Die Reform des europäischen Stabilitätspaktes wird verwässert. Die Bundesregierung schwenkte am Montag überraschend auf die französische Forderung ein, wonach Länder, die sich dauerhaft zu hoch verschulden, doch nicht automatisch bestraft werden können. Das geht aus einer Erklärung hervor, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy am Montag unmittelbar vor Beginn des Dreiergipfels mit Russland in Deauville veröffentlichten.
Bisher hatten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble darauf beharrt, dass Strafen für Sünder künftig automatisch ausgelöst werden und nur noch mit einer qualifizierten Mehrheit im Europäischer Rat verhindert werden können. Die EU-Kommission hatte die Idee aufgenommen und Ende September einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt, den die Regierung in Paris jedoch umgehend abgelehnt hatte. Die französische Finanzministerin Christine Lagarde hatte erklärt, über das Schicksal eines Landes könne nicht von Finanzexperten entschieden werden. Die europäischen Verträge sehen bereits jetzt die Möglichkeit vor, Defizitsünder mit empfindlichen Geldstrafen zu belegen. Diese Strafen wurden jedoch noch nie verhängt, weil stets politische Kompromisse geschlossen wurden.
Strengere Strafen als Zugeständnis
Der deutsch-französische Kompromiss sieht nun vor, dass der Rat wie bisher mit qualifizierter Mehrheit über Sanktionen für Defizitländer entscheiden muss. Zuvor bekommt das betroffene Land sechs Monate Zeit, Empfehlungen der EU-Kommission zum Abbau der Schulden umzusetzen. Damit bleibt im Prinzip alles wie es bisher gewesen ist.
Die Regierung in Paris war im Gegenzug zu einem Zugeständnis bereit. Sarkozy erklärte erstmals, die deutsche Forderung zu unterstützen, noch strengere Strafen einzuführen, für die allerdings die EU-Verträge geändert werden müssen. Bisher plädierte Paris stets dagegen. Sarkozy und Merkel erklärten nun, sie hielten eine Änderung der Verträge für notwendig, um einen "robusten "Krisenbewältigungsrahmen" zu schaffen. Ob sich Paris und Berlin damit innerhalb der EU durchsetzen können, ist allerdings offen. Vertragsänderungen können nur einstimmig durch alle 27 Länder beschlossen werden.
Der Erklärung zufolge soll der Präsident des Europäischen Rates beauftragt werden, in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten bis März 2011 konkrete Vorschläge zu erarbeiten. Die Vertragsänderungen sollen zwei Bereiche betreffen. Es sollen Vorschriften geschaffen werden, die es ermöglichen, Finanzkrisen "geordnet" zu bewältigen. Zudem sollen private Gläubiger wie Banken "angemessen an der Lösung der Krise in die Pflicht" genommen werden können. Bisher tragen die Steuerzahler allein das Risiko der Krise. Außerdem sollen die EU-Staaten gemeinsam Maßnahmen ergreifen können, um die finanzielle Stabilität im gesamten Euroraum zu sichern. Der zweite Punkt birgt politisch und rechtlich die größte Sprengkraft. Danach soll das Stimmrecht von EU-Mitgliedstaaten im Rat ausgesetzt werden, wenn diese Staaten die Grundprinzipien der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend verletzen. Kritiker sehen darin einen Verstoß gegen demokratische Rechte.