Süddeutsche Zeitung

Rechtsstreit mit Leo Kirch:Streit ohne Ende

925 Millionen Euro zahlte die Deutsche Bank an die Kirch-Erben. Mit diesem Vergleich sollte die leidige Causa Kirch endlich aus der Welt sein. Doch das reicht der Staatsanwaltschaft nicht. Jetzt läuft alles auf eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs hinaus.

Von Klaus Ott

Ein letztes Angebot soll es noch gegeben haben für eine halbwegs gütliche Lösung, für ein Gespräch von Chef zu Chef. Hier Manfred Nötzel, Leiter der Staatsanwaltschaft München I, bundesweit bekannt für seinen harten Kurs bei Wirtschaftsdelikten. Dort Jürgen Fitschen, einer der beiden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank.

Nötzel, der schon vor 25 Jahren als junger Ermittler in einem großen Banken-Verfahren zahlreiche Vorstände vor Gericht gebracht und teils harte Strafen erwirkt hatte, wollte offenbar nochmals seine Sicht der Dinge erläutern. Wollte Fitschen und dessen Verteidiger Hanns Feigen erklären, warum im Fall Kirch ein Bußgeldbescheid gegen den Co-Chef des Geldinstituts gerechtfertigt wäre. Und weshalb der Banker darauf eingehen sollte. Doch solch ein Termin kam nicht zustande. Fitschen lehnt eine Geldbuße kategorisch ab. "Ich habe weder gelogen noch betrogen."

Nun läuft alles auf eine Anklage wegen versuchten Prozessbetrugs gegen den Bank-Chef, seine beiden Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie gegen zwei weitere Ex-Vorstände des führenden deutschen Finanzinstituts mit Sitz in Frankfurt hinaus. Die fünfte Strafkammer des Landgerichts München I unter Vorsitz von Peter Noll soll entscheiden, ob die Banker schuldig sind.

Noll ist ein erfahrener Richter. Er hat zu den schwarzen Kassen und Schmiergeldzahlungen bei Siemens und in vielen anderen großen Verfahren Recht gesprochen. Vom 24. April an sitzt bei ihm Bernie Ecclestone, Chef der Formel 1, wegen Bestechung auf der Anklagebank. Frühestens im nächsten Herbst oder Winter könnten Fitschen & Co. folgen. Weitere Anklagen im Fall Kirch sind möglich.

925 Millionen Euro für die Familie Kirch

Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen 14 Beschuldigte, darunter neuerdings auch gegen Stephan Leitner, den Rechtsvorstand des Geldinstituts, sowie Führungskräfte der Rechtsabteilung und Anwälte der Bank. Diese Zuspitzung überrascht insofern, als die Deutsche Bank im Februar 925 Millionen Euro an die Familie des verstorbenen Medienmagnaten Leo Kirch und an dessen Gläubiger gezahlt hat nach diversen Schadensersatzprozessen, die sich mehr als ein Jahrzehnt hingezogen hatten. Es sah so aus, als ob der beim Oberlandesgericht (OLG) München geschlossene Vergleich die Staatsanwaltschaft besänftigen könne, zumindest im Umgang mit Fitschen.

Der Co-Chef der Bank sei alles andere als eine treibende Kraft gewesen beim fragwürdigen Umgang mit dem einstigen Kreditkunden Leo Kirch und dem OLG. Das sollte nach Ansicht der Ermittler gezielt getäuscht werden, um ein Urteil gegen die Bank zu verhindern. Im Strafgesetzbuch steht, das "Verhalten nach der Tat", vor allem das Bemühen, "den Schaden wiedergutzumachen", sei zu berücksichtigen. Das spricht, indirekt, für Fitschen.

Hinzu kommt, dass die Kirch-Seite nach dem Vergleich alle Anzeigen gegen die Banker zurücknahm und der Staatsanwaltschaft mitteilte, man habe "kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung". Doch mit dem Vergleich und mit einer Anklage gegen Ex-Banker wie Ackermann und Breuer war es aus Sicht der Ermittler nicht getan. Fitschen und Leithner sollten zugeben, die von der Bank beabsichtigte Täuschung der Justiz nicht verhindert und somit ihre Dienstpflichten verletzt zu haben, und deshalb Bußgeld zahlen. Das bekamen die Verteidiger der beiden Top-Manager von der Staatsanwaltschaft zu hören.

