Reformen in Krisenländern:Monti alarmiert EU-Gipfel

Monti EU-Gipfel Krise

Warnt davor, dass Europas die Bürger davonlaufen: Mario Monti

(Foto: AP/dpa)

Italiens scheidender Premier Monti warnt die Staats- und Regierungschefs Europas davor, Reformen zu schnell umsetzen zu wollen. Denn harte Sparpolitik sei den Bürgern kaum vermittelbar, die öffentliche Unterstützung für die Politik schwinde dramatisch - auch deshalb hätten die Euroskeptiker bei Italiens Wahlen enormen Zulauf erhalten.

Von Cerstin Gammelin und Javier Cáceres, Brüssel

Italiens scheidender Premier Mario Monti hat die europäischen Staats- und Regierungschefs eindringlich vor einem Scheitern Europas gewarnt. "Die öffentliche Unterstützung für die Reformpolitik, und schlimmer noch, für die gesamte Europäische Union, schwindet dramatisch", schrieb Monti in einem Brief an seine 26 Kollegen. Der Brief liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Der Trend, sich abzuwenden, sei nicht nur in Italien sichtbar, sondern auch "in vielen anderen Ländern der Gemeinschaft". Monti argumentierte, die Bürger müssten zu lange warten, bis sie spüren könnten, dass die angestoßenen Reformen zu Jobs und wirtschaftlichem Wachstum führten.

Monti forderte die Staats- und Regierungschefs auf, sich jetzt zuerst um Jobs zu kümmern und das Tempo der Reformen zu drosseln. Dazu sollten endlich alle Spielräume der bestehenden Verträge ausgenutzt werden. Die 27 Chefs hatten sich in Brüssel zu einem zweitägigen Gipfel versammelt, um über wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Spar- und Reformpolitik zu beraten.

Monti reiste am Freitag vorzeitig nach Rom zurück, wo sich am Vormittag das neu gewählte Parlament erstmals zusammensetzte. Die von Monti geführte Bewegung hatte bei den Wahlen eine deutliche Niederlage hinnehmen müssen. Die von Silvio Berlusconi und Beppe Grillo geführten europaskeptischen Kräfte verzeichneten dagegen enormen Zulauf. Sie hatten im Wahlkampf dafür geworben, im Falle eines Sieges die bisherige Spar- und Reformpolitik aufzugeben.

Monti sagte nach den Beratungen in Brüssel, die Lage in Italien habe alle Regierungen "interessiert, beeindruckt und besorgt". In spanischen Regierungskreisen man sei "in großer Sorge über die Lage in Italien".

Monti hätte mehr Zeit gebraucht

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass "man sich die Zeitabläufe bei Reformen genauer ansehen muss". Monti habe in seiner kurzen Zeit als Regierungschef viele Reformen begonnen, er hätte allerdings mehr Zeit gebraucht, um die Früchte ernten zu können, sagte sie. Monti hatte Ende 2011 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in Italien Silvio Berlusconi als Premier abgelöst.

Die von ihm angestoßenen Reformen haben die italienischen Bürger nicht überzeugt, die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordwerte. Merkel begrüßte ausdrücklich die Ankündigung Montis, "alle Finessen des Stabilitäts- und Wachstumspaketes" auszuschöpfen, um Jobs und Wachstum zu schaffen.

Montis Warnung fand starke Unterstützer unter der Staats- und Regierungschefs. Spaniens Premier Mariano Rajoy sagte: "Wenn sich Europa weiter vom Wachstum entfernt, entfernen sich die Bürger von Europa". Dem pflichtete auch Frankreichs Präsident François Hollande bei. Könnten die Bürger nicht auf Erneuerung hoffen, besteht das große Risiko, dass sie sich von ihren Regierungen und Europa abkehrten, sagte er. "Diese Lektion müssen wir von Italien lernen".

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