Geänderte Wagenreihung, geschlossene Zugrestaurants, immer neue Verspätungen: Kaum ein Morgen am Bahnhof beginnt derzeit für Zugpassagiere ohne Überraschung. Dabei versucht die Bundesregierung den Betrieb des Staatskonzerns eigentlich schon seit Jahren mit hohen Milliardensummen für die teils marode Infrastruktur zu stabilisieren. Man frage sich, warum der Bund zwar viel zahle, die Leistung der Bahn aber schlechter statt besser werde, heißt es nun bei einem besonders kritischen Beobachter, dem Bundesrechnungshof.
Die Antworten der Kontrolleure lesen sich wie ein dringender Appell, die Notbremse zu ziehen. Ein Bericht, der Regierung, Bundestag und Bundesrat an diesem Freitag zugeht, listet massive Mängel auf.
Dem Bund, dem die Bahn gehört und der sie großteils finanziert, fehlten nicht nur Informationen über den Zustand des Bahnnetzes. Er übe auch noch viel zu wenig Kontrolle über die Verwendung der von ihm gezahlten Milliarden aus. So setze die Regierung systematische Fehlanreize für die Bahn. Denn während die Bahn für den Erhalt des Netzes verantwortlich ist, zahlt der Bund für sogenannte Ersatzinvestitionen zusätzlich.
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Damit fahre die Bahn finanziell gut, wenn sie die Pflege des Netzes vernachlässige, urteilt der Rechnungshof. Sanktionen könnten die Bahn davon nicht abhalten. Denn erfülle die Bahn ihre Pflichten nicht, drohten Strafen, die den Namen eigentlich nicht verdient hätten.
Angesichts der aktuellen Probleme mit immer mehr Verspätungen gilt die Kritik der Kontrolleure als höchst brisant. Denn die Bahn führt die auch auf das marode Netz zurück - und fordert deshalb mehr Geld. Der Rechnungshof geht davon aus, dass mangelhafte Kontrolle durch das Bundesverkehrsministerium die Probleme der Bahn erst mit ausgelöst haben.
"Die Eisenbahninfrastruktur wurde jahrelang auf Verschleiß gefahren", sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller. "Sie ist in schlechtem Zustand, der Investitionsstau wächst." Bei ihrem Erhalt laufe zudem "vieles schief". Nicht einmal das verantwortliche Bundesverkehrsministerium wisse, wie der Staatskonzern und seine Töchter Milliardenzuschüsse für den Erhalt der Bahninfrastruktur einsetzten, klagt Scheller.
Als Beispiel nennen die Prüfer die Sanierung von Brücken. Die Bahn habe sich zwar für die Milliardenzahlungen verpflichtet, bis Ende des nächsten Jahres 875 Brücken ganz oder teilweise zu erneuern. Dafür zahle der Bund Jahr für Jahr pauschale Beträge. Saniert aber seien nur 363. Die übrigen 512 noch in der verbleibenden Zeit auf Vordermann zu bringen, hält der Rechnungshof für "kaum zu schaffen".
Die Milliarden flössen dennoch. Folgen? Bei Verstößen gegen die Vorgaben müsse die Bahn 15 Millionen Euro an den Bund überweisen. Es sei völlig klar, dass man da bei der Bahn entscheide, manche Brücken eben nicht zu reparieren, heißt es beim Rechnungshof - mit schlimmen Folgen für das System. Damit entgleiten dem Staat Steuergelder in Milliardenhöhe.
Die Infrastruktur könnte sich weiter verschlechtern, fürchten die Kontrolleure
Seit 2009 flossen 30 Milliarden Euro über die LUV genannte Finanzierungsvereinbarung vom Staat an die Bahn. Allein für das nächste Jahr sind 4,2 Milliarden Euro eingeplant. Künftig soll es sogar noch mehr werden, denn die Bahn fordert für den neuen Finanzierungszeitraum von 2020 bis 2024 jährlich noch eine Milliarde Euro mehr. Für den Bundesrechnungshof ein beunruhigendes Szenario: "Es besteht die Gefahr, dass sich der Zustand der Bahn-Infrastruktur weiter verschlechtert - und das trotz steigender Bundesmittel", warnt Scheller. Jedenfalls, dann, wenn sich das System nicht ändere.
Für die Notbremse gibt es eigentlich eine gute Gelegenheit. Denn wenn die immer auf fünf Jahre geschlossene Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Bahn im nächsten Jahr ausläuft, könnte der Bund mehr Kontrollen einführen. Doch der wolle gar nicht, klagt der Rechnungshof. Das Verkehrsministerium plane, das Vertragssystem einfach fortzuschreiben, ohne Schwachstellen zu korrigieren. Das Vorgehen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sei "wenig ambitioniert und riskant". Wesentliche Änderungen wolle das Ministerium erst mit der übernächsten Finanzierungsvereinbarung ab 2025 umsetzen. Das aber ist in den Augen der Prüfer viel zu spät.
Damit bahnt sich ein Konflikt an. Denn der Bundestag muss die neue Finanzierungsvereinbarung billigen. Das Verkehrsministerium plane, den Parlamentariern den fertig ausgehandelten Vertrag erst in der zweiten Jahreshälfte 2019 vorzulegen. Der Rechnungshof will das verhindern. "Wir denken, das Parlament sollte frühzeitig informiert werden", sagt Rechnungshof-Präsident Scheller. Auch die Grünen hatten zuletzt eine umfangreiche Bahn-Reform angemahnt. "Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass der Konzern sich neu aufstellt", hatte Fraktionschef Anton Hofreiter gefordert.