Recycling:Mode aus Meeresmüll

Müll im Meer

Angespülter Unrat

(Foto: picture alliance / dpa)
  • "Recyceln boomt", sagt Daniel Goldmann, Professor für Rohstoffaufbereitung und Recycling an der Technischen Universität Clausthal.
  • Fünf Recycling-Konzepte, vom Turnschuh bis zur Boeing.

Von Pauline Schinkels

Unser Leben wird schneller. Das bekommt auch der Kaffee zu spüren. Seit einigen Jahren gibt es ihn zum Mitnehmen. Wer ihn sicher in die Bahn balanciert, dem beschert das Heißgetränk auf dem Weg zur Arbeit ein Hochgefühl. Aber seit es den Coffee-to-go an jeder Tankstelle und jeder Imbissbude gibt, landen zahlreiche Becher im Müll. Umwelt- und Verbraucherschützern bereitet das Sorgen. 320 000 Kaffeebecher werden stündlich weggeworfen, schätzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie fordert einen Preisaufschlag von 20 Cent je Becher. Die Diskussion erinnert an die Plastiktüte im Supermarkt. Auch hier forderten Umweltschützer eine zusätzliche Abgabe. Mittlerweile hat die EU-Kommission eine Richtlinie verabschiedet, mit deren Hilfe der Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten stufenweise bis 2025 in Europa reduziert werden soll.

Beim Thema Müll geht es aber nicht nur um Kaffeebecher und Plastiktüten. Es geht um defekte Handys und Fernseher, um Elektroschrott, der zum illegalen Recycling nach Afrika verschifft wird. Um Konsumenten, die Trends nacheifern, die kurze Zeit später in der Tonne landen. Es geht um Beton, der in Deutschland noch selten recycelt wird, währenddessen das in der Schweiz bereits Usus ist. Und das, obwohl Bauschutt hier der größte Abfallposten ist.

Wie viel von alldem effizient wiederverwendet werden kann, treibt die Industrie schon länger um - aus Imagegründen, der Umwelt zuliebe und natürlich aus Kostengründen. Die Verfügbarkeit von Ressourcen ist begrenzt, Kreislaufwirtschaft heißt das Zauberwort. "Recyceln boomt", sagt Daniel Goldmann, Professor für Rohstoffaufbereitung und Recycling an der Technischen Universität Clausthal. Die SZ stellt fünf Recycling-Konzepte vor, vom Jumbo bis zur Fluppe.

Abwasser trinken

Was zunächst etwas befremdlich wirkt, ist in Namibias Hauptstadt Windhoek schon seit 1968 üblich. 20 bis 25 Prozent der kommunalen Abwässer werden dort dem Trinkwasser beigemischt. Bevor das Abwasser ins Trinkwassernetz eingespeist wird, durchläuft es verschiedene Klärungsprozesse. Das mit Schwermetallen belastete Industriewasser ist aus der Aufbereitung ausgeklammert. Ein Erfolgsfaktor: "Seit Beginn hat es keine Krankheiten gegeben, die eindeutig auf das hochgereinigte Abwasser zurückzuführen sind", sagt Josef Lahnsteiner, Bereichsleiter für Forschung und Entwicklung der zuständigen Firma Wabag in Österreich. Das Verfahren wäre auch für andere trockene Regionen denkbar. Ob der Markt weiter wächst, hängt von der Akzeptanz in der Bevölkerung ab. Lahnsteiners Prognose: "Wenn es einmal angenommen wird, dann könnte das in zehn Jahren durchaus übliche Praxis werden."

