Es ist erst einige Wochen her, als zwar schon die ersten Corona-Päckchen geschnürt, aber noch nicht mit zwei Metern Abstand durchs Leben gegangen wurde, da sprach der SPD-Bundesarbeitsminister eine Mahnung aus. Er rate ab, sagte Hubertus Heil, jetzt jede politische Forderung, die man jemals gehabt habe, neu mit Corona zu begründen.
Nun aber hat Heil genau das getan und seine alte Forderung nach einem Recht auf Home-Office hervorgekramt. All die Heimarbeiter, die derzeit ihrer Arbeit vom Esstisch aus nachgehen, sollen das auch nach der Krise dürfen; jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulasse, dafür wolle er qua Gesetz sorgen.
Gewiss, die Möglichkeit, von zu Hause aus arbeiten zu können, ist ein wichtiger Baustein für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Ein gesetzlicher Anspruch darauf ist dennoch überflüssig - und das zeigt ausgerechnet die derzeitige Situation, die Heil zur Begründung heranzieht. Denn die implizite Argumentation, man könne doch nun sehen, dass Home-Office für viel mehr Arbeitnehmer funktioniere als gedacht, weshalb ein Gesetz kein Problem, sondern geboten sei, ist schief. Man kann zwar in der Tat sehen, dass Home-Office für wesentlich mehr Mitarbeiter möglich ist, als es der ein oder andere Chef bisher gestatten wollte. Genau das aber zeigt doch, dass ein Gesetz unnötig ist.
Wo sich das Arbeiten an einem anderen Ort als dem Büro bewährt hat, werden die Unternehmen höchstwahrscheinlich auch nach Corona davon Gebrauch machen. Denn sie haben ja nun gesehen, dass der Laden trotzdem läuft - und der ein oder andere Manager rechnet wahrscheinlich im Stillen schon mal durch, was sich einsparen ließe, wenn er weniger feste Schreibtische vorhalten muss.
Eine Modernisierung des Arbeitszeitrechts ist dringend geboten
Während ein Recht auf Home-Office keine logische Schlussfolgerung aus der gegenwärtigen Situation ist, gibt es andere Erkenntnisse, die durchaus Eingang finden dürfen in die künftige Arbeits- und Familienpolitik. Etwa dass die Modernisierung des Arbeitszeitrechts dringend geboten ist, damit es mehr Flexibilität zulässt, aber auch die totale Entgrenzung von Arbeit verhindert. Oder dass Heimarbeit zwar helfen kann, Beruf und Familie in den Griff zu bekommen, aber mitnichten ein Ersatz ist für schlüssige Betreuungskonzepte und eine gerechtere Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit zwischen Männern und Frauen. Das Home-Office hat vielen Familien zwar geholfen, mit den plötzlichen Schul- und Kitaschließungen einigermaßen zurechtzukommen. Es hat sie aber häufig auch an ihre Grenzen gebracht.
Und noch etwas zeigt die Krise: Es verläuft eine scharfe Trennlinie zwischen denen, deren Beruf es zulässt, von daheim zu arbeiten - und jenen, die das nicht können. Wissenschaftler schätzen, dass höchstens 40 Prozent der Arbeitnehmer theoretisch hin und wieder im Home-Office arbeiten könnten. Die Mehrheit kann das also nicht, und da darf, ja muss man die Frage stellen, wieso für die privilegierte Minderheit auch noch ein Gesetz gebastelt werden muss? Ein Gesetz, das kommt noch hinzu, das in strenge Bahnen zu leiten versucht, was sich nur individuell, zwischen Unternehmen und Beschäftigten sinnvoll und pragmatisch regeln lässt.
Viele Fragen, die sich in dieser Krise stellen, sind nur schwer zu beantworten. Diese aber gehört nicht dazu.