Süddeutsche Zeitung

Reden wir über Geld mit Jorge Valdano:"Für mich war es, als sollte der Kapitalismus unseren Fußball verschlingen"

Jorge Valdano ist so etwas wie der Philosoph des Weltfußballs. Die Exzesse bei Gehältern und Prämien stören ihn immens - genau wie Steuervergünstigungen für gewisse Fußballvereine.

Von Thomas Urban

Im Fußball hat Jorge Valdano seine größten Triumphe erlebt: Er wurde 1986 Weltmeister mit Argentinien und spanischer Meister mit Real Madrid, später führte er als Manager Real zum Sieg in der Champions League. Heute ist der 62-Jährige Unternehmensberater und Autor viel beachteter Bücher über Lebensphilosophie, in denen er Parallelen zwischen der Welt des Sports und der Wirtschaft beschreibt. Seine Erkenntnis: Nachhaltiger Erfolg entsteht aus einer Verbindung von Leistung, Demut und Teamgeist.

Schon als aktiver Spieler kritisierte Valdano die zunehmende Vermarktung des Spitzenfußballs: "Für mich war es so, als sollte der Kapitalismus nun unseren Fußball, den Volkssport, verschlingen." Er scheut sich heute nicht, Exzesse bei Gehältern und Prämien beim Namen zu nennen: 222 Millionen Euro für den Wechsel des jungen Brasilianers Neymar von Barcelona nach Paris etwa. Oder 45 000 Euro Siegprämie für einen einzelnen Spieler bei einem durchschnittlichen Bundesligaverein. "Es ist eine Tatsache, dass dies sogar von eingefleischten Fans als skandalös angesehen wird", sagt Valdano. Aber letztlich kämen sie eben doch in die Stadien und kauften die Vereinstrikots.

Steuervergünstigungen dank guter Beziehungen zur Regierung

Aufmerksam beobachtet der Argentinier die Debatte um offene und versteckte Subventionen für Spitzenvereinen durch den Steuerzahler. Etwa in Spanien, wo die Präsidenten von Real Madrid und dem FC Barcelona dank ihrer Beziehungen zur Regierung Steuervergünstigungen aushandeln können. Oder in der Bundesliga, wo die steuerfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sender für viele Millionen Übertragungsrechte kaufen. Er spricht sich dafür aus, die Vereine wie normale Wirtschaftsunternehmen zu behandeln - also ohne jegliche öffentliche Gelder und Privilegien.

Grenzen sieht er hingegen bei der Forderung, die Vereine sollten auch dafür zahlen, dass Polizeikräfte gewaltsame Auseinandersetzungen und Vandalismus unter Fans verhindern. Hier macht er ein grundsätzliches rechtliches Problem aus: "Kann ein Club für Vorkommnisse im öffentlichen Raum außerhalb der Stadien verantwortlich gemacht werden?"

Der Spitzensport hat sich für Valdano vor allem deswegen in diese Richtung entwickelt, weil der Wegfall von Handelshemmnissen im globalen Wirtschaftssystem es erlaubt. Er bezweifelt, dass diese Entwicklung überhaupt zu verhindern gewesen wäre. Valdano verweist darauf, dass alle Länder, in denen Riesensummen in den Fußball investiert werden, nun einmal Demokratien sind, zu deren Grundstrukturen die Marktwirtschaft gehört. Und kommt zu dem Schluss: "Wer hier über die Mechanismen der Steuerpolitik hinaus eingreifen will, greift dieses System an, das sich bislang als das erfolgreichste erwiesen hat."

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