Reduktion von Treibhausgasen:Krise hilft beim Klimaschutz

Die aktuelle Rezession hat ihr Gutes - zumindest für die Umwelt: Der Ausstoß von Treibhausgasen sinkt massiv. Experten sehen Chance für den Umbau der Wirtschaft.

C. Schrader und C. Gammelin

Die Europäische Union warnt auf dem UN-Klimagipfel vor dem Scheitern der internationalen Klimaverhandlungen. Ökonomen zufolge könnten die Gespräche allerdings an Fahrt gewinnen, weil in der jetzigen Krise die Treibhausgase stärker sinken als in der Rezession 1981.

Der Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgase könnte in diesem Jahr so stark zurückgehen wie seit 40 Jahren nicht. Das besagt eine Studie der Internationalen Energieagentur IEA. Darin heißt es, die Nachfrage nach fossilen Energieträgern sei stärker als bei der Rezession 1981 gesunken. Der Rückgang werde vor allem durch die globale Finanzkrise ausgelöst.

Sie habe den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle verringert sowie Investitionen in neue Kraftwerke verhindert, bestätigte eine IEA-Sprecherin in Paris. Zum ersten Mal zeigt sich in der Statistik aber auch der Einfluss staatlicher Bemühungen zum Klimaschutz. Ein Viertel des Rückgangs gehe auf die Regulierung des Energieverbrauchs und des CO2-Ausstoßes zurück.

Einmalige Gelegenheit für mehr Nachhaltigkeit

Die IEA will die Zahlen in einem Sonderbericht am 6. Oktober zu Beginn der Klimakonferenz in Bangkok vorlegen, der letzten Vorbereitungssitzung vor dem Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember. Dort soll dann auch ein neues Klimaabkommen unterzeichnet werden.

Ökonomen bezeichnen den Rückgang als "einmalige Gelegenheit", die Weltwirtschaft auf eine nachhaltige Arbeitsweise umzustellen. Es werde "weniger schwierig" sein, die angestrebten Reduktionen der Treibhausgase zu erreichen, sagte der Chef-Ökonom der IEA, Fatih Birol, der Financial Times.

"Wir haben eine neue Situation, weil sich der Energiebedarf verringert hat und viele Investitionen aufgeschoben worden sind. Aber das hat nur eine Bedeutung, wenn wir diese einmalige Gelegenheit auch nutzen und eine Einigung in Kopenhagen erzielen."

Das Bild ist nicht einheitlich

Dass die Wirtschaftskrise eine Atempause für das Klima bedeuten könnte, vermuten Beobachter seit langem. Im Februar schätzten Meteorologen auf dem Extremwetterkongress in Bremerhaven, die Emissionen könnten um acht Prozent zurückgehen. Im vergangenen Jahr hatten der hohe Ölpreis und die beginnende Wirtschaftskrise bereits das Wachstum gebremst.

Jos Olivier von der niederländischen Umweltagentur PBL teilt die Einschätzung der IEA dennoch nicht. "Es ist ein sehr gemischtes Bild", sagt er, "nicht einmal das erste Halbjahr 2009 ist einheitlich". Nach den Zahlen von PBL ist zwar der Kohleverbrauch für die Stromerzeugung in den USA im ersten Quartal 2009 um 10 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurückgegangen.

Der Benzinverbrauch im ersten Halbjahr 2009 habe so niedrig gelegen wie zuletzt 1983. In China hingegen stiegen die Produktionszahlen bereits wieder. "Es sieht so aus, als hätte das Land seine Rezession mehr oder weniger hinter sich", sagt Olivier.

Die EU fordert deutliche Fortschritte

Die Stahlproduktion habe im Juli den Wert von Januar 2008 übertroffen; im ersten Quartal 2009 wurde 3,5 Prozent mehr Kohle verbraucht als 2008. Auch die Europäische Union verbrauchte mehr: So sei in den ersten fünf Monaten zehn Prozent mehr Strom verbraucht worden, vor allem, weil die südlichen Länder unter einem kalten Winter gelitten hätten.

Die Europäische Union fordert von dem an diesem Dienstag stattfindenden UN-Klimagipfel in New York "deutliche Fortschritte" im Kampf gegen die Erderwärmung. Kommissionspräsident José Manuel Barroso warnt in seinem Redemanuskript vor einem "schmerzlichen Scheitern" der Verhandlungen für das neue Klimaabkommen.

Die Gespräche befänden sich "nahe am Stillstand". Es sei "keine Zeit zum Pokern." Die Industriestaaten haben sich bisher nicht auf anspruchsvolle Klimaziele geeinigt.

Die Schwellenländer pochen auf finanzielle Hilfen. "Die Spielregeln sind klar" heißt es bei Barroso. "Kein Geld, kein Ergebnis! Aber gleichermaßen gilt: kein Ergebnis, kein Geld". Die Entwicklungsländer beziffern den Bedarf im Jahr 2020 auf mehrere Hundert Milliarden Euro, die Union geht von 100 Milliarden Euro aus.

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