Reeperbahn:Aufstand im Milieu

Saufkultur auf dem Kiez ändert sich

Kiez-Kiosk in Hamburg. Im Milieu herrscht schlechte Stimmung.

(Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Schlechte Stimmung auf dem Kiez: Kioske, die billig Alkohol verkaufen, verhageln den Rotlicht-Bars das Geschäft. Nun protestieren die Kiez-Kneipen gegen den Verkauf.

Von Angelika Slavik

Natürlich ist dieser Ort eine einzige Verheißung. "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, / ob du'n Mädel hast oder auch keins, / amüsierst du dich / denn das findet sich / auf der Reeperbahn nachts um halb eins", so haben Hans Albers und Freddie Quinn Hamburgs Rotlichtmeile besungen. Sie ist ein Mythos, und die Aussicht darauf, was alles passieren könnte, ist ihr Geschäftsmodell.

Allerdings wird auf dem Kiez längst nicht mehr nur Sex oder die Aussicht darauf verkauft. In den vergangenen Jahren haben Kioske die Reeperbahn überschwemmt, 55 insgesamt soll es nun schon auf St. Pauli geben. Die meisten verkaufen Alkohol in großen Einheiten und das deutlich günstiger, als man ihn in den traditionellen Kiez-Lokalen bekommt. Das bleibt für die Rotlichtkneipen nicht ohne Folgen: Am Wochenende machte nun das "Home of Burlesque" dicht, nach eigenen Angaben die einzige echte Burlesque-Bar in Europa. Burlesque, das zur Erklärung für den Rotlicht-Laien, ist so etwas wie ein angedeuteter Striptease: Es wird also getanzt, manchmal auch gesungen, es wird gelockt und inszeniert, aber es gibt niemals obszöne Nacktheit. Dass er diesen edlen Laden nun schließen müsse, erklärt der Barbetreiber auch mit den Kiosken und ihrem billigen Alkohol: Sein Publikum störe sich an den vielen "aggressiven Besoffenen" auf der Straße. Viele seiner Kollegen sehen das ähnlich: St. Pauli entwickle sich zu einer Art Ballermann des Nordens, schimpfen sie, das Niveau gehe verloren. Es werde nur noch hemmungslos gesoffen, statt elegant verführt.

Schuld am Verfall des Niveaus sei die Stadtpolitik, die nichts gegen die Kiosk-Schwemme unternehme, argumentieren die Kiez-Wirte. Tatsächlich sind die Kiosk-Betreiber strukturell im Vorteil: Während die Läden sich um Lärmschutz, Toiletten und Konzession kümmern müssen, gibt es für Kioske kaum Auflagen und nur wenige Kontrollen.

In drei Wochen will der Kiez deshalb aufbegehren und ruft zur Demonstration, um die Stadt zum Handeln zu zwingen. Der sündige Kiez, er sehnt sich nach mehr staatlicher Kontrolle - wer hätte das gedacht?

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