Reformgesetz:Neuer Anlauf

Reformgesetz: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Ausländische Firmen in China sollen besseren Marktzugang erhalten. Auch der Finanzsektor könnte profitieren.

Von Marcel Grzanna

Es gibt viel zu besprechen zwischen der Europäischen Union und der Volksrepublik China. Manchmal ist es ein zähes Ringen, so wie Anfang April in Brüssel, als es um Menschenrechte ging. Etwas leichter von der Hand ging dagegen Ende März in Peking der Austausch über die Gesetzgebung und den Verbraucherschutz in der digitalen Welt. Beide Seiten suchten Anknüpfungspunkte, wie die wachsenden Herausforderungen beim Umgang mit künstlicher Intelligenz und anderen neuen Technologien durch eine entsprechende Legislative gemeistert werden können. Konkrete Resultate vermeldeten die hochrangigen Teilnehmer nicht. Aber man verabredete eine Fortsetzung des Dialogs im kommenden Jahr. Für die Europäer steht die Sicherheit der EU-Bürger im Mittelpunkt. Wer chinesische Angebote nutzt, will sicher sein, dass Daten und Profile sensibel gehandhabt werden und der chinesische Gesetzgeber Verstöße gegen diese Standards entsprechend ahndet.

Viele Firmen sind frustriert und rechnen mit Einbußen

Finanziert wird das Forum von den Europäern. Das sogenannte Partnerschaftsinstrument der EU ist ihr Versuch, mit den Mitbewerbern im Rest der Welt, also nicht nur China, Institutionen einzurichten, in denen sie eigene strategische Interessen und Grundwerte vermitteln und etablieren können. Zu den formulierten Zielen des Partnerschaftsinstruments, das zwischen 2014 und 2020 mit einem Betrag von knapp einer Milliarde Euro ausgestattet ist, zählt auch die Erweiterung des Marktzugangs für europäische Firmen besonders in solchen Ländern, in denen die EU strategische Ziele verfolgt.

Besonders was den Marktzugang angeht, lassen die Bedingungen in der Volksrepublik immer noch deutlich zu wünschen übrig. Firmen klagen, sie würden von Ausschreibungen erst viel zu spät oder gar nicht erfahren, müssten Lizenzen vorlegen, deren Beschaffung sie manchmal Jahre kosteten, oder sie würden gezwungen, Technologie im Gegenzug für Marktzugang preiszugeben. Die europäischen Firmen sind zunehmend frustriert. Eine Mehrheit von ihnen rechnet mit Einbußen wegen Chinas starrer Haltung. Die EU ist längst deutlich im Ton und kritisiert, dass Peking seine Märkte abschotte, während es selbst alle Vorteile für sich ausnutze.

Am 9. April versicherte die Volksrepublik zwar einmal mehr, dass sie ihre Politik reformieren werde. Im Rahmen des EU-China-Gipfels in Brüssel unterzeichneten beide Seiten eine gemeinsame Erklärung, in der es heißt: "Die EU und China sagen zu, ihre wirtschaftlichen Beziehungen auf Offenheit, Gleichbehandlung und fairen Wettbewerb zu bauen, Chancengleichheit und Transparenz zuzusichern und auf gegenseitigen Nutzen zu basieren." Die hohen Ambitionen, wie es weiter heißt, würden sich unter anderem in einem "substanziell verbesserten Marktzugang" widerspiegeln. Die Europäer hatten China zuvor als Systemrivalen bezeichnet und den möglichen Ausschluss chinesischer Firmen bei der Vergabe von Infrastrukturprojekten in der EU angekündigt. Beispielsweise beim Bau von Bahnstrecken oder auch bei der Versorgung des Kontinents mit einem flächendeckenden 5G-Netz.

Seit Eintritt in die Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 ist Peking die Einlösung vieler Versprechen schuldig geblieben. Doch der Druck auf die Volksrepublik ist so groß wie nie zuvor. Nicht nur dass den Europäern langsam der Kragen platzt, auch die Amerikaner setzen den Chinesen im Handelsstreit der beiden größten Volkswirtschaften inzwischen die Pistole auf die Brust. Neue Hoffnung macht ein neues Reformgesetz, das beim Nationalen Volkskongress in Peking im März verabschiedet wurde. In der Theorie soll es die Befugnisse chinesischer Beamter begrenzen und deren Willkür bei der Forderung nach Technologietransfers beschneiden, um ausländisches Investitionskapital im Land besser zu schützen. Doch es wird kritisiert, dass das Gesetz zu allgemein gehalten ist und in der Praxis Schlupflöcher lässt.

Neben vielen anderen Branchen erwartet gerade auch der Finanzsektor die Entwicklung mit großer Spannung. Banken oder Finanzdienstleister aus dem Ausland spielen unter erheblich erschwerten Bedingungen. "Eine Liberalisierung der Eintrittsanforderungen von EU-Finanzinstituten in den chinesischen Markt und die Begünstigung der Geschäftsentwicklung chinesischer Finanzinstitute in der EU ist etwas, das hilfreich in ein künftiges EU-China-Investitionsabkommen integriert werden könnte", empfahl eine Gemeinschaftsstudie mehrerer Einrichtungen, darunter die europäische Denkfabrik Bruegel und die Universität Hongkong, aus dem Jahr 2017.

Mit dem Reformgesetz, so hoffen die betroffenen Institutionen, wird China jetzt seine Zurückhaltung endgültig aufgeben. Zumal eine Öffnung des Finanzmarktes nicht zwingend bedeuten muss, dass auch die Kapitalströme gleichermaßen liberalisiert werden. Die Folgen eines Kontrollverlustes über den Währungsfluss fürchtet Peking, weil starke Kursschwankungen die Folge sein könnten. Eine mögliche Kapitalflucht aber könnte den Druck auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt enorm erhöhen.

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