Reform des Arbeitsmarktes:Glos hofft auf Job-Wunder

Der Wirtschaftsminister will 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener schaffen. Gutachter loben die Reform. Arbeitsminister Müntefering präferiert einen anderen Weg.

Nina Bovensiepen

Die von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) entwickelte Reform des Arbeitsmarkts könnte bis zu 1,4 Millionen neue Stellen schaffen - und damit zehnmal so viele wie das Konzept von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Dies geht aus einem Gutachten für das Bundeswirtschaftsministerium hervor.

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos - Gutachter Loben Arbeitsmarkt-Reform

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos: Gutachter Loben Arbeitsmarkt-Reform

(Foto: Foto: dpa)

Die Ökonomen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) glauben, dass die Pläne von Glos ein wahres Job-Wunder auslösen könnten. 1,4 Millionen Stellen für Geringverdiener könnten entstehen, wenn Glos sich mit seinen Reformvorschlägen in der Großen Kolaition durchsetzt. Zugleich könnten die öffentlichen Haushalte bis zu 25 Milliarden Euro pro Jahr sparen.

Das von Glos' Beamten erarbeitete Konzept sieht eine Arbeitspflicht für alle Hilfeempfänger vor. Jeder Erwerbslose müsste einer regulären Beschäftigung oder einer öffentlich bereit gestellten Arbeit - in Art der Ein-Euro-Jobs - nachgehen, sonst würde er keine staatliche Unterstützung mehr bekommen. Wer einen normalen Job hat, dadurch aber zu wenig zum Leben verdient, bekäme einen öffentlichen Zuschuss: Der Staat würde sein Einkommen aufstocken, sodass er genauso viel erhält wie eine Bezieher des Arbeitslosengelds II.

Glos' Modell mit mehr Aussicht auf Erfolg

Die Reform aus dem Bundeswirtschaftsministerium würde deutlich mehr Jobs schaffen und auch erheblich mehr Geld einsparen als das Konzept, das Arbeitsminister Müntefering präferiert.

Der SPD-Minister bevorzugt ein Fördermodell für Geringverdiener, das die Ökonomen Peter Bofinger und Ulrich Walwei entwickelt haben. Sie hatten vorgeschlagen, dass der Staat Geringverdienern die Sozialversicherungsbeiträge völlig oder teilweise erstattet, damit diese mit ihrem Geld auskommen können und nicht zusätzliche Hilfen durch Hartz IV beantragen müssen. Zudem würden die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslose und die Förderung von Minijobs reduziert.

Das IZA rechnet beim von Müntefering bevorzugten Modell nur mit 146 000 neuen Stellen und Einsparungen von rund einer Milliarde Euro. Zudem beurteilen die Forscher das Modell als sehr bürokratisch und schwer durchschaubar. Das Konzept des Wirtschaftsministeriums, schlussfolgern die Bonner Ökonomen, "ist also weitaus wirksamer als andere aktuelle diskutierte Konzepte zur Belebung des Niedriglohnsektors in Deutschland".

Für die weiteren Gespräche von SPD und Union über die Reformen am Arbeitsmarkt birgt das neue Gutachten Zündstoff. Bereits am Montag treffen sich Arbeitsmarkt-Experten der Großen Koalition unter Leitung von Müntefering zu den nächsten Verhandlungen. Es soll bei diesen Beratungen vor allem um das Problem gehen, wie niedrig entlohnte Jobs wieder attraktiver gestaltet werden können.

Die Hartz-IV-Reform sowie die Steuer- und Abgabenlast haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass es sich für Erwerbslose in Deutschland eher lohnen kann, von einem Gelegenheitsjob plus Arbeitslosengeld zu leben, als eine reguläre Stelle anzunehmen. Dies will die Koalition ändern.

Müntefering hatte dabei zuletzt mehrfach seine Präferenz für den von Bofinger und Walwei entwickelten Vorschlag herausgestellt. "Im Prinzip sollten wir diesen Weg gehen", hatte der Arbeitsminister kürzlich erklärt.

Kräftige Einbußen für "Aufstocker"

Der Gegenvorschlag von Glos würde vor allem für die sogenannten Aufstocker, die heute von Minijob und Stütze leben, "kräftige Einbußen" bedeuten, heißt es im Gutachten. Das rührt daher, dass jeder hinzuverdiente Euro auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird.

Dieser Vorschlag sei "hochgradig wirksam, weil er auf einer richtigen Diagnose beruht, schreibt das IZA. Für viele Geringqualifizierte lohnt es sich bei dem heutigen Niveau der sozialen Grundsicherung nicht, eine reguläre Beschäftigung zu suchen", schreibt das Institut. Im Gegensatz zu heute hätten zudem alle Betroffenen mehr Anreiz, eine Vollzeitstelle zu suchen.

Trotz der insgesamt positiven Bewertung benennen die Forscher auch Schwachstellen des Konzepts. So könne es Ausweichreaktionen geben, etwa könnten Arbeitslose ihre heutige "Einkommens- und Freizeitsituation annähernd perfekt wieder herstellen, indem sie nur eine Stunde beschäftigt sind". Zudem müsse das Problem gelöst werden, ausreichend öffentliche Beschäftigung bereitzustellen.

Dies könne aber gelingen, schreiben die IZA-Experten.

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