Rechte kleiner Gewerkschaften:Bundesverfassungsgericht billigt Tarifeinheitsgesetz weitgehend

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  • Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles bleibt in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht billigte das Gesetz am Dienstag grundsätzlich.
  • Das Gericht fordert aber Nachbesserung zum Schutz der Interessen kleinerer Gewerkschaften.
  • Die hatten geklagt, weil sie befürchteten, in zukünftigen Tarifverhandlungen übergangen zu werden.

Das umstrittene Tarifeinheitsgesetz von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat im Kern Bestand. Das Bundesverfassungsgericht wies am Dienstag die Klagen mehrerer Gewerkschaften gegen die seit rund zwei Jahren geltende Neuregelung weitgehend ab. Zwei der acht Richter trugen das Urteil nicht mit und legten Sondervoten ein.

Allerdings beurteilen die Karlsruher Richter eine Regelung als verfassungswidrig und verlangen Nachbesserung zum Schutz kleinerer Spartengewerkschaften. Falls der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft einen anderen verdränge, müssten die Belange der unterlegenen Seite berücksichtigt werden. Hierfür müsse der Gesetzgeber Vorkehrungen treffen und habe dafür bis Ende nächsten Jahres Zeit. Zudem müssten die Arbeitsgerichte das Gesetz bei Streiks so auslegen, dass es mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Die vor zwei Jahren eingeführten Regeln sollen Dauerarbeitskämpfe konkurrierender Gewerkschaften im selben Betrieb verhindern. Das Gesetz schreibt daher das Mehrheitsprinzip vor: Wenn sich Gewerkschaften nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, soll letztlich nur der Tarifvertrag der Arbeitnehmervertretung mit den meisten Mitgliedern im Betrieb gelten. Die Bundesregierung will damit aufreibende Machtkämpfe verhindern. Die Gewerkschaften bangen um ihre Durchsetzungskraft und ihren Einfluss.

Marburger Bund warnt vor permanentem Streit

In seiner letzten Konsequenz, also dass nur der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft gilt, ist das Gesetz seit dem Inkrafttreten noch nicht zum Tragen gekommen. Dennoch sehen Spartengewerkschaften wie die Ärztevertretung Marburger Bund oder die Luftfahrtgewerkschaften Cockpit und Ufo dadurch ihre Rechte eingeschränkt. "Das Gesetz ist darauf ausgelegt, diesen Streitfall zu vermeiden, indem es Anreize zur Zusammenarbeit der Gewerkschaften setzt", sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums.

Aus Sicht der Bundesregierung hat sich das Prinzip "ein Betrieb - ein Tarifvertrag" über Jahrzehnte bewährt. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2010 waren aber verschiedene Abschlüsse nebeneinander möglich. Mit dem Gesetz, das seit rund zwei Jahren gilt, will Nahles wieder klare Verhältnisse schaffen. Der Ministerin schwebt vor, dass Konkurrenz-Gewerkschaften sich von Anfang an miteinander abstimmen.

Die Gewerkschaften befürchteten dagegen einen Verdrängungswettbewerb und eine Aushöhlung ihres Streikrechts. Die Arbeitgeber hätten es nicht mehr nötig, mit allen zu verhandeln. Der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, warnte vor permanentem Streit. Nur etwa 15 Prozent der Beschäftigten eines Krankenhauses seien Ärzte. Andere Gewerkschaften wie Verdi hätten daher leicht mehr Mitglieder im Betrieb. "Und dann haben wir das Nachsehen und könnten keine wirksamen Tarifverträge in unserem Sinne abschließen." Der Marburger Bund hat eine der elf Verfassungsbeschwerden eingereicht.

© SZ/dpa/Reuters/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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