Rechte der Hinterbliebenen:Was Versicherer erfahren dürfen

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Eine Engelsstatue auf dem Kölner Melatenfriedhof.

(Foto: oh)

Nach dem Tod eines Kunden wollen die Unternehmen der Lebensversicherer oft alle Kranken-Details einsehen - und können die Zahlung verweigern.

Von Anne-Christin Gröger

Eine verschleppte Grippe, ein Hörsturz wegen Stress, eine jahrelange Diabeteserkrankung: Wer eine Risikolebensversicherung abschließen will, muss seine Krankenakte genau kennen. Der Versicherer will alles wissen, was mit der Gesundheit des potenziellen Kunden zu tun hat. Er will das Risiko eines frühen Todes genau einschätzen können. Im Leistungsfall kann der Versicherer nachfragen: Woran ist der Kunde gestorben? Hat er möglicherweise eine Krankheit verschwiegen, die später tödlich war? Und kann dann die Zahlung verweigern.

Mit einer Risikolebensversicherung können Kunden ihre Angehörigen für den Fall des eigenen Todes absichern. Familienmitglieder oder andere nahestehende Personen erhalten eine vorher festgelegte Summe ausbezahlt, mit der sie erst einmal über die Runden kommen, wenn der Hauptverdiener verstorben ist.

Der Versicherte muss eine Erklärung abgeben, die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet

Dass Versicherer im Todesfall genauer nachfragen, passiert inzwischen häufiger, hat Thomas Oedekoven beobachtet. Er ist Versicherungs- und Medizinrechtler aus Aachen. "Regelmäßig geben sich Lebensversicherer nicht mit der bloßen Todesnachricht des Versicherten zufrieden", sagt er. "Um zu klären, ob die Versicherungssumme fällig ist, werden nähere Angaben zu den Umständen des Todes erbeten." Das können ärztliche Berichte über die Todesursache und weitere Informationen über mögliche Vorerkrankungen sein. Manchem Angehörigen mag die Neugierde des Versicherers zu viel sein. Viele fragen sich: Muss der Versicherer wissen, dass der Ehemann eine künstliche Hüfte gehabt hat, wo er doch an einem Herzinfarkt gestorben ist? Wie tief dürfen die Gesellschaften in den Krankenakten des Verstorbenen graben?

Grundsätzlich gilt: Kunden von Lebensversicherern geben vor Vertragsabschluss eine Erklärung ab, in der sie Ärzte, Pfleger und Krankenhäuser von ihrer Schweigepflicht entbinden. Das müssen sie tun, damit der Versicherer das Risiko kennt. Wer sich weigert, bekommt keinen Vertrag. Allerdings prüfen die wenigsten Gesellschaften vor Vertragsabschluss, ob der Kunde die Wahrheit gesagt hat. Das passiert meist erst, wenn sie zahlen sollen.

Trotz Entbindung von der Schweigepflicht können Kunden beeinflussen, wie viel der Versicherer tatsächlich über ihre Gesundheit wissen darf - auch nach ihrem Tod. Entweder sie geben eine pauschale Einwilligung ab oder sie überlassen die Entscheidung den Hinterbliebenen. Eine pauschale Einwilligung bedeutet: Stirbt der Versicherungsnehmer an einem Herzinfarkt, kann der Versicherer die komplette Patientenakte einsehen. Er erhält für ihn wichtige Informationen über die Herzerkrankung, erfährt aber genauso von der zehn Jahre zurückliegenden Knie-Operation, der Haselnussallergie und der Magen-Darm-Grippe des Verstorbenen. Wer denkt, ihm könne nichts passieren, weil er alle Gesundheitsfragen ehrlich beantwortet hat, irrt sich. "Es gibt immer wieder Fälle, in denen in Patientenakten Diagnosen stehen, von denen der Versicherungsnehmer nichts gewusst hat", sagt Rechtsanwalt Axel Pabst aus Hofheim am Taunus. Das kann etwa passieren, wenn eine Diagnose vom Arzt als "nicht der Rede wert" eingestuft wurde - wie etwa ein leicht erhöhter Blutdruck. Hat der Versicherte das nicht bei der Versicherung angegeben, weil er davon einfach nichts wusste, ist im schlimmsten Fall der Versicherungsschutz weg. Versicherte können vor Antragsstellung bei ihrer Krankenkasse eine Übersicht über die abgerechneten Behandlungen der vergangenen zehn Jahre anfordern, um sicherzustellen, dass sie keine Krankheit vergessen.

Außerdem raten Fachleute, die Entbindung der Schweigepflicht immer für den Einzelfall abzugeben. Dann darf der Versicherer von den Ärzten nur Informationen einholen, die mit der tatsächlichen Todesursache zusammenhängen. Ältere Pauschalerklärungen sollten Versicherte gegebenenfalls widerrufen. Ein Kunde, der eine Risikolebensversicherung für seine Familie abgeschlossen hat, kann die Entscheidung einer einzelfallbezogenen Erklärung den Erben überlassen, sagt der Anwalt. Probleme können auftauchen, wenn Erben und Bezugsberechtigte unterschiedliche Personen sind. Denn über die Weitergabe höchst persönlicher Informationen können nur die Erben entscheiden. Hat der verstorbene Vater jedoch die jahrelange Geliebte und das nicht eheliche Kind als Bezugsberechtigte eingesetzt, haben die Gattin und eheliche Kinder als Erben möglicherweise kein Interesse daran, dass der Versicherer die Informationen erhält und das Geld auszahlt. Und: Hat sich der Versicherungsnehmer vor seinem Tod damit einverstanden erklärt, dass der Versicherer generell zu den Todesumständen nachforschen darf, können das die Erben oder Bezugsberechtigten später nicht anfechten.

Eine weitere Möglichkeit ist, nur bestimmte Informationen freizugeben

Bei einigen Todesumständen gelten besondere Regeln. "Bei Suizid zahlt die Risikolebensversicherung in der Regel erst, wenn der Vertragsabschluss mindestens drei Jahre zurückliegt", sagt Anwalt Oedekoven. War das nicht der Fall, erhalten die Hinterbliebenen die eingezahlten Beiträge zurück. Eine Ausnahme gilt, wenn "nachgewiesen wird, dass sich die versicherte Person in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit selbst getötet hat" - so heißt es bürokratisch in den Musterbedingungen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft. Dann leistet der Versicherer auch innerhalb dieser Drei-Jahres-Frist.

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