En vogue

En vogue

Die Textilkonzerne Adidas und G-Star werben mit Mode, die zum Teil aus Meeresplastik besteht. Für die Ozean-Kollektionen wird der Kunststoffmüll zunächst gesammelt und dann in Recycling-Einrichtungen in Amerika, China und Indonesien gebracht, wo er sortiert, gewaschen und zu kleinen Flocken verarbeitet wird. Aus denen werden dann Fasern hergestellt und Garne gesponnen. Bei Umweltschützern kamen die Ozean-Kollektionen unterschiedlich gut an. Die DUH nannte sie Greenwashing. Greenpeace deutete sie gegenüber Zeit Online vorsichtig als Schritt in die richtige Richtung. Neben dem Recycling von Plastik ist auch die Wiederverwertung von Baumwolle Usus. H&M warb zuletzt mit einer Recyclinghose. Die Jeans besteht zu 20 Prozent aus wiederverwerteter Baumwolle, ein Balance-Akt zwischen Imagekampagne und ernsthaftem Unternehmertum.

Neues Leben für die Boeing

Neues Leben für die Boeing

Auf und davon: Rund 186 Millionen Menschen starteten oder landeten im vergangenen Jahr mit dem Flugzeug in Deutschland. Aber auch ein noch so gutes Flugzeug hat irgendwann ausgedient. Normalerweise werden die Flieger dann an Fluggesellschaften in Schwellen- oder Drittweltländer weiterverkauft, wo die Sicherheitsstandards niedriger sind als in Europa. Aber nicht alle Flugzeuge werden weiter genutzt, viele rosten auf Flugzeugfriedhöfen vor sich hin. Das Entsorgungsunternehmen Keske aus Braunschweig bietet hier ein Recycling der Jumbos an. Das erste Projekt war eine Boeing 737 vor vier Jahren in Kuala Lumpur. Aus den Flugzeugen holen die Mitarbeiter des norddeutschen Entsorgungsunternehmen vor allem Aluminium, Titan und Stahl heraus. Wie viel sie an einem Flugzeug verdienen, möchte Geschäftsführer Marc Keske nicht sagen. Nur so viel: Noch ist es nur ein Randgeschäft von Keske.

Fahrräder aus Deodosen

Fahrräder aus Deodosen

Leere Deodosen, Einweganzüge und Zigarettenstummel sind Stoffe, deren Wiederverwertung sich eigentlich nicht rentiert. Doch auf genau die hat sich das US-amerikanische Unternehmen Terracycle spezialisiert. Dazu verschickt das Unternehmen Boxen, die anschließend gefüllt wieder kostenlos zurückgeschickt werden können. Die Drogeriekette dm sammelt beispielsweise Deodosen, das Dresdener Uniklinikum Stifte und der Flughafen Stuttgart Zigarettenstummel. Finanziert wird das Recycling von Unternehmen. In Deutschland kooperiert Terracycle unter anderem mit dem Lebensmittelkonzern Unilever. Das Konzept ist aber nicht nur auf Betriebe beschränkt, auch Schulen, Vereine oder Privatinitiativen können beim Sammeln mitmachen. Kommt eine größere Menge zusammen, schickt Terracycle die Zigarettenstummel und Co. dann an Unternehmen weiter, die daraus neue Stiftehalter, Kinderfahrräder oder Mülltonnen herstellen.

Unter dem Pflaster

Unter dem Pflaster

Straßenbau ist ein milliardenschweres Geschäft. In Deutschland werden jährlich Millionen Tonnen Asphalt produziert. Irgendwann werden die Straßen spröde, rissig und brüchig. Ein Großteil des Asphalts wird bereits recycelt. Die Firma Storimpex Asphaltec hat ein Öl-Wachs-Gemisch entwickelt, mit dem sich die Wiederverwertungsrate von Asphalt auf bis zu 90 Prozent steigern lässt. Vor vier Jahren wurde das in der Branche als kleine Revolution gefeiert. Das Freiburger Öko-Institut schätzt die möglichen C02-Einsparungen auf bis zu 35 Prozent ein. Aber noch ist das Additiv Storbit eher Zukunftsmusik. "Der Verkauf hat einen relativ geringen Anteil am Gewinn", sagt Jens Christian Arnold, Geschäftsführer von Storimpex Asphaltec. "Viele glauben noch immer, dass was alt ist, nicht mehr gut sein kann."

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