde "ein Drittel oder die Hälfte der notwendigen Konsolidierung beitragen müssen". Das wären drei bis fünf Milliarden Euro im Jahr.

Konkret geht es dabei vor allem um die Arbeitsmarktpolitik. Dafür gibt der Bund knapp 40 Milliarden Euro im Jahr aus. Hessens Ministerpräsident Roland Koch hat bereits vorgeschlagen, sich diesen Posten näher anzuschauen. Selbst die Arbeitsministerin ist nicht grundsätzlich gegen Kürzungen. Sie hält Einsparungen für möglich, wenn sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) künftig auf die Programme konzentriert, die sich bei der Vermittlung und Betreuung von Arbeitslosen als besonders effektiv herausgestellt haben.

Die Streichung von Mitteln gilt jedoch als heikel: Die Haushälter der Koalition wollten bereits 900 Millionen Euro bei Arbeitsmarktprogrammen und für Personal einsparen, kamen damit aber nicht durch. Als sicher gilt, dass der Bund beim Zuschuss für die BA sparen kann. Dieses Jahr sind wahrscheinlich etwa elf Milliarden Euro fällig. Im nächsten Jahr könnten nur noch 9,6 Milliarden Euro notwendig sein.

Subventionen

Beim Abbau von Subventionen bieten sich stets zwei Methoden zum Kürzen an: Die Regierung kann bestimmte Finanzhilfen und Steuervergünstigungen gezielt streichen. Oder sie kappt nach dem Rasenmäherprinzip, zum Beispiel um zehn oder 20 Prozent.

Nach diesem Prinzip richtete sich die Liste von Hessens Ministerpräsident Roland Koch und dem ehemaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) aus dem Jahr 2003. Sie wollten alle Begünstigungen gleichmäßig reduzieren und so dauerhaft mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr sparen. Gekürzt wurden etwa die Pendlerpauschale, der Sparerfreibetrag und die Eigenheimzulage.

Trotzdem gibt es für den Finanzminister noch Spielraum: Die Finanzhilfen des Bundes belaufen sich auf gut 24 Milliarden Euro. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und auch der Sachverständigenrat ("Fünf Weise") schlagen vor, hier anzusetzen. Größter Brocken ist dabei die Steuerbefreiung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit von zwei Milliarden Euro - ein Posten, den bislang keine Bundesregierung angetastet hat.

Ebenfalls auf der Wunsch-Streichliste der Ökonomen ist die ermäßigte Umsatzsteuer für kulturelle Leistungen (1,8 Milliarden Euro). Würde der Finanzminister die Pendlerpauschale abschaffen, wären mindestens 2,5 Milliarden Euro mehr in den Kassen.

Verteidigung

Der Verteidigungsetat beläuft sich auf 31,1 Milliarden Euro. Bei vielen Ausgaben, die auf jahrzehntelangen Plänen beruhen, ist kein Ausstieg möglich.

Ins Visier von Koalitionspolitikern ist aber das Raketenabwehrsystem Meads geraten. Es soll nach früheren Schätzungen 3,84 Milliarden Euro kosten. FDP-Generalsekretär Christian Lindner forderte bereits einen Ausstieg aus dem Programm. Wie es mit Meads weitergeht, wird voraussichtlich im Sommer entschieden. Dass das Geld ganz eingespart wird, gilt als unwahrscheinlich.

Familie und Bildung

Hessens Regierungschef Koch war der erste, der den zwölf Milliarden Euro teuren Krippenausbau in Frage stellte. Kanzlerin Angela Merkel lehnt dies ab.

Sie will, dass der Bund weiter ein Drittel der Kosten finanziert, damit von 2013 an 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Platz beanspruchen können. Im Familienetat gibt es weitere Sparmöglichkeiten: Schwarz-gelb könnte auf das Betreuungsgeld von 150 Euro für zu Hause versorgte Kinder verzichten. Auch könnte die Obergrenze von 1800 Euro für das maximal 14 Monate gezahlte Elterngeld gesenkt werden.

Auch bei den Banken will der Staat abkassieren. Lesen Sie auf den nächsten Seiten, welche Möglichkeiten es dabei gibt.

Wie eine weitergehende Besteuerung der Finanzinstitute genau aussehen soll, ist noch offen. Auch eine Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am Montag brachte den Abgeordneten keine Klarheit. Einig ist man sich nur im Ziel. Die neue Regel soll zum einen die Spekulation an den Finanzmärkten eindämmen. Zum anderen soll sie zusätzliche Einnahmen erzielen. Diese sollen entweder dem Staat zu Gute kommen oder als Notgroschen für künftige Krisen dienen.

