Referendum in Schottland:Wahltag ist Zahltag

Referendum in Schottland: Mit was zahlen eigentlich die Schotten, sollten sie unabhängig werden?

Mit was zahlen eigentlich die Schotten, sollten sie unabhängig werden?

(Foto: Scott Heppell/AP)

Bald schon könnten die Schotten einen neuen Staat bilden. Fragt sich nur: Mit was bezahlen sie dann eigentlich? Mit einer eigenen Währung? Mit Euro? Oder macht Schottland es wie Panama?

Von Björn Finke, Edinburgh, und Nakissa Salavati

Es war ein Schock: Das britische Pfund verlor deutlich an Wert, als Meinungsumfragen in dieser Woche erstmals eine hauchdünne Mehrheit für Schottlands Unabhängigkeit vorhersagten. Investoren verkauften ihre Bestände an Pfund, weil sie die Folgen einer Scheidung für die Devise fürchten. Mit welcher Währung in einem unabhängigen Schottland gezahlt würde und was das für das Pfund bedeutet, ist tatsächlich eine der heikelsten ökonomischen Fragen in der Debatte vor dem Referendum. Zahlen die Schotten künftig mit dem britischen Pfund? Mit dem Euro? Oder gar mit einer eigenen Währung? Die Optionen:

Die Schotten bilden mit Großbritannien eine Währungsunion

Die Separatisten wollen, dass die Schotten weiter mit den gewohnten Scheinen und Münzen ihre Einkäufe erledigen können. Es ist auch unser Pfund, argumentieren sie. Zwei Länder zahlen mit der gleichen Währung - das wäre eine Währungsunion, also so etwas wie die Euro-Zone, nur in klein. Die Bank of England, die britische Notenbank, würde wie die Europäische Zentralbank Inflation und Höhe der Zinsen in mehr als einem Land kontrollieren, und in ihrem Führungsgremium müssten Vertreter beider Staaten sitzen, vom verbleibenden Königreich und von Schottland.

Die drei größten Parteien im britischen Parlament lehnen diese Option einmütig ab, doch die Separatisten ficht das nicht an. Alex Salmond, Schottlands First Minister und Führer der Partei der schottischen Nationalisten, der SNP, droht damit: Falls die Briten den Schotten das Pfund verweigern, übernehme das unabhängige Schottland eben keinen Penny der britischen Staatsschulden.

Stewart Hosie ist deshalb davon überzeugt: "Wir werden nach der Unabhängigkeit weiter das Pfund nutzen." Hosie sitzt für die SNP im britischen Parlament in Westminster und ist deren finanzpolitischer Sprecher. Im Moment ist er allerdings so oft es geht in seinem Wahlkreis im schottischen Dundee unterwegs, um für die Unabhängigkeit zu werben. An einem Stand in der Fußgängerzone, zwischen Tesco und Deichmann, versucht er, Zweifel an dem Pfund-Versprechen zu zerstreuen: Die Behauptung der britischen Parteien, dass es keine Währungsunion geben könnte, sei ein "grotesker Bluff". Wenn sich nach einem Sieg der Separatisten im Referendum der Staub gelegt hat, würde sich die britische Regierung schon auf Verhandlungen über eine Währungsunion einlassen, sagt er. "Das ist auch im Interesse des verbleibenden Königreichs." Schließlich machten viele englische Unternehmen Geschäfte in Schottland- die Regierung in London werde denen nicht das Leben schwermachen wollen.

