Recycling-Projekte:Urin für den Handy-Akku

Heute gekauft, morgen aussortiert: Knappe Ressourcen zwingen uns, den Müll zu nutzen. Wie das aussehen kann, zeigen verschiedene Konzepte, die aus Schleppnetzen feine Socken zaubern - und was Pipi im Smartphone zu suchen hat.

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Recycling-Projekte:Wertvoller Abfall

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Quelle: SZ

Es klingt wie Science-Fiction und soll die tatsächliche Zukunft verbessern: wie Firmen Kleider aus Kaffeesatz stricken, Häuser aus alten Hollywood-Filmen basteln und Strumpfhosen aus Plastikmüll.

SZ-Illustrationen: Ilona Burgardt

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Recycling-Projekte:Tragbarer Kaffee

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Quelle: SZ

Auf die rettende Idee kam Geschäftsführer Jason Chen erst, als es der Firma Singtex so richtig schlecht ging. Billige Konkurrenz aus China machte dem taiwanesischen Textilunternehmer zu schaffen. Chen saß mit seiner Frau in einem Café in Taiwans Hauptstadt Taipeh, als eine Kundin den Barista um den Kaffeesatz bat. Der sei gut gegen unliebsame Gerüche im Kühlschrank. Vielleicht, fragte sich Chen, lässt sich der Kaffeesatz auch für Textilien verarbeiten? Eine Weile haben die Singtex-Ingenieure getüftelt, 2006 kam die Faser mit dem Markennamen S.Café auf den Markt. Nach Kaffee riecht sie allerdings nicht, denn Inhaltsstoffe wie Phenole und Öle werden vor der Weiterverarbeitung des Kaffeesatzes entfernt. Das braune Pulver wird mit den Flakes aus recycelten PET-Flaschen gemischt, erhitzt und durch eine Düse gespritzt - so entsteht ein Faden, aus dem dann Stoff gewebt wird. Der ist besonders bei den Herstellern von Funktionsbekleidung wie Vaude, North Face und Asics beliebt, weil die Faser Gerüche aufnimmt, vor UV-Licht schützt und schnell trocknet. Auch die Fußballer des britischen Klubs FC Liverpool spielen in Trikots aus der Kaffeefaser. Für ein Shirt sind fünf PET-Flaschen und drei Tassen Kaffeesatz nötig. Elisabeth Dostert

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Recycling-Projekte:Neue Masche

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Quelle: SZ

Eine Flut von Plastikabfall gelangt in die Ozeane. Zehn Millionen Tonnen sind es pro Jahr, haben Forscher vom Alfred-Wegener-Institut geschätzt. Die Menge verteilt sich mehr oder weniger flächendeckend, sogar in arktischen Gewässern konnte bereits Abfall fotografiert werden. Die Weltmeere sind also eine ständig wachsende Müllhalde.

Besonders heimtückisch sind die Hinterlassenschaften der Fischerei. Nach Untersuchungen von UN-Organisationen tragen sie ein Zehntel zu der Verschmutzung der Meere bei. Häufig bleiben riesige Netze einfach im Wasser zurück, bevor Kutter und Trawler sowie große Fabrikschiffe den nächsten Hafen ansteuern. In der Tiefe lauern dann künstliche Fallen: Fische und andere Meerestiere verfangen sich leicht in den Maschennetzen.

Damit soll bald Schluss sein, zumindest in einigen Gebieten der Nordsee, des spanischen Mittelmeeres und der Adria - dank des Projektes "Healthy Seas". Dabei soll zuerst ausprobiert werden, wie sich möglichst viele der 640 000 Tonnen Fischernetze, die im Jahr anfallen, aus den Meeren angeln lassen. Dann geht es richtig los: Der Müll wird entfernt und recycelt - zu Socken, Strumpfhosen und anderen Strickwaren. Michael Kuntz

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Recycling-Projekte:Zahngold

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Quelle: SZ

Menschlicher Urin, ein nützlicher Rohstoff? Die meisten Menschen verziehen bei diesem Thema angeekelt das Gesicht. Dabei haben schon die Römer aus dem ganz besonderen Saft Kapital geschlagen. Sie nutzten Urin als Reinigungsmittel, das Kaiser Vespasian sogar besteuern ließ. Zeitgenossen, die das anstößig fanden, hielt er entgegen: "Pecunia non olet" - Geld stinkt nicht. Das haben sich auch chinesische Forscher gedacht. Ihnen ist es offenbar gelungen, künstliche Zähne aus Urin zu züchten, wie die Ärztezeitung berichtet. Das mag jetzt nicht nach jedermanns Geschmack sein. Aber die Wissenschaftler aus Guangzhou im Süden Chinas sehen das pragmatisch. "Zähne sind nicht nur für ein schönes Lächeln wichtig, sondern auch für eine gute Gesundheit", ließen sie mitteilen. Wenn das Verfahren ausgereift ist, könnten ausgefallene ober kaputte Zähne so ersetzt werden.

