Süddeutsche Zeitung

Rechtsschutz:Streit mit dem Streithelfer

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Der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung lohnt sich nicht in jedem Fall. Auch einige Anbieter guter Tarife verweigern im Schadenfall die Leistung. Vergleichen lohnt sich für die Verbraucher.

Von Katrin Berkenkopf, Köln

Josef Bennat musste vor Gericht gehen. Er war auf der Autobahn zu dicht auf den Vordermann aufgefahren und dabei geblitzt worden. Das bestritt der 51-Jährige auch nicht, der anders heißt, aber seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Nur mit dem zusätzlich zum Bußgeld verhängten Fahrverbot wollte er sich nicht abfinden. Das hätte ihn seinen Job gekostet, Bennat muss mobil sein. Seine Rechtsschutzversicherung sah gute Chancen und übernahm die Kosten des Einspruchs. Der Richter folgte seiner Argumentation und wandelte das Fahrverbot in eine saftige Geldstrafe um. Bennat war zufrieden, aus seiner Sicht hat es sich gelohnt, jahrelang Beiträge für eine Rechtsschutzversicherung zu zahlen.

Mit Rechtsschutzversicherungen können sich Verbraucher gegen die drohenden Kosten rechtlicher Auseinandersetzungen und Gerichtsverfahren absichern. Beliebt ist der Verkehrsrechtsschutz, der auch bei Bennat einsprang. Es gibt die Police aber auch im Paket, das für mehrere Lebensbereiche Schutz bietet, zum Beispiel im Arbeitsrecht oder Privatrecht, seit kurzem auch bei privaten Internet-Streitigkeiten.

Vor gut zehn Jahren hat zudem die Mediation Einzug in die Rechtsschutzversicherung gehalten. Das ist der Versuch einer außergerichtlichen Lösung für einen Konflikt mittels eines professionellen Schlichters. Durch die Einführung des Mediationsgesetzes 2012 hat sie noch einmal einen Schub bekommen. Bei den Versicherern ist Mediation vor allem beliebt, weil sie günstiger ist als der direkte Gang vor Gericht. Manche Gesellschaften machen es sogar zur Bedingung, dass zunächst eine Mediation stattfindet, bevor sie die Kosten für ein Rechtsverfahren übernehmen.

Ob der Abschluss einer Rechtsschutzpolice sinnvoll ist, darüber streiten selbst Verbraucherschützer: Zuerst sollten existenzielle Risiken abgesichert werden, etwa mit einer Privathaftpflicht- oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung, meint der Bund der Versicherten. Anders sieht es die Stiftung Warentest: Rechtsschutzpolicen sind nötig, um ohne Sorge vor hohen Anwalts- und Gerichtskosten für sein Recht kämpfen zu können, sagen die Berliner.

Gerade hat die Stiftung Verkehrsrechtsschutzpolicen untersucht. Die Verbraucherschützer halten sie nicht nur für Autobesitzer, sondern auch für Fahrradfahrer oder Fußgänger für sinnvoll. "Sehr gut in allen Modellfällen abgeschnitten haben ADAC, Advocard, Allianz, Allrecht/Deurag, LVM, WGV und wgv-himmelblau", schreiben die Tester.

Allerdings: Preisvergleiche sind von großer Bedeutung. Beim letzten Test schwankten die Preise der 19 mit gut oder sehr gut bewerteten Tarife für die Absicherung einer Familie mit einem Kraftfahrzeug zwischen 49 Euro (wgv-himmelblau) und 178 Euro (Neue Rechtsschutz Versicherung), jeweils bei 150 Euro Selbstbehalt.

Die Stiftung Warentest ist bei ihren Untersuchungen allerdings auf ein Dilemma gestoßen, das für Verbraucher nicht leicht zu lösen ist: Mancher Anbieter guter Tarife wird von Anwälten, die mit ihm zu tun hatten, sehr negativ beurteilt. Das liegt meist daran, dass es im Schadenfall bei der Regulierung Probleme gibt oder der Versicherer sich von vornherein weigert, eine Deckungszusage zu geben.

Mancher Anbieter guter Tarife wird von Anwälten, die mit ihm zu tun hatten, sehr negativ beurteilt

Für den Umgang mit diesem Widerspruch gebe es keine einfache Lösung, sagt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. "Nach Papierlage sind diese Tarife gut. Man bräuchte zusätzlich einen Test des Regulierungsverhaltens, aber das ist in der Praxis kaum möglich." Deshalb bleibe nur die Möglichkeit, die Verbraucher auf das Problem hinzuweisen.

Josef Bennat kann sich über seinen Anbieter nicht beschweren. Andere Kunden müssen dagegen erst ihren Versicherer verklagen, bevor sie im Ernstfall Geld bekommen. Die Stiftung Warentest hat sich 156 seit 2012 ergangene Gerichtsentscheidungen angesehen, in denen Kunden ihren Rechtsschutzversicherer auf dem Klageweg zur Kostenübernahme zwingen wollten. In zwei von drei Fällen hatten sie damit Erfolg. Beim Thema Diesel-Skandal erhielten VW-Besitzer sogar in allen untersuchten Fällen Recht, und der Versicherer musste ihre Klagen gegen den Autokonzern finanzieren. Die anfängliche Weigerung einiger Gesellschaften, beim Thema Diesel ihre Kunden zu unterstützen, machte einige negative Schlagzeilen. "Das hat dem Ansehen bestimmter Rechtsschutzversicherer geschadet", meint Gregor Samimi, Rechtsanwalt aus Berlin.

Beim Versicherungsombudsmann ist der Bereich Rechtsschutz seit Jahren die Sparte, in der es gemessen an der Zahl der Verträge die meisten Beschwerden gibt. 2017 erreichten die Schlichtungsstelle 4015 zulässige Beschwerden, das waren mehr als ein Viertel aller Beschwerden über Versicherer.

Wer Enttäuschungen vermeiden will, muss sich vor allem darüber informieren, was über den Rechtsschutz tatsächlich versichert ist, erklärt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Viele Kunden hätten darüber falsche Vorstellungen. Im Familien- und Erbrecht etwa sei meist nur eine erste Beratung abgedeckt. Alle Streitigkeiten rund um Grundstücks- und Hauskauf und die Baufinanzierung sind gar nicht versichert. Außerdem sollten Verbraucher beachten, dass die Anbieter in vielen Bereichen eine Wartefrist von drei Monaten vorsehen, bevor sie im Schadensfall zahlen. Damit soll vermieden werden, dass Verbraucher erst eine Police abschließen, wenn sie sich schon in einem Rechtsstreit befinden oder kurz davor stehen.

Wer keine Rechtsschutzversicherung hat, denkt eher darüber nach, ob es wirklich notwendig ist, den Anwalt einzuschalten, glaubt Boss. "Es diszipliniert ein wenig selbst." Sie hält eine Rechtsschutzversicherung für nicht unbedingt notwendig. Die Policen würden immer teurer, und die Versicherer seien schnell dabei, Verträge zu kündigen, wenn mehrere Schäden aufgetreten sind. Am Ende muss jeder für sich entscheiden, ob eine solche Police ihn ruhiger schlafen lässt - und er das Geld dafür übrig hat.

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Quelle:
SZ vom 07.01.2019
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