Einer der großen Vorteil einer Währungsunion wäre, dass die wichtige schottische Finanzbranche, etwa Konzerne wie die Royal Bank of Scotland, weiter darauf setzen könnten, dass die altvertraute Bank of England als Währungshüter sie bei einer neuen Finanzkrise zur Not mit Geld versorgt - genau wie die Europäische Zentralbank bei Turbulenzen Banken in der Euro-Zone flüssig hält. Würde Schottland das Pfund verlieren, droht hingegen eine Abwanderung von Finanzkonzernen gen Süden, nach London. Von Vorteil wäre eine Währungsunion auch für andere schottische Unternehmen: Denn drei Viertel aller Exporte aus Schottland gehen nach Großbritannien. Könnten die Unternehmen ihre Geschäfte weiterhin in Pfund abwickeln, müssten sie keine eine Umtauschgebühren zahlen oder sich gegen mögliche Schwankungen der Wechselkurse absichern.

Allerdings hätte eine Währungsunion auch Nachteile für Schottland: Wie in der Euro-Zone müssten sich die Mitglieder wohl Regeln für solide Haushaltsführung unterwerfen, sie dürften nicht unbegrenzt Defizite anhäufen, weil sonst am Ende der solide Partner unter den Schuldenexzessen des anderen leiden würde - der Fall Griechenland lässt grüßen. Schottland müsste also, kaum unabhängig, neue Regeln akzeptieren; und die Bank of England als Währungshüter würde eine Geldpolitik verfolgen, die im Zweifel mehr Rücksicht auf das verbleibende Königreich denn auf Schottland nimmt, weil im hohen Norden der Insel eben nur 5,3 Millionen Menschen leben und nicht 58 Millionen.

Der amerikanische Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman warnt deshalb in einem Beitrag für die New York Times: "Ich habe eine Botschaft an die Schotten: Habt Angst. Viel Angst". Er rechnet damit, dass die Schotten im Notfall ganz auf sich allein gestellt wären - und während einer Finanzkrise nicht mit Hilfe aus London rechnen könnten. Mögliche Rettungspakete müssten sie komplett aus ihrem eigenen Haushalt finanzieren.

Dann eben wie in Panama

Kann sich die Regierung eines unabhängigen Schottlands aber tatsächlich nicht mit London auf eine Währungsunion einigen, könnten die Separatisten das britische Pfund einfach ohne Währungsunion weiternutzen. Dafür gibt es Vorbilder: Die bosnische Währung war über Jahre die Deutsche Mark, ohne dass die Regierung in Sarajewo die Bundesbank oder Berlin um Erlaubnis gefragt hätte. Und Panama verwendet den US-Dollar. Das mittelamerikanische Land hatte die amerikanische Währung eingeführt, nachdem es 1904 unabhängig von Kolumbien wurde.

In Panama gibt es neben dem US-Dollar zwar noch ein zweites legales Zahlungsmittel den panamaischen Balboa. Dieser ist aber im Verhältnis von 1:1 an die US-Währung gekoppelt und damit stets genauso viel wert. Panama hat von dieser Kopplung lange profitiert: Ausländische Investoren fühlten sich sicher, Touristen auch. Die Marktforscher des britischen Adam Smith Instituts glauben, Schottland täte es gut, wenn es diesem Beispiel folge: In Panama zeige sich, dass "die informelle Nutzung einer ausländischen Währung ein gesundes Finanzsystem fördern kann". Denn: Wenn eine nationale Zentralbank als letzter Rettungsanker für die Geschäftsbanken wegfalle, müssten diese sehr viel vernünftiger haushalten. Verspekuliere sich ein Geldhaus, müssten statt Staat und Steuerzahler die Anteilseigner haften. Die Folge wäre ein stabileres Bankensystem, behauptet das Adam Smith Institute.

Andererseits: Nach einem solchen Schritt hätte Schottland keinen Einfluss auf die Geldpolitik der Bank of England, wäre aber trotzdem von jeder ihrer Zins-Entscheidungen - die keinerlei Rücksicht auf die schottischen Besonderheiten nähme - betroffen. Finanzkonzerne würden vermutlich ihren Sitz von Edinburgh nach London verlagern, damit die Bank of England weiter als Helfer in der Not dienen kann. Die Gegner der Unabhängigkeit warnen deshalb davor, das Pfund informell zu nutzen. Sie befürchten, das Kleinkredite und Hypotheken teurer würden.

