Es ist eben doch Rocket Science - die technische Fertigkeit, eine mit Treibstoff befeuerte Rakete in den Weltraum zu bringen, ist alles andere als Routine. Auch wenn die Trägerrakete Falcon 9 der kalifornischen Raumfahrtfirma Space-X mittlerweile des Öfteren mehrmals die Woche startet und dies Glauben machen will. Solange solch ein Vorhaben reibungslos funktioniert, sieht es aus wie Routine. Doch wehe, es klappt einmal etwas nicht, dann kann dies mitunter gleich die Geldgeber abschrecken. Da muss nicht einmal eine Rakete beim Start explodieren.
Selbst routinierte Raumfahrtunternehmer wie der Milliardär Richard Branson sind nicht davor gefeit. Seine börsennotierte Firma Virgin Orbit hat nun einen Insolvenzantrag nach Chapter 11 des US-Insolvenzrechts beantragen müssen. Ziel sei es, "einen Verkauf des Unternehmens zu erreichen", so heißt es in einer Stellungnahme von Virgin Orbit. Die konzerneigene Investmentfirma will zunächst rund 31 Millionen Dollar bereitstellen, um den Verkaufsprozess zu finanzieren.
Virgin Orbit transportiert seit 2020 Satelliten ins All und hat im Übrigen nichts mit den Tourismusflügen ins All der Schwestergesellschaft Virgin Galactic zu tun. Erst im Januar dieses Jahres wollte Virgin Orbit erstmals von Großbritannien aus neun Kleinsatelliten in den unteren Erdorbit bringen. Der Flug verlief nach Firmenangaben zunächst plangemäß. Nach Problemen mit der Treibstoffzufuhr erreichte die zweite Stufe aber nicht die vorgesehene Umlaufbahn und stürzte mit der Nutzlast in den Atlantik.
Der Fehlschlag im Januar mag der letzte Ausschlag für die Finanzmisere der Firma gewesen sein. Als Virgin Orbit Mitte März ankündigte, den Betrieb zu unterbrechen, um Kapital zu sparen und Gespräche mit potentiellen Geldgebern zu führen, stürzte die Aktie im Vergleich zum Jahresbeginn zeitweise um bis zu 76 Prozent auf 44 Cent ab. Vergangene Woche hatte die Firma dann angekündigt, 675 Mitarbeiter entlassen zu müssen - etwa 85 Prozent der Belegschaft. Man sei nicht in der Lage, genügend Kapital zu beschaffen, um das Geschäft im gewohnten Maße weiterzuführen, hieß es.

Virgin Orbit befördert seine Fracht mit der Kleinrakete Launcher One, die in rund 11 000 Metern Höhe von einer umgebauten Boeing 747 aus in die Erdumlaufbahn startet. Virgin Orbit hatte schon vor dem Fehlschlag im Januar Probleme: Gleich der erste Start 2020 war gescheitert, es folgten dann aber vier erfolgreiche Flüge, bei denen die Firma 33 Kleinsatelliten in der Umlaufbahn platzieren konnte. Die Aktie, die im Frühjahr 2019 für rund zehn Dollar in den Handel kam, verlor seitdem aber stetig. Nach vorläufigen Zahlen rechnet Virgin Orbit für 2022 mit gut 191 Millionen Dollar Verlust. Allerdings waren für 2023 weitere Flüge vom Mojave Air and Space Port in Kalifornien vorgesehen.
Auch bei den Touristenflügen gibt es Probleme
Wenig Glück hat Richard Branson auch mit seinen Touristenflügen von Virgin Galactic. Beim bisher letzten Testflug des Raumschiffs im Juli 2021 auf etwa 86 Kilometer Höhe, war er zwar erstmals selbst an Bord. Nachdem es aber zu Unregelmäßigkeiten bei der Flugbahn gekommen war, hatte die Luftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) ein mehrmonatiges Flugverbot ausgesprochen. Ende Februar hatte Virgin-Galactic-Chef Michael Colglazier dann angekündigt, den kommerziellen Flugbetrieb im zweiten Quartal mit einem verbesserten Fluggerät aufnehmen zu wollen.
Auch deutsche Start-ups werden die Entwicklung bei Virgin Orbit genau beobachten: Hyimpulse, Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg wollen ebenfalls mit Kleinraketen Geld verdienen. Es wird über kurz oder lang ein heftig umkämpfter Markt werden, weltweit sollen sich etwa 150 Gründer mit diesen Microlaunchern beschäftigen. Erst vor einer Woche hat Isar Aerospace bekannt gegeben, von mehreren Investoren 155 Millionen Euro eingesammelt zu haben. Mit insgesamt 310 Millionen Euro sei man "das kapitalstärkste unabhängige New Space-Unternehmen in der Europäischen Union". Das US-Unternehmen Rocket Lab hat seit 2018 bereits rund 30 erfolgreiche Flüge mit seiner Kleinrakete Electron absolviert.