Raumfahrt:Boeing droht das nächste Desaster – diesmal im All

Lesezeit: 3 Min.

Beim "Starliner"-Start Anfang Juni war alles noch okay. (Foto: John Raoux/dpa)

Die Crew der „Starliner“-Kapsel sitzt seit zwei Monaten auf der Raumstation „ISS“ fest. Peinlich für Boeing. Gut möglich, dass die Astronauten jetzt ausgerechnet mit dem Rivalen Space-X zurückfliegen müssen.

Von Dieter Sürig

Dass der amerikanische Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing keinen guten Lauf hat, dürfte stark untertrieben sein. Erst die gravierenden Mängel bei Passagierflugzeugen, weswegen Boeing-Chef Dave Calhoun gerade gehen musste. Dann die Pannen bei der Boeing-Kapsel Starliner: Das Raumschiff brachte zwar nach jahrelangen Verzögerungen Anfang Juni erstmals zwei Nasa-Astronauten zur Raumstation ISS. Doch die sitzen dort nun fest. Schon vor dem Start hatten die Ingenieure mehrere Heliumlecks an der Kapsel entdeckt. Diese seien zwar ungefährlich, man habe alles im Griff, hieß es damals. Es folgten jedoch Triebwerksprobleme beim Andocken an die ISS. Die Raumfahrerin Suni Williams, 58, und der Raumfahrer Butch Wilmore, 61, sollten eigentlich gut eine Woche auf der ISS bleiben. Es ging ja nur um einen Test. Doch inzwischen sind zwei Monate daraus geworden.

Wann sie zur Erde zurückkehren, bleibt auch nach diversen Pressekonferenzen und Mitteilungen der Raumfahrtbehörde Nasa unklar. Die Rede war von zunächst erforderlichen Tests am Versorgungsmodul des Starliner, um wichtige Daten zu erhalten. Da dieses Modul vor der Landung der Kapsel abgetrennt wird und in der Atmosphäre verglüht, müsse dies im All passieren. Es folgten umfangreiche Triebwerktests in White Sands, New Mexico, um zu sehen, wie sich die kleinen Starliner-Triebwerke während des Fluges im Weltraum verhalten könnten. Bloomberg zufolge ergaben die Tests, dass Teflon-Dichtungen für einige der Triebwerksprobleme verantwortlich sein könnten. „Wir machen große Fortschritte, aber wir sind noch nicht ganz so weit, das zu tun“, sagte Nasa-Manager Steve Stich auf einer Pressekonferenz zum Starliner.

Die Nasa-Astronauten Butch Wilmore and Sunita Williams vor dem Start am 5. Juni in Cape Canaveral, Florida. (Foto: Joe Skipper/REUTERS)

„Die Teams von Nasa und Boeing analysieren weiterhin die Daten der jüngsten Boden- und Raumfahrttests“, meldete die Nasa am Donnerstag. Und Boeing teilte mit, dass sich das Starliner-Team am Boden und die beiden Astronauten auf das Abkoppeln vorbereiten würden, „um für die Rückkehr bereit zu sein, sobald ein Datum feststeht“. Und damit klar ist, dass sich die Astronauten Williams und Wilmore nicht langweilen, schrieb die Nasa noch, dass diese in den Arbeitsplan der regulären siebenköpfigen ISS-Crew integriert worden seien. Auf dem Programm stehen etwa Instandhaltungsarbeiten. Wilmore habe die Sanitäranlagen inspiziert, Williams eine hochauflösende Videoausrüstung im europäischen Columbus-Modul aufgebaut. Diese Woche solle es Informationen zu einem möglichen Rückflug geben.

Die Nasa-Manager beteuern nach wie vor, dass die Astronauten mit der Starliner-Kapsel zurückkehren sollen. „Die Alternative ist natürlich, ein anderes System zu verwenden“, sagte Stich. Er wolle aber nicht in die Details gehen. Als Alternative gibt es derzeit jedoch nur die Crew Dragon von Space-X. Die russische Sojus-Kapsel zu nehmen, ist wohl eher unrealistisch. Im Technologieblog Ars Technica ist zu lesen, es gebe erste Indizien dafür, dass es auf Space-X hinauslaufen könnte. So habe die Nasa Mitte Juli eine Studie für Notfalleinsätze an Space-X vergeben. Dabei solle es auch darum gehen, Rückflüge der Crew Dragon mit sechs anstatt regulär vier Passagieren zu untersuchen. Ende August soll ohnehin eine Crew Dragon mit vier Astronauten zurück zur Erde fliegen. Das passt also. Und nach CNBC-Angaben gibt es Diskussionen in der Nasa, dieStarliner-Kapsel leer zurück zur Erde zu bringen.

Die Boeing-Kapsel ist teurer als die des Konkurrenten Space-X

Sollte die Starliner-Crew mit einem Raumschiff des Boeing-Konkurrenten Space-X fliegen müssen, wäre dies nicht nur ein weiterer Schlag für Boeing, sondern womöglich das Aus für den Starliner. Zumal das Programm dem Konzern nach Branchenangaben bereits rund 1,6 Milliarden Dollar Verlust gebracht hat. 

Dabei hatte die Nasa bewusst darauf hingearbeitet, mit ihrem Commercial-Crew-Programm zwei kommerzielle Alternativen aufzubauen, um einen gesicherten Zugang zur ISS zu bekommen. Nach dem Ende des Space Shuttles 2011 hatte die Behörde etwa 8,4 Milliarden Dollar investiert, um nicht zu lange auf Mitflüge in der russischen Sojus-Kapsel angewiesen zu sein. Boeing und Space-X hatten den Zuschlag erhalten. Obwohl Boeing mehr Geld bekam, war Space-X schneller und fliegt bereits seit 2020 Astronauten zur ISS.

In einer früheren Version konnte der Eindruck entstehen, Nasa-Manager Steve Stich habe die Sojus-Kapsel als eine Rückflugoption genannt. Dies ist nicht der Fall. Wir haben den vierten Absatz deswegen entsprechend umformuliert.

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