Nötzels Behörde verlangte ferner, dass Fitschen und Leithner einen Bußgeldbescheid umgehend akzeptieren, statt Widerspruch einzulegen. Letzteres hätte zu einem Verfahren beim Amtsgericht geführt. Ein einzelner Richter wäre dann zuständig gewesen für einen komplizierten Fall von großer Brisanz, mit Dutzenden Zeugen, mit mehreren Hundert Akten. Bei einem kleinen Amtsrichter wollte die Staatsanwaltschaft mit ihrem großen Fall aber auf keinen Fall landen. Dann lieber, im Wege der Abwägung, wie groß Fitschens angebliche Schuld sei, gleich eine Anklage und ein Prozess bei Nolls Strafkammer. Darauf lässt man sich in der Bank offenbar lieber ein als auf den, wie es im Institut heißt, "Ablasshandel" der Strafverfolger.

Nachdem Fitschen und Leithner Bußgeldzahlungen abgelehnt hatten, schlugen die Ermittler erneut zu. Die Staatsanwaltschaft besorgte sich vergangene Woche Durchsuchungsbeschlüsse für zwei Anwaltskanzleien, die im Kirch-Prozess die Deutsche Bank vertreten hatten, und für das Geldinstitut selbst. Erst wurden die Kanzleien gefilzt, dann die Bank, auf der Suche nach neuen Beweisen. Die Staatsanwaltschaft interessiert unter anderem, wie es zu dem Vergleich mit Kirch gekommen war.

Gibt das Geldinstitut jetzt zu, dass man die Justiz habe täuschen wollen? Dazu dürfte sich in den beschlagnahmten Unterlagen aber wenig finden. Als es zum Vergleich mit der Kirch-Seite kam, hat die Deutsche Bank beim OLG ihren bisherigen Sachvortrag zwar korrigiert. Die Bank hat aber nichts vorgelegt, was über die bisherigen Erkenntnisse der Strafverfolger hinaus ging. Und sie hat schon gar kein Schuldeingeständnis abgegeben. Und erst recht nichts erklärt, was Fitschen irgendwie belasten könnte. Für die Staatsanwaltschaft muss das enttäuschend sein.

Banker fühlen sich verfolgt

Die Münchner Strafverfolger gegen die Frankfurter Banker und umgekehrt, da prallen zwei unterschiedliche Kulturen, zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Die Banker fühlen sich von übereifrigen Ermittlern verfolgt, die vom Kirch-Anwalt und CSU-Haudegen Peter Gauweiler gesteuert würden.

Als Fitschen Anfang des Jahres als Beschuldigter bei der Staatsanwaltschaft aussagte, schilderte er auch, was ihm in der Bank über den Kirch-Prozess erzählt worden sei. Bei ihm, Fitschen, sei immer nur angekommen, dass die Familie Kirch und Gauweiler Druck aufbauen wollten und alles mobilisierten, was möglich sei, um das Geldinstitut zum Einlenken zu bewegen. Manches deutet darauf hin, dass sich die Frankfurter Banker bis heute umzingelt sehen von Feinden, gegen die man zusammenhalten müsse.

Nötzel und seine Leute wiederum wollen den Rechtsstaat gegen offenbar überhebliche Banker verteidigen, die glaubten, über dem Gesetz zu stehen. In den alten und wohl auch in den neuen Durchsuchungsbeschlüsse steht Grundsätzliches. Die Justiz gerate in Gefahr, wenn sie betrogen werden solle. In München wird auch beklagt, dass sich bislang weder die Bank noch einer der Banker bei der Justiz und bei Leo Kirchs Witwe Ruth entschuldigt hätten für die nun aufgeflogenen Tricksereien, mit denen die Frankfurter eine Niederlage hätten verhindern wollen. Den heutigen und früheren Vorständen des Geldinstituts mangele es an menschlicher Größe.

Im Umfeld der Deutschen Bank heißt es, die Türe für eine gütliche Lösung sei nach der neuerlichen Eskalation nicht nur verschlossen. Sie sei jetzt "verriegelt". Die Ermittler dürften das genauso sehen.

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SZ vom 27.03.2014/schä
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