Reaktion auf Daten-CD-Kauf:Reisewarnung für Steuerfahnder

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In der Schweiz werden sie per Haftbefehl gesucht: Drei deutsche Ermittler, die CDs mit Steuerdaten gekauft hatten. Doch dass sich hiesige Steuerfahnder von Drohungen aus der Schweiz nicht beeindrucken lassen, zeigt die neue Steuer-CD, die Rheinland-Pfalz erworben hat.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott

Der "Festnahmebeschluss" datiert vom 15. März 2012, die Anweisung ist unmissverständlich. Falls die deutschen Staatsbürger Peter R., 56 , Gerhard W. 53, oder Wolfgang B., 64, in der Schweiz angehalten würden, müssten sie verhaftet werden. Dann habe die "unverzügliche Zuführung" in das in der Hauptstadt Bern gelegene "Einvernahmezentrum" zu erfolgen.

In einem Rechtshilfeersuchen an das deutsche Bundesamt für Justiz und an den Düsseldorfer Generalstaatsanwalt teilte die eidgenössische Bundesanwaltschaft voriges Jahr dazu mit, gegen die drei Deutschen werde in der Schweiz wegen zweier Delikte ermittelt. Nachrichtendienstliche Betätigung, also beispielsweise Spionage und "Verletzung des Bankgeheimnisses". Um eine detaillierte Einvernahme der Beschuldigten werde gebeten. Ein entsprechender Fragenkatalog werde noch geliefert, und bei den Vernehmungen wolle ein Schweizer Strafverfolger dabei sein.

Die Verhöre haben nie stattgefunden. Denn die nur in der Schweiz zur Festnahme ausgeschriebenen Männer sind aus deutscher Sicht keine Straftäter, keine Schurken. Sondern eher Aufklärer, für manchen sogar Helden: Es sind jene Steuerfahnder der Finanzämter Düsseldorf und Wuppertal-Barmen, die seit Jahren vorne weg mittels gekaufter Steuer-CDs den weit mehr als hundert Milliarden Euro auf der Spur sind, welche Bundesbürger auf Konten in der Schweiz oder in Liechtenstein versteckt haben sollen. Sie verfolgen Steuerbetrüger mit Hilfe der modernen Technik.

Dass sich deutsche Steuerfahnder von Drohungen aus der Schweiz nicht beeindrucken lassen, zeigt der neue Fall aus Rheinland Pfalz. Diesmal sind nicht die drei nordrhein-westfälischen Ermittler am Zuge. Diesmal haben deren Kollegen aus Rheinland-Pfalz die CD ausgewertet und die Ergebnisse an Finanzämter in der ganzen Republik geschickt. Auf das Risiko hin, ebenfalls von der eidgenössischen Justiz verfolgt zu werden.

Die Haftbefehle aus der Schweiz gegen die drei Fahnder aus NRW waren 2012 nach dem Kauf einer CD ergangen, die Daten von Hunderten deutscher Kunden der Credit Suisse enthielt. Die Schweizer Behörden hatten einfach behauptet, die drei NRW-Fahnder hätten von einem Mittelsmann ergänzende Informationen haben wollen, also quasi spioniert. Die deutschen Beamten bestreiten das vehement.

Die nach wie vor gültigen Haftbefehle sind eine bemerkenswerte Facette im Steuerstreit zwischen den beiden Nachbarländern. Sie zeigen, wie hilflos die Schweiz agiert. Die Eidgenossen haben sich nicht getraut, ihre Haftbefehle international auszuschreiben. Das hätte zur Folge, dass die drei NRW-Fahnder Deutschland nicht mehr verlassen könnten, weil andere Staaten sie nach Bern ausliefern müssten. So aber dürfen die drei Steuerfahnder lediglich nicht in die Schweiz reisen, wollen sie nicht ins Gefängnis kommen. Das Risiko ist überschaubar.

Die neue CD verrät einiges. Heiße Bankdaten kann man nicht nur in Nordrhein-Westfalen an den Fiskus bringen. Der Fall zeigt auch, dass der Anonymus, der die silberne Scheibe mit den vielen Daten Beamten in Rheinland-Pfalz zukommen ließ und dafür vier Millionen Euro kassierte, ziemlich gute Nerven haben muss. Der frühere Kauf einer CD durch NRW mit Kontodaten, die ebenfalls aus der Credit Suisse stammen, ist nämlich von einem tragischen Ereignis überschattet. Einem Vorgang, der eigentlich Tippgeber abschrecken müsste.

In Berner Untersuchungshaft hatte sich der angebliche Mittelsmann Wolfgang U., der sich mit den NRW-Fahndern aus Wuppertal getroffen und ihnen das Material übergeben hatte, das Leben genommen. Die Schweizer Justiz war ihm eher zufällig auf die Spur gekommen. Sie rekonstruierten, dass Wolfgang U. angeblich zunächst 6,75 Millionen Euro von den nordrhein-westfälischen Finanzbehörden gefordert und am Ende 2,5 Millionen Euro erhalten hatte. Die Wuppertaler Ermittler, die ihre Informanten von Berufs wegen schützen, haben nie eingeräumt, sich mit Wolfgang U. getroffen zu haben. Der Mann, mit dem sie in Kontakt waren, hatte sich in Briefen "Weber" genannt. Fahnder decken ihre Quellen sorgsam ab. Insofern dürfte sich auch im neuen Fall in den Akten kein Hinweis auf den oder die Lieferanten der neuen CD finden.

Das weitere Szenario lässt sich ahnen. Auch künftig werden CDs angeboten. Auch künftig werden deutsche Steuerfahnder daraufhin ermitteln, und vielleicht legt wieder in Bern ein Bundesanwalt ein Aktenzeichen wegen nachrichtendienstlicher "Gehilfenschaft" an. Die Steuerfahnder würden es ertragen. Und wie die drei Kollegen aus Wuppertal vorsichtshalber keinen Urlaub in der Schweiz machen.

© SZ vom 18.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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