Red Bull:Nicht zu fassen

F1 Driver Vettel Leaves Red Bull For Ferrari

Sebastian Vettel verlässt Red Bull - sein Wechsel verdeutlichtet, dass es für den Konzern gerade nicht sehr gut läuft.

(Foto: Getty Images)

Das Kultgetränk Red Bull läuft nicht mehr wie früher. Nun verlässt auch noch Sebastian Vettel das Formel-1-Team des Konzerns. So viel Misserfolg ist neu für Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz. Der Konzern setzt nach wie vor auf pure Männlichkeit. Reicht das für ein Leben nach der Dose?

Von Karl-Heinz Büschemann und Michael Neudecker, Fuschl am See

Der Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel hat einmal gesagt, er habe mit 13 Jahren den Partner fürs Leben gefunden. Er meinte: die Beziehung zum Motorsportteam des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull, das den begabten Nachwuchsfahrer früh verpflichtete. Doch was hält schon ein Leben lang? Vettel, jetzt 27, und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, 70, sind bald keine Partner mehr.

In den vergangenen vier Jahren hat Vettel für Red Bull den Weltmeistertitel geholt - aber nun gewinnt er nicht mehr. Er ist unzufrieden mit dem Auto, und Mateschitz kann auch nicht zufrieden sein, wenn sein wichtigster Werbeträger nicht mehr vorneweg fährt. Nun wechselt Vettel zu Ferrari. Egal, sagt Mateschitz. Er hat schon den jungen Russen Daniil Kwjat, 20, als Nachfolger geholt, einen aus dem eigenen Nachwuchs. Das sei eine Routinemaßnahme, nicht mehr, sagt der Rennstallbesitzer.

"Manchmal ist es Zeit für Veränderungen"

Das Ende der Zweckbeziehung von Vettel und Mateschitz ist ein großes Thema in der Formel-1-Welt, auch jüngst an der neuen Rennstrecke im russischen Sotschi war das so. "Manchmal ist es Zeit für Veränderungen", sagte Mateschitz dort. Für ihn ist die Sache einfach: Es muss jetzt eben ein anderer für seine Firma gewinnen.

Der Wechsel von Vettel zeigt: Jeder Riese ist besiegbar. Selbst dann, wenn der so groß geworden ist wie Dietrich Mateschitz durch den Energydrink Red Bull.

Dabei ist die Niederlage in der Formel 1 nicht das Einzige, was Mateschitz in letzter Zeit missraten ist, dem Unternehmer, der die Geschichte seines Drinks zu einer spektakulären und weltweiten Erfolgsgeschichte gemacht hat. Sein 1984 gegründeter Konzern mit dem Hauptsitz in Fuschl am See bei Salzburg musste im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit sehr langer Zeit einen Rückgang seiner Geschäfte hinnehmen. So verrät es das sogenannte Firmenbuch, in dem die Jahresabschlüsse großer österreichischer Unternehmen veröffentlicht werden müssen: "Das Geschäftsjahr 2013 war durch einen Umsatz- und Gewinnrückgang gekennzeichnet", steht in dem von Dietrich Mateschitz persönlich unterschriebenen Bericht. Der Gewinn ist demnach um mehr als 20 Prozent auf 412 Millionen Euro zurückgegangen.

Kein Gefühl von Überflug

In Sotschi musste der medienscheue Erfolgsmensch Mateschitz daher nicht nur den Vettel-Abschied schönreden. Er spielte die schwachen Zahlen herunter: "Der Gewinn ist gut wie eh und je." Es klang trotzig. Er habe im vergangenen Jahr überdurchschnittlich hohe Investitionen gehabt.