Die Schotten zahlen künftig mit Euro

Ein unabhängiges Schottland will Mitglied der EU werden - daher könnte Edinburgh früher oder später auch den Euro als Währung übernehmen. Allerdings: Dies könnte viele Jahre dauern. Denn Schottland würde im Fall der Unabhängigkeit vermutlich nicht automatisch Mitglied der Europäischen Union, sondern müsste gemäß Artikel 49 des Vertrages über die Europäische Union (PDF) erst einmal einen Aufnahmeantrag stellen. Allerdings, so heißt es in einem Bericht des Deutschen Bundestags (PDF), könnte Schottland möglicherweise zügiger als andere neue Länder zum EU-Staat werden.

Anschließend müssten die Schotten das übliche Aufnahmeverfahren in die europäische Währungsunion durchlaufen. Sie müssten also nachweisen, dass sie die die Bedingungen für die Einführung des Euro erfüllen und über eine gesunde Wirtschaft und einen soliden Staatshaushalt verfügen. Üblicherweise dauert dieser Aufnahmeprozess einige Jahre. Später müsste Schottland sich als Mitglied der europäischen Währungsunion der europäischen Finanzpolitik unterwerfen - inklusive Schuldendeckel und Reformprogrammen. Schottland müsste auch mögliche Rettungsaktionen für Banken oder Staaten wie Griechenland mitfinanzieren. Nach all den Querelen in der Euro-Zone gilt dies den Schotten allerdings nicht mehr als besonders attraktive Option.

Die Schotten schaffen sich eine eigene Währung

Kein Pfund, kein Euro - schaffen sich die Schotten dann eben eine eigene Währung? So einfach ist das nicht. Denn grundsätzlich ist jeder EU-Staat verpflichtet, den Euro einzuführen. Ausnahmen gibt es: Dänemark und Großbritannien haben sich offiziell von dieser Regelung befreiten lassen, doch für dieses so genannte Opt-Out benötigen sie die Zustimmung der übrigen Mitgliedsstaaten. Diese Zustimmung müsste Schottland sich ebenfalls einholen - und zwar auch bei den Spaniern. Die aber werden den nach Unabhängigkeit strebenden Basken und Katalanen keinen Präzedenzfall liefern wollen.

Die Einführung einer eigenen Währung wäre zudem kompliziert: Schottland ist wirtschaftlich eng mit dem Rest Großbritanniens verknüpft, Unternehmen müssten plötzlich den Umtauschkurs einkalkulieren, britische Konzerne in einer fremden Währung investieren. Außerdem müsste Schottland seine Staatsanleihen in einer Währung begeben, die nur wenige nutzen. Die Schotten müssten zudem neue Finanzinstitutionen, etwa eine eigene Zentralbank, schaffen. Die britische Regierung weist in einer Analyse darauf hin (PDF), dass Schottland außerdem befürchten müsse, dass das Geld der Schotten ins Ausland abwandert, weil viele aus Angst vor Instabilität ihr Vermögen in Sicherheit bringen wollen.

Auch schottische Hauskäufer, die bei englischen Banken Hypotheken in Pfund aufgenommen haben, müssten mit auf einmal ihre Kredite in einer fremden Währung zurückzahlen. Würde eine neue schottische Währung gegenüber dem Pfund an Wert verlieren, würden diese Pfund-Hypotheken zu einer immer größeren Last für die Bürger.

Mit anderen Worten: Wenn es allein um die Währung ginge, müssten die Schotten eigentlich gegen die Unabhängigkeit stimmen - und damit für den Erhalt des Pfunds. Denn alle Alternativen sind mit erheblichen Problemen behaftet.

Linktipp

Wird ein unabhängiges Schottland sofort EU-Mitglied? Was geschieht mit dem Öl, was mit den britischen Atomwaffen? Wichtige Fragen und Antworten.

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