Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Porsche steigt bei Raketenbauer ein

Lesezeit: 3 Min.

Der Mehrheitsaktionär von Volkswagen gehört zu den neuen Investoren von Isar Aerospace. Das zeigt: Die Branche wird auch für die Automobilindustrie zunehmend interessant.

Von Dieter Sürig

Als Volkswagen-Chef Herbert Diess im Dezember vergangenen Jahres in der frisch eröffneten Fabrik des Kleinraketen-Herstellers Isar Aerospace in Ottobrunn bei München vorbeischaute, da ging es für den promovierten Maschinenbauer viel um Ingenieurskunst. "Wir haben mit Herrn Diess über Technologien und mögliche Anwendungsmöglichkeiten gesprochen", sagt Isar-Aerospace-Chef Daniel Metzler, der wie Diess ebenfalls an der TU München studiert hat - allerdings Raumfahrttechnik. Fachsimpeln unter Alumni also. Und über das Geschäftsmodell: Isar Aerospace will sein Geld mit kommerziellen Flügen in den Erdorbit verdienen, womöglich auch mit dem Aufbau eines Breitband-Satellitennetzes. Um einen Einstieg von Volkswagen sei es bei dem Besuch aber nicht gegangen. "Wir hatten damals gar nicht daran gedacht, die gerade abgeschlossene Finanzierungsrunde zu erweitern", sagt Metzler, "es war ein erstes Kennenlernen."

Sieben Monate später investiert nun der Mehrheitsaktionär der Volkswagen AG, die Porsche SE, in das Raketen-Start-up. Nach der ersten B-Finanzrunde, bei der Ende 2020 bereits 75 Millionen Euro zusammenkamen, hat Isar Aerospace nun noch einmal 64 Millionen Euro eingesammelt. Angeführt werde die zweite B-Finanzierungsrunde von HV Capital, der Porsche Automobil Holding SE und der Bankengruppe Lombard Odier, wobei sich Porsche mit einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag beteiligt hat. Die Bestandsinvestoren Earlybird, Lakestar, Vsquared, Apeiron und UVC Partners sind ebenfalls wieder beteiligt, Earlybird zeichnet den größten Anteil. Das Finanzierungsvolumen von Isar Aerospace steigt so insgesamt auf mehr als 150 Millionen Euro. "Damit wird Isar Aerospace zum bestfinanzierten und am schnellsten wachsenden Space-Start-up in der EU", teilt das Unternehmen mit.

Was sich Porsche von dem Investment verspricht? Man sei davon überzeugt, dass der Zugang zum Weltraum "ein wesentlicher Schlüssel zu Innovationen in traditionellen Industrien sowie für neue, disruptive Technologien und Geschäftsmodelle sein wird", sagt Lutz Meschke, Vorstandsmitglied der Porsche SE. Man wolle Isar Aerospace auf seinem Weg begleiten, "der führende europäische Startdienstanbieter mit Fokus auf kleine und mittlere Satelliten zu werden".

Geely investiert in ein eigenes Satellitennetz

Auch wenn die Porsche-Holding betont, unabhängig von möglichen Synergien für Volkswagen zu investieren, so ist klar, dass auch Autokonzerne mittelfristig solche Startkapazitäten nachfragen werden. Der chinesische Autokonzern Geely investiert gerade 326 Millionen Dollar in ein Satellitennetz, das Breitbandkommunikation und Navigation für das autonome Fahren bereitstellen soll. "Space-Themen berühren ja viele Branchen und sind unter anderem auch für die Automobilbranche interessant", sagt Metzler, "zum Beispiel wenn es um autonomes Fahren, Car Entertainment oder auch die Verknüpfung der Fabriken geht." Viele Anwendungen seien denkbar. Für die Porsche SE gehe es aber nicht darum, sich einen Zulieferer zu holen. "Sie sehen in dem Investment vor allem einen Business-Case." Der Einstieg der Porsche-Holding ist jedenfalls auch ein Signal für die sogenannte Old Economy. Satellitenbasierte Technologien hätten das Potenzial, "zum Rückgrat für traditionelle und aufstrebende Industrien gleichermaßen zu werden", so Metzler. Dafür seien Startkapazitäten elementar. Es gebe weitere Autokonzerne, die Interesse an Isar Aerospace hätten, nicht nur in Europa.

Isar Aerospace mit mittlerweile 180 Mitarbeitern will das Geld in seine Start-, Test- und Fertigungsinfrastruktur für den Bau seiner 27 Meter langen zweistufigen Trägerrakete Spectrum investieren, die mit Kohlenwasserstoffen und Flüssigsauerstoff angetrieben werden soll. Die "weitgehend automatisierte Produktion" hat bereits begonnen, der Erstflug ist für Mitte nächsten Jahres im norwegischen Andøya geplant. Triebwerkstests laufen im schwedischen Kiruna.

Was künftige Kunden zahlen, ist noch unklar. "Unser Ziel ist es, beim Preis für die Nutzlast auf unter 10 000 Euro je Kilogramm zu kommen", sagt Metzler. Zum Vergleich: Das Start-up RFA Augsburg peilt mit seinem Microlauncher 2300 Euro an, Hyimpulse 7000 Euro. "Wir können nicht davon ausgehen, dass wir staatliche Aufträge zu x-beliebigen Preisen bekommen, sondern müssen realistisch bleiben, um profitabel zu werden", sagt Metzler. Er will in fünf Jahren etwa zehn Raketen pro Jahr verkaufen, perspektivisch bis zu 30. Geld verdiene Isar aber schon früher, dafür seien keine zehn Starts nötig. Eine weitere Finanzierungsrunde braucht es nach seinen Angaben auch nicht. "Wir sind bis zum Erststart voll durchfinanziert."

Auch ein Börsengang ist denkbar

Was kommt danach? "Ein Börsengang ist in der Zukunft denkbar, er wird aber nicht vor unserem ersten Start passieren", sagt Metzler. "Wir können das Unternehmen besser und schneller aufbauen, wenn wir privat finanziert sind und weniger Pflichten wie an der Börse haben."

Der neuseeländisch-amerikanische Kleinraketenbauer Rocket Lab, der seit 2017 bereits 20 Starts hatte, darunter drei Fehlstarts, will demnächst mit einem leeren Börsenmantel ans Parkett gehen, nutzt also einen Spac (Special Purpose Acquisition Company). Dies sei für Isar Aerospace keine Option, sagt Metzler. Er konzentriert sich nun auf den Premierenstart.

Das Interesse von Geldgebern für die Branche wächst jedenfalls: Analysten von Allied Market Research beziffern den Markt für Startdienste für 2027 auf gut 30 Milliarden Euro, davon ein Drittel für kleinere und mittlere Satelliten. "Eigene Launchersysteme spielen eine enorme Bedeutung in der Wertschöpfungskette der aufkommenden Weltraumökonomie", sagt Herbert Mangesius von Investor Vsquared. "Wir sind überzeugt, dass aus Ottobrunn heraus eine der weltweit wenigen neuen Launcherfirmen erwächst, weshalb wir unser Engagement als Investoren aufstocken."

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