Forscher aus Großbritannien wollten dem nicht nachstehen. Sie kamen auf die Idee, dass Urin auch Energie fürs Handy oder Smartphone liefern könnte. Immerhin gelang es ihnen, so viel Strom zu produzieren, dass es zumindest für eine kurzen Anruf oder eine SMS reicht. Das ist immerhin ein Anfang, zur Marktreife ist es jedoch noch weit. Silvia Liebrich

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Recycling-Projekte:Decke aus DVDs

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Quelle: SZ

Es gibt sie in jeder chinesischen Großstadt: Müllsammler. Manche ziehen von Abfalleimer zu Abfalleimer und wühlen nach Plastikflaschen. Andere hatten schon ein wenig Erfolg und konnten sich ein Lastenfahrrad leisten, vielleicht auch noch ein Megafon: "Alte Kühlschränke, Waschmaschinen, Fernseher", schallt es oft hinauf in Chinas Wohnsilos. In der Volksrepublik ist Abfall nicht bloß Abfall, für viele ist es Arbeit - fast alles wird irgendwie verwertet, ausgeschlachtet und eingeschmolzen. Kein Wunder also, dass der amerikanische Sportartikelhersteller Nike vor wenigen Wochen seinen ersten komplett recycelbaren Laden in Shanghai aufgemacht hat. Die Wände sind aus Beton, ansonsten ist wirklich alles wiederverwertbar. Die Deckenpaneele sind aus 50 000 alten DVDs gefertigt. Die meisten davon waren einst Raubkopien von Hollywood-Streifen. Knapp 2000 Meter Plastikseil haben die Architekten gespannt, um die Auslagen und Teile der Decke zu halten - denn Klebstoffe wurden keine verwendet. Angebracht sind die Seile an Verstrebung und Halterungen aus Aluminium - 5278 Dosen, die irgendwann einmal in China ausgetrunken wurden. Und so manche davon wurde bestimmt auch von einem Müllsammler aufgelesen. Christoph Giesen

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Recycling-Projekte:Aufgemöbelt

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Quelle: SZ

Die alte Flügeltür sieht gut aus, besser als früher. Die italienische Möbelmanufaktur Manoteca hat aus der ausgedienten Tür einen Schreibtisch gemacht und schwärmt auf ihrer Homepage, dass in jedem Ding doch ein Stück Menschenleben stecke, dessen sich der nächste Besitzer erinnern möge und das er pflegen sollte.

Den meisten Verbrauchern ist ziemlich egal, was aus ihren alten Möbeln wird. 2012 gab nach Angaben des Verbandes der Möbelindustrie jeder Deutsche 390 Euro für Mobiliar aus, so viel wie keine andere Nation in Europa. Das Online-Recycling-Portal Zweitsinn schätzt, dass jedes Jahr sieben Millionen Tonnen Altmöbel entsorgt werden. Nur fünf bis zehn Prozent werden wiederverwertet, das Gros landet in der Müllverbrennung. Weil die Preise für Rohstoffe wie Holz oder Metalle steigen, hat die Industrie angefangen, sich Gedanken über den sorgfältigeren Umgang mit Ressourcen zu machen. Sehr früh war der Mittelständler Wilkhahn dran. 1992 brachte er einen Bürostuhl auf den Markt mit einer deutlich kleineren Materialvielfalt und wenig Verbundstoffen, das erleichtert die Reparatur und - im Falle der Entsorgung - die Sortierung der Materialien. Stühle wie das neue Modell "On" lassen sich bereits zu 98 Prozent recyceln. Elisabeth Dostert

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Recycling-Projekte:Gedopte Äcker

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Quelle: SZ

Zu gut für die Biogasanlage: Pflanzenreste, etwa von gedroschenem Getreide, Holzabfälle oder Klärschlamm können als Klimaretter und Spitzendünger wertvolle Dienste leisten. Bio- oder Pflanzenkohle heißt der Stoff, von dem sich Agrar- und Klimaforscher viel erhoffen. Hergestellt wird er bei Temperaturen von mehr als 700 Grad Celsius. Versuche haben gezeigt, dass sich die Biokohle gut eignet, um ausgelaugte Böden wieder fruchtbar zu machen. Positiver Nebeneffekt des Düngers: Er bindet auch große Mengen klimaschädliches CO2.

Archäologische Funde haben gezeigt, dass schon die Bauern vor Hunderten von Jahren diesen natürlichen Dünger zu schätzen wussten, um ihre Ernteerträge zu steigern. So haben die Bauern im Amazonas das schwarze Ackergold - auch Terra Preta genannt - eingesetzt, um die mageren Urwaldböden fruchtbarer zu machen und deren Erosion zu stoppen. Im Laufe der Zeit geriet diese Technik jedoch völlig in Vergessenheit. Doch seit einigen Jahren erlebt sie ein Comeback. Der große Vorteil für die Bauern liegt unter anderem darin, dass der Dünger vermischt mit Kompost langfristig wirkt und somit dem Landwirt jede Menge Geld und Arbeit ersparen kann. Silvia Liebrich

© SZ vom 19.10.2013/aper
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