Süddeutsche Zeitung

Reden wir über Geld mit Robert Schneider:"Der frühe Erfolg riss die Wunden nur noch tiefer"

Robert Schneider wurde mit seinem Roman "Schlafes Bruder" weltberühmt. Nun hat er seit elf Jahren kein Buch mehr geschrieben. Warum er seinem Dorf alles verdankt - und wer zu Hause das Geld verdient.

Von Lars Langenau

Seit dem Treffen zum Interview gibt es nun jede Woche eine Mail von Robert Schneider. Der Schriftsteller schickt einer kleinen Auswahl an Menschen seine wöchentliche Kolumne "Schneiders Brille", die der 57-Jährige in "s'Magazin rund usm Ländle", einem örtlichen Ableger der Wiener Kronen-Zeitung in Vorarlberg, publiziert. Manchmal sendet er nur die Datei, manchmal ist noch ein kurzer Kommentar dabei, wie einmal, als er mitteilte, "ich schicke dir einen kleinen Artikel, den ich hier für ein Saftblatt geschrieben habe. Ist ja egal, wofür man schreibt, wenn man an dem Stoff Freude findet."

Die zwei Sätze sagen viel über den leicht verschrobenen Intellektuellen, der 1992 im Alter von 31 Jahren mit seinem Roman "Schlafes Bruder" Weltruhm erlangte. Schneider ist etwas eigen, aber liebevoll eigen. Er habe im vergangenen Jahrzehnt drei Bücher angefangen, "bis ich feststellte, es besteht keine Notwendigkeit, eines dieser Bücher zu schreiben". Ein Stoff müsse lange in ihm "wohnen", erklärt er: "Ich muss ein Buch erwarten können, und dieses Warten dauert nun schon elf Jahre." Das Geld verdient seine Frau: "Das war part of the deal. Ich, der nie Kinder haben wollte, der sich bei der Geburt unserer Söhne aber unsterblich in sie verliebt hat, bin jetzt Vater und Hausmann. Meine Frau ist Kapitänin bei der Lufthansa."

24 Verlage lehnten das Manuskript von "Schlafes Bruder" ab

Ob er sich denn noch immer als Schriftsteller verstehe? "Das ist man immer oder nie. Das ist eine Haltung der Sprache gegenüber. Also bin ich Schriftsteller, auch wenn ich nichts schreibe." 24 Verlage lehnten das Manuskript von "Schlafes Bruder" damals ab, später wurde es in 36 Sprachen übersetzt. Wie er mit der Frustration umgegangen ist? "Ich wurde mit zwei Jahren zur Adoption freigegeben, kenne meine wirklichen Eltern nicht. Vielleicht habe ich damals beschlossen, den Optimismus zu wählen, also das Leben, und nicht den Untergang. Da ich nicht gewollt und nicht geliebt war, entschied ich, mich selbst zu mögen."

Der Erfolg sei erst nach und nach über Empfehlungen von Buchhändlern gekommen - und dann 1995 mit dem gleichnamigen Film von Joseph Vilsmaier. Alles an seinem Debütroman sei autobiografisch. "Das Buch erzählt nur von mir: Das Aufwachsen in der abgeschiedenen dörflichen Enge, das Verkennen eines Talents, ..." Nach dem Erfolg sei er ein wenig übergeschnappt: "Wie ein tumber Tor torkelte ich damals aus meinem Bergdorf mit 70 Einwohnern in die Welt. Erfolg verändert, ob man es wahrhaben will oder nicht. Misserfolg übrigens auch. Dennoch blieb mein Dorf der einzige Ort, wo ich geerdet war. Diesem Ort verdanke ich alles."

Dann allerdings erlag er "der Last des Zweitlings. Ich wollte es besser machen, habe mir fünf Jahre lang Zeit gelassen. Ich wollte zu viel. Das zweite Buch musste scheitern, ich hatte gar keine Chance. Dass die Rezeption des Buches zu einer persönlichen Hetzjagd auf den Autor wurde, hat mich damals unglaublich irritiert und auch sehr verletzt." Er habe sich damals mit fast allen Kritikern angelegt: "Ich denke, ich war ein verletztes Kind, das wild um sich geschlagen, das nach Anerkennung gerungen hat. Jetzt weiß ich, dass man so keine Würdigung erfährt. Auch der frühe Erfolg riss die Wunden nur noch tiefer. Ich weiß, dass es nur eine Aufgabe in meinem Leben gibt: Heimkommen zu mir selbst - das heißt, mir selbst verzeihen."

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