Der Bundestag hat zusätzliche Befugnisse für das Kartellamt im Kampf gegen verkrustete Marktstrukturen beschlossen. Mit dem Stimmen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wurde am Donnerstagabend die Novelle des Wettbewerbsrechts angenommen. Auch die Linke votierte dafür, CDU/CSU und AfD jeweils dagegen. Laut Bundeswirtschaftsministerium ist es die größte Reform in dem Bereich seit Jahrzehnten. Das Bonner Kartellamt soll damit effektiver gegen die Marktmacht von Konzernen vorgehen können.
Die Behörde soll künftig gezielt auch auf Störungen in Märkten schauen, nicht nur auf einzelne Unternehmen. Auch die Abschöpfung von Vorteilen, die aus Kartellverstößen resultieren, werden erleichtert. Mit einer besseren Handhabe sollten hier Gewinne wieder entzogen werden. Im Extremfall sollen Konzerne auch zerschlagen werden können.
Kritiker sprechen von einem zu radikalen Kurswechsel und einem Blankoscheck für das Kartellamt. Die FDP betonte, es werde bei Einsprüchen gegen Maßnahmen des Kartellamts eine aufschiebende Wirkung geben. Jeder Eingriff in den Markt könne zunächst gerichtlich überprüft werden. "Zudem wird auch die Bedeutung und das Verhalten eines Unternehmens in einem Markt zur Bedingung für Wettbewerbseingriffe des Kartellamtes", sagte FDP-Politiker Lukas Köhler zuletzt. Sven Giegold, Staatssekretär im Grünen-geführten Wirtschaftsministerium, sagte, das Kartellamt könne nun funktionierenden Wettbewerb in letzter Konsequenz selbst herstellen. Das sei gerade in schwierigen Märkten mit nur wenigen Anbietern wichtig. "Intensiverer Wettbewerb wirkt preissenkend und steigert die Produktqualität und Innovationstätigkeit." Davon profitierten am Ende alle Verbraucher.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sprach von einem Sonderweg außerhalb der EU-Vorgaben und zu weitreichenden Befugnissen. "In Deutschland aktive Unternehmen müssen künftig selbst dann mit gravierenden Eingriffen des Bundeskartellamts wie Verhaltensvorgaben und Preisfestsetzungen rechnen, wenn sie sich völlig rechtmäßig verhalten", kritisierte DIHK-Chefjustitiar Stephan Wernicke.