Im Zentrum der Diskussion stehen national, aber auch international insgesamt drei Instrumente: die Bankenabgabe, die Finanztransaktionssteuer und die Finanzaktivitätssteuer. Gemein ist allen Ansätzen, dass sie am besten funktionieren, wenn sie global gelten. Nach Einschätzung der Experten in der Anhörung des Finanzausschusses werden die Kosten für die Abgabe oder die Steuer letztlich von den Kunden der Finanzinstitute getragen - entweder durch höhere Gebühren oder durch niedrigere Renditen.

Bankenabgabe

Die Bundesregierung hat sich bereits in einem Eckpunktepapier für eine Bankenabgabe ausgesprochen. Demnach sollen künftig alle Finanzinstitute eine solche zahlen. Ziel sind jährliche Einnahmen von etwa 1,2 Milliarden Euro. Das Geld fließt aber nicht in die Kassen des Staates, sondern in einen gesonderten Geldtopf.

Das Geld soll bei einer neuerlichen Finanzkrise eingesetzt werden, um angeschlagenen Banken zu helfen. Mit den Mitteln könnten die Institute beispielsweise neu aufgestellt oder Finanzhilfen vergeben werden. Auch soll der Fonds für die Kosten einspringen, die den Banken bei der Arbeit entstehen.

Grundsätzlich fällt die Abgabe für alle Banken an. Ihre Höhe soll sich aber danach richten, wie riskant die Geschäfte sind, die das Institut tätigt und wie hoch seine Verpflichtungen am Finanzmarkt sind. Im Endeffekt müssen Sparkassen und genossenschaftliche Banken also weniger zahlen als private Banken, die beispielsweise im Investment-Handel engagiert sind.

In den USA gibt es bereits konkrete Pläne für eine solche Abgabe. Würde man diese auf den deutschen Finanzmarkt anwenden, läge die Höhe der Abgabe bei etwa neun Milliarden Euro. Hierzulande würde dies zu einer Überlastung der Banken führen, fürchtet die Regierung. Die Abgabe wird von Staaten wie etwa Kanada abgelehnt, die in der Finanzkrise nicht zu Rettungsaktionen für ihre Banken gezwungen waren. Wird die Bankenabgabe nicht überall eingeführt, haben die Institute in den Ländern ohne Abgabe einen Wettbewerbsvorteil.

Finanztransaktionssteuer

Eine Finanztransaktionssteuer funktioniert wie eine Mehrwertsteuer. Auf jedes offizielle Geschäft am Kapitalmarkt würde eine prozentuale Abgabe erhoben, die allerdings deutlich geringer ausfällt als die gewöhnliche Umsatzsteuer. Diskutiert wird eine Spanne von 0,05 Prozent bis hin zu 0,5 Prozent. Dementsprechend geht auch die Höhe der geschätzten Einnahmen auseinander.

Die Befürworter versprechen sich davon, dass insbesondere die kurzfristigen Geschäfte durch eine solche Steuer eingedämmt werden könnte. Zudem werde sie die Anzahl der Spekulationen spürbar reduzieren, weil diese dann mit erheblichen Kosten versehen würden. Der IWF stimmt diesen Aussagen in einem Bericht an die G-20-Staaten teilweise zu, hält aber insgesamt die Nachteile einer Transaktionsteuer für größer als die Vorteile. So würden auch nützliche und nicht nur unerwünschte Geschäfte besteuert.

Zudem würde das Auf und Ab der Märkte eher noch befeuert, wenn die Anzahl der Geschäfte geringer würde. Am wichtigsten aber dürfte der Einwand sein, dass die Finanzinstitute ihre Geschäfte in den Graubereich verlagerten, um der Besteuerung zu entgehen. Der Markt werde undurchsichtiger und nicht wie gefordert transparenter.

Finanzaktivitätssteuer

Eine Finanzaktivitätssteuer wurde vom IWF als Ergänzung zu einer Bankenabgabe ins Spiel gebracht. Besteuert werden soll ein Wert, der sich aus Gewinnen und den Gehaltszahlungen der Institute zusammensetzt. Die Steuer greift beispielsweise, wenn dieser Wert eine bestimmte Höhe überschreitet - also von hohen Gewinnen und exzessiven Gehältern auszugehen ist. Das könnte die Bereitschaft der Institute mindern, besonders hohe Risiken einzugehen.

Die Steuer könnte laut IWF bei zwei Prozent liegen. Nach Einschätzung der Experten des Fonds würde eine solche Steuer zu geringeren Verzerrungen führen als eine Transaktionssteuer, weil es nicht darauf ankomme ob der zu besteuernde Wert vom Institut auf einem kontrollierten Handelsplatz oder auf dem grauen Kapitalmarkt erzielt werde. Fraglich ist, ob eine Steuer zulässig ist, die sich ausschließlich an einen Sektor richtet.

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© SZ vom 18.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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