Süddeutsche Zeitung

Space-X:Mit Methan zum Mars

Elon Musk will bald seine Superrakete "Starship" ins All schießen - und Geschichte schreiben. Doch der Milliardär hat einige irdische Probleme.

Von Dieter Sürig

Als der Prototyp des Starship im Dezember 2020 erstmals eine Höhe von 12,5 Kilometern erreichte und dann mit einem "Belly Flop", einer Art Bauchklatscher, zum Startplatz in Boca Chica, Texas, zurückkehrte, waren die Experten begeistert. Um abzubremsen, schwebte die silberne Stahltonne des Raketenbauers Space-X in waagerechter Bauchlage in der Luft, bevor sie sich dann aufrichtete und mithilfe der Triebwerke zur Landung ansetzte. Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte dagegen eher die Explosion des Silo-ähnlichen Fluggeräts nach dem Aufsetzen - der Triebwerksschub war zu gering, der etwa 50 Meter hohe Prototyp zerschellte. Im Mai vergangenen Jahres gelang dann erstmals die saubere Landung eines anderen Prototyps.

Im Frühjahr könnte Space-X nun am Golf von Mexiko Raumfahrtgeschichte schreiben. Milliardär Elon Musk möchte dann nicht nur einen kleinen Prototyp in den Erdorbit schießen, sondern gleich die ganze Schwerlastrakete, bestehend aus dem Raumschiff Starship und der Unterstufe Super Heavy. Etwa 33 Triebwerke namens Raptor sollen sie befeuern. Beide Stufen messen nach Angaben von Space-X 120 Meter und einen Durchmesser von neun Metern. Damit wird die Starship-Rakete zehn Meter größer als die Nasa-Rakete Saturn V, die 1969 Menschen zum Mond gebracht hat. Für das Starship ist langfristig ein Schub von rund 7500 Tonnen geplant, bei der Mondrakