Recycling :Von wegen Elektroschrott

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Die drei Cylib-Gründer Gideon und Lilian Schwich sowie Paul Sabarny (v. l.) wollen mit einem mechanisch-chemischen Verfahren die wertvollen Rohstoffe aus Elektrobatterien zurückgewinnen. (Foto: Jann Hoefer/Jann Hoefer)

Alte Lithium-Ionen-Batterien, etwa aus Elektroautos, sind zu wertvoll für den Müll. Das Start-up Cylib will ihre Rohstoffe mit einer industriellen Recyclinganlage zurückgewinnen. Was machen die Aachener anders als die Konkurrenz?

Von Torben Kassler, Tim Schellenbach

Auf den ersten Blick haben Schiffsmotoren, Elektroautos und Handys nicht viel gemeinsam. Doch sie alle tragen etwas in sich, das sie antreibt, genauer: etwas, das ihnen Energie verleiht. Die Rede ist von Lithium-Ionen-Batterien. Viele Produkte und Technologien, die heute kaum noch wegzudenken sind, würden ohne sie nicht funktionieren. Dementsprechend wertvoll sind die Ressourcen, aus denen die Batterien bestehen: Stoffe wie Lithium, Kobalt und Mangan. Doch bisher landen sie meist irgendwann zusammen mit den alten Geräten auf dem Schrotthaufen.

Genau hier setzt das Unternehmen Cylib an. Das Aachener Start-up gewinnt mit einem mechanisch-chemischen Verfahren die wertvollen Rohstoffe aus Elektrobatterien zurück. Gleichzeitig verspricht es, umweltfreundlicher und effizienter als die Konkurrenz zu sein. Kreislaufwirtschaft im großen Stil, „Made in Germany“ – dafür startet am Montag der Bau einer Industrieanlage in Dormagen, die 2026 fertiggestellt werden soll. Dann sollen dort pro Jahr bis zu 30 000 Tonnen Batterieschrott recycelt werden. Seit 2023 betreibt Cylib eine Recycling-Pilotanlage in Aachen, die nach eigenen Angaben knapp 200 Tonnen pro Jahr verarbeitet.

Schaut man auf die Zahlen einer Prognose des Fraunhofer-Instituts, erkennt man, welches Potenzial in der Wiederverwertung von Elektrobatterien steckt: Während die jährliche Menge an recycelten Elektrobatterien in der EU 2023 noch bei 50 Kilotonnen lag, soll sie bis 2040 auf 2100 Kilotonnen steigen. Die höhere Nachfrage nach Elektrobatterien dürfe zudem dazu führen, dass der Preis steigt und so auch der Wunsch danach, bereits vorhandene Batterien zu recyceln.

Die Idee für Cylib stammt von Lilian Schwich und Paul Sabarny, die sich als Kommilitonen an der RWTH Aachen kennenlernten und später zusammen promovierten. Während Ihrer Promotionen arbeiteten sie als technische Berater für Industrieunternehmen. „Der Markt für Batterierecycling wuchs, es fehlte aber an Technologien“, erklärt Schwich im Interview. Zusammen mit Gideon Schwich, ihrem Ehemann, machten sie sich selbständig und gründeten die Firma 2022.

Laut Thomas Schmaltz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) ist das Batterierecycling ökologisch sehr relevant. „Man kann nicht immer neue Rohstoffe abbauen“, sagt Schmaltz. „Wenn wir langfristig denken, müssen wir als Gesellschaft in Richtung Kreislaufwirtschaft gehen.“ Zugleich betont Schmaltz die strategische Bedeutung, möglichst große Teile der Wertschöpfungskette in der EU zu halten.

Genau deswegen hat die EU mit der im Februar 2024 in Kraft getretenen neuen Batterieverordnung einen wichtigen gesetzlichen Rahmen für die europäische Batterierecycling-Branche geschaffen. Die Zielvorgaben, wie viele Batterieabfälle Unternehmen recyceln sollen, wurde erhöht. Zudem verlangt die Gesetzgebung, einen gewissen Anteil der in neu produzierten Batterien verwendeten Stoffe aus dem Recycling zu beziehen.

Damit es überhaupt möglich ist, diese EU-Ziele zu erreichen, braucht es Technologien, die eine solche Menge Batterieschrott verarbeiten können, sagt Gideon Schwich: „Dafür sind wir entscheidend. Man braucht uns, man braucht Cylib.“

Cylib ist nicht das einzige Unternehmen, das mit Batteriemüll Geld verdienen will. Das Münchner Start-up Tozero kommt ebenfalls aus dem Universitätsumfeld, zudem gibt es Unternehmen wie BASF oder Mercedes-Benz, die ihre eigenen Recyclinganlagen betreiben. Zuletzt kaufte Amerikas führender Wiederverwerter Redwood Materials das deutsche Unternehmen Redux Recycling auf.

Was aber macht Cylib anders als Konkurrenzunternehmen? Der Kern dieser Antwort liegt im Recyclingprozess selbst. Durch ein eigens entwickeltes Aufbereitungsverfahren werden die Batteriezellen zur sogenannten Schwarzmasse verarbeitet, einem feinen schwarzen Metallpulver, in dem alle wichtigen Ressourcen enthalten sind. Während viele Recycler an dieser Stelle im Prozess aufhören und die Schwarzmasse an andere Unternehmen weiterverkaufen, die den Stoff aufbereiten, gehen die Aachener noch weiter.

Anstatt, wie bei herkömmlichen Recyclingprozessen, die Schwarzmasse durch den Einsatz von Chemikalien in ihre Bestandteile – Stoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel und Mangan – aufzutrennen, setzt Cylib auf ein Verfahren auf Wasserbasis. Das sorge für einen rund 30 Prozent geringeren CO₂-Fußabdruck. Insgesamt gewinne Cylib so über 90 Prozent der im Ausgangsmaterial enthaltenen, relevanten Ressourcen wieder, heißt es vonseiten des Unternehmens.

Zum jetzigen Zeitpunkt arbeitet das Unternehmen allerdings nicht rentabel, erklärt Gideon Schwich: „Unser Kapitalbedarf ist höher als bei einem normalen Start-up. Wir benötigen hohe Investitionen in die Anlagen und Sicherheitsvorkehrungen.“ Ab 2027 wolle man rentabel sein. Das ist auch dringend nötig: Der Bau der Anlage kostet Cylib etwa 180 Millionen Euro.

Die Mittel dafür erhält das Aachener Unternehmen zum größten Teil von Investoren. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde flossen 55 Millionen Euro, unter anderem beteiligten sich Porsche und Bosch. Zudem konnte Cylib in der Vergangenheit auch auf finanzielle Unterstützung durch „Business Angel“, also Privatinvestoren, zählen – darunter etwa ein Mitgründer des Online-Lieferdienstes Lieferando oder der Chef des E-Scooter-Anbieters Tier.

Mit dem geplanten Standort in Dormagen will Cylib einen Beitrag zu einer nachhaltigen europäischen Wertschöpfungskette leisten – damit auch in Zukunft europäische Schiffe und E-Autos mit Batterien aus recycelten, europäischen Ressourcen fahren können.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass zu den Investoren von Cylib ein Mitgründer der Online-Modeplattform Zalando zählen würde. Diese Angabe ist falsch. Es handelt sich eigentlich um einen Mitgründer des Online-Lieferdienstes Lieferando. Zudem wurden Lithium, Mangan, Kobalt und Nickel fälschlicherweise als Mineralien bezeichnet. Die Stellen wurden entsprechend angepasst.

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