Süddeutsche Zeitung

Mietpreisbremse:Jobcenter lehnt Umzug ab - wegen Mietpreisbremse

Ein Hartz-IV-Bezieher darf nicht in eine neue Wohnung ziehen, weil die Miete angeblich gegen das neue Gesetz verstößt. Nun landet der Fall vor Gericht.

Von Thomas Öchsner

Hinterher ist man immer schlauer. Diese Binsenweisheit gilt auch für die Mietpreisbremse: Sie sollte helfen, sprunghafte Mieterhöhungen zu vermeiden. Doch wirklich geholfen hat sie nicht, für Menschen mit wenig Geld ist es vor allem in Großstädten eher noch schwieriger geworden, eine für sie bezahlbare Wohnung zu finden. "Die Mietpreisbremse funktioniert nicht", sagt zum Beispiel CDU-Generalsekretär Peter Tauber. So ist es gut möglich, dass eine Jamaika-Koalition die Bremse still beerdigen wird.

In Regensburg wird die Mietpreisbremse hingegen sehr ernst genommen - zumindest vom Jobcenter der Stadt. Dort hat die Behörde einem Hartz-IV-Empfänger den Umzug in eine 22 Quadratmeter große Wohnung verweigert, weil der Mietpreis von 330 Euro inclusive Nebenkosten "gegen die seit 01.08.2015 geltende Mietpreisbremse verstößt". Den Satz hat das Jobcenter in einem Vordruck einfach angekreuzt, ohne seinen Bescheid näher zu begründen. Nun dürfte der Fall in die deutsche Rechtsgeschichte eingehen.

Eigentlich soll die Mietpreisbremse ja den Mieter schützen

Eigentlich hat Hartmut R. alles richtig gemacht, um das Geld vom Jobcenter zu bekommen. Er hat vor Abschluss des Mietvertrags einen Antrag beim Jobcenter auf Kostenübernahme vorgelegt. Er hat den vom Vermieter unterschriebenen Mietvertrag vorgelegt, und er hat vor allem eine Wohnung gefunden, die mit 15 Euro pro Quadratmeter warm innerhalb der vom Jobcenter bisher als angemessen bezahlten Miethöhe ist. So sieht es sein Rechtsanwalt Otmar Spirk. Umso verwunderter ist Spirk darüber, dass das Jobcenter den Umzug in das Appartement ausgerechnet wegen der Mietpreisbremse ablehnte. "Die Mietpreisbremse soll die Mieter schützen. Aber jetzt dreht das Jobcenter einem Mieter einen Strick daraus, offenbar um Geld zu sparen. Das ist doch absurd", sagt der Jurist.

Für den Anwalt ist klar: Für das Nein der Behörde zum Umzug des Hartz-IV-Empfängers gibt es keine Rechtsgrundlage. Denn weder in den einschlägigen Paragrafen noch in den Arbeitsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit sei die Rede davon, dass ein Jobcenter auf die Mietpreisbremse zurückgreifen kann. Spirk will daher den Fall vors Sozialgericht bringen.

Ganz anders sieht das die Geschäftsführerin des Jobcenters, Birgitt Ehrl. Sie verweist darauf, dass die Stadt Regensburg die Mietpreisbremse zum 1. August 2015 eingeführt hat. Es handele sich dabei um eine verbindliche Verordnung der Stadt. Also müsse das von der Stadt und der Arbeitsagentur gemeinsam geführt Jobcenter diese auch anwenden und bei auffällig hohen Mieten prüfen, ob bei einem Mieterwechsel, wie es das neue Gesetz vorsieht, die Bestandsmiete nur maximal zehn Prozent über die ortsübliche Vergleichsmiete steigen dürfe. "Schließlich wollen wir ja Mietwucher verhindern", für den in diesem Fall sonst der Steuerzahler aufkommen müsste, sagt die Jobcenter-Chefin.

Nur was ist die ortsübliche Miete? Und darf das Jobcenter die Mietpreisbremse gegen einen Hartz-IV-Bezieher einsetzen? Das müssen jetzt Richter entscheiden. Der Vermieter hat jedenfalls nicht die Miete exorbitant erhöht. 315 Euro inclusive Nebenkosten hatte dieser 2014 vom Vormieter verlangt. Jetzt sind es 330 Euro, knapp fünf Prozent mehr.

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SZ vom 27.10.2017/vit
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