Das ist nicht alles. Ärgerlich ist für Mateschitz auch eine Sammelklage in Amerika. Millionen Amerikaner machen bei einer Schadenersatzklage mit. Es geht um den Werbeslogan der Firma, im Kern wird die Frage gestellt, ob Red Bull wirklich kann, was es behauptet: ein beschwingtes Lebensgefühl vermitteln. "Red Bull verleiht Flügel", so lautet der Slogan. Nun hat ein Konsument geklagt, weil er trotz intensiven Trinkens keine Flügel bekommen hat, ja: nicht einmal ein Gefühl von Überflug. Es ist eine absurd anmutende Klage.

Im klagewütigen Amerika aber birgt so etwas Risiken. Eine erfolgreiche Schadenersatzklage gegen die zentrale Werbebotschaft eines Unternehmens kann zum Flächenbrand werden. Red Bull stimmte zu, bis zu 13 Millionen Euro Entschädigung zu bezahlen - eine lächerliche Summe. Jeder, der sich der Klage anschließt, bekommt Geld: weniger als zwei Dollar pro Person.

Aber Red Bull ist in die Defensive geraten. Das ist schlecht gerade für einen Konzern, für den der Erfolg bisher eine Selbstverständlichkeit ist. Der Grenzen als etwas betrachtet, das es nicht gibt.

Red Bull: Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz: 70 Jahre alt, schlau, emotional, immer jung, aber nicht zu fassen.

Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz: 70 Jahre alt, schlau, emotional, immer jung, aber nicht zu fassen.

(Foto: Vladimir Rys/Getty Images)

Dietrich Mateschitz, geboren in der Steiermark, ist einer, der das stetige Aufsteigen gewöhnt ist. Angefangen hatte er als Vertreter für Jacobs-Kaffee und Blendax-Zahnpasta. Bis er in den Achtzigern in Asien auf ein Getränk stieß, das er abwandelte und seit 1987 - zusammen mit einem Partner aus Thailand - unter dem Namen Red Bull vermarktet.

Mateschitz hatte Nachfrage 2013 überschätzt

Die taurin- und koffeinhaltige Limonade aus Fuschl am See entwickelte sich zum weltweiten Renner und Kultgesöff. Fünf Milliarden Dosen hat Red Bull im vergangenen Jahr verkauft. Aber es wird offenbar immer schwieriger, weiteres Wachstum zu erzeugen. Im Jahr 2013 hatte Mateschitz auf wichtigen Märkten die Nachfrage wohl überschätzt und auf Lager produziert. Das geht aus dem offiziellen Bericht hervor.

Doch längst steht der Konzern, der sein Wachstum allein und ohne Bankkredite finanziert, auf mehreren Säulen. Red Bull ist mit 10 000 Beschäftigten ein Marketing-, Sport- und Medienkonzern, der eigene Fernsehsender betreibt und gedruckte Magazine. Deren Aufgabe ist es, zum Erfolg der Koffein-Limonade beizutragen, die Weltmarktführer bei den Energydrinks ist. Dietrich Mateschitz wurde einer der 150 reichsten Männer der Welt. Sein Red Bull zählt neben dem Kristallhersteller Swarovski und dem Waffelbäcker Manner zu den bekanntesten österreichischen Weltmarken für Konsumgüter.

Niemand soll sehen, wer in diesem Paradies regiert

Das Geheimnis der Erfolgs von Red Bull? Gute Werbung, auch, ja. Vor allem aber: Events. Spektakel.

Es gibt das Red Bull Air Race, es gibt Red Bull Dreamline, Red Bull Crushed Ice, Red Bull Cliff Diving, Red Bull Flying Illusion - es wird gerannt, gesprungen, geflogen, geschwommen. Im Grunde gibt es kaum eine sportliche Bewegungsform mit oder ohne technischem Hilfsmittel, die der Konzern noch nicht zum Event stilisiert hat. Die Botschaft ist immer die gleiche: Red Bull ist dynamisch, aktiv, ohne Furcht. Einfach verdammt cool.

Im freien Fall durch die Schallmauer

Der Extremsportler und Fallschirmspringer Felix Baumgartner im Juli 2012 bei seinem Sprung aus der Stratosphäre im Anflug auf die Wüste in Mexiko.

(Foto: Balazs Gardi/dpa)

Die Firma hat sogar einen Menschen heldenhaft aus dem Weltall springen lassen, 2012 war das. Der Sprung des österreichischen Extremsportlers und Fallschirmspringers Felix Baumgartner aus fast 40 Kilometern Höhe wurde in 50 Länder live übertragen, zum Ruhme von Red Bull aufgenommen von den Kameras des konzerneigenen Senders Servus-TV in Salzburg.

"Nur für Red Bull"

Es heißt, das Unternehmen gebe ein Drittel seines Umsatzes von rund fünf Milliarden Euro für Marketing und sportliche Großspektakel aus, stets im Namen der Dose. Auch das dürfte weltweiter Rekord sein. Bei Coca-Cola liegt der Marketing-Etat unter zehn Prozent. Wer von Salzburg aus kommend in das kleine Dorf Fuschl am See fährt, wundert sich über die futuristischen Gebäude aus Glas rechts an der Bundesstraße. Modernste Flachbau-Architektur: zwei halbkreisförmige Gebäude stehen zum Teil auf Säulen. Alles ist nur einen Steinwurf vom See entfernt. Mittendrin ein säuberlich gepflegter Garten, durch den ein felsiger Gebirgsbach mäandert. Kein Namenszug verrät, für wen die Menschen hinter den Glasflächen arbeiten. Allein Schilder an Parkplätzen vor Nachbarhäusern geben Hinweise auf die Firmenzentrale: "Nur für Red Bull".

Niemand soll sehen, wer in diesem kleinen Paradies regiert.

Niemand soll erkennen, dass in diesem provinziellen Ferienort ein Weltkonzern gesteuert wird. Vor das Gebäude hat der Tiroler Künstler Jos Pirkler eine bronzene Bullen-Herde gestellt. Lebensgroß und angriffslustig. Die zur Hauptstraße gerichteten Hörner der 14 Metallbullen signalisieren: Besucher sind hier unerwünscht.

Nichts preisgeben, keine Einblicke gewähren - das ist Teil der Philosophie von Red Bull. Die großen Glasflächen? Sie täuschen eine Transparenz nur vor.

Erwin Klaushofer ist der Leiter des Gemeindeamtes von Fuschl am Hauptplatz im Dorf, ein bodenständiger Mann, nahe am Rentenalter, Holzfällerhemd. Man wisse nicht viel über den größten Steuerzahler, sagt Klaushofer, außer dass er hier 600 Beschäftigte hat, von deren Gehältern der Ort drei Prozent Lohnsummensteuer erhält. Der Mateschitz lasse sich im Ort nicht sehen, auch die Feuerwehr oder Vereine werden nicht gefördert. "Die haben ihre eigenen Sportvereine", sagt Klaushofer.

Fuschl und Red Bull trennt mehr als eine Bundesstraße

Und wenn es im Ort ein Fest gibt? "Kommt der Herr Mateschitz sicher nicht." Red Bull, so sagt es der Gemeindesekretär mit dem salzburgischen Tonfall gleich mehrmals, stehe für eine nicht gewöhnliche Firmenkultur. "Das ist eine ganz andere Philosophie." Fuschl und Red Bull trennt mehr als nur eine Bundesstraße. Dazwischen liegen Welten. Galaxien.

Die Firma gefällt sich als geschlossene Gesellschaft, der österreichische Journalist Wolfgang Fürweger etwa, der ein bewunderndes Buch über Red Bull und seinen Gründer geschrieben hat, wurde mit einem Hausverbot für den Hangar 7 belegt, das Museum und Edelrestaurant von Mateschitz neben dem Salzburger Flughafen. Mateschitz nennt das für ihn schmeichelhaft positive Buch "eine Katastrophe". Warum? Kein Kommentar.

Rationalität ist nicht die Stärke von Red Bull

Seine Firma Red Bull ist wie der Mensch Dietrich Mateschitz, der das Oberhemd gern weit geöffnet trägt: schlau, emotional, immer jung, aber nicht zu fassen. Und was, wenn die Fragen kritisch werden?

Wenn es, wie seit ein paar Jahren immer wieder geschehen, um ernste Themen geht: die Unfälle und Todesfälle bei einer der zahlreichen und zumeist von Red Bull erfundenen Extremsportarten. Vor vier Jahren sind innerhalb kurzer Zeit zwei Menschen gestorben, die am Air Race teilnahmen, einer Flugshow, bei der die Piloten waghalsige Manöver zwischen Hindernissen fliegen. Die Show findet wie eine Rennserie an mehreren Orten statt, es wird ein Weltmeister gekürt. Nach dem zweiten Todesfall wurde die Serie ausgesetzt und erst in diesem Jahr wieder aufgenommen.

Jeder Extremsportler wisse doch, worauf er sich einlasse, darauf verweist die Firma Red Bull: Jeder könne ja selbst entscheiden, was er tun wolle.

Die Argumentation ist so schlüssig wie die des Gastes, der dem Hund Schokolade anbietet, und dann, wenn der Hund wegen des für ihn giftigen Kakaos verendet, nur sagt: Hätte er ja nicht nehmen müssen.

Red Bull setzt auf die pure Männlichkeit

Rationalität ist nicht die Stärke von Red Bull. Der Berliner Kommunikationsforscher Norbert Bolz sagt: Kein Unternehmen der Welt setze so gnadenlos auf ein Prinzip, das anderswo längst ausgedient habe, nämlich die pure Männlichkeit. "Das kommt in unserer Kultur kaum noch vor", sagt Bolz. Mateschitz sei erfolgreich, obwohl er "alles konterkariert, was in Unternehmen für richtig gehalten wird".

Vor zwei Jahren hat Mateschitz sich in die Deutsche Eishockey-Liga eingekauft, dazu gibt es Red-Bull-Fußballklubs in Salzburg und New York, und vor fünf Jahren übernahm die Firma die Lizenz des Oberligisten Markranstädt. Seitdem mischt die wegen der Statuten neutral "Rasenballsport Leipzig" getaufte Mannschaft den deutschen Fußball auf. Mittlerweile spielt der Klub in der zweiten Liga, das Ziel des Mateschitz-Teams ist die Champions League.

Seine Vision ist größer als jede Getränkedose

Und in Liefering am Stadtrand von Salzburg hat der Konzern kürzlich seine neue Nachwuchsakademie eröffnet, für Eishockey und Fußball. Zwei Eishallen, eine gewaltige Fußballhalle, mehrere Kunstrasenplätze, großzügiger Kabinentrakt, Hightech-Geräte für wissenschaftliche Analysen, Unterkünfte für Jungsportler im Drei-Sterne-Standard. Wer verstehen will, welche Bedeutung der Sport im Reich von Mateschitz hat, muss sich nur in Liefering auf die Teerstraße zwischen Internat und Kunstrasen stellen, mit Blick auf die in der Erde versenkten Eishallen. Größenwahnsinnig, vielleicht auch: genial.

Und das alles nur im Dienst der Dose?

Für Dietrich Mateschitz mag der Sport ein Spielzeug sein, aber keines, das er irgendwann weglegt. Dietrich Mateschitz ist Sportfan, und er hat lange vor Sebastian Vettels Abschied erkannt, dass Niederlagen im Sport automatisch kommen. Seine Vision ist größer als jede Getränkedose. Er plant wohl eine Art Wirtschaftsimperium, das auch ohne den Energydrink auskommen könnte. Im Firmenbuch verrät Red Bull selbst: "Derzeit stellen Energiedrinks den Hauptgeschäftszweig dar."

Derzeit. Das kann sich also mal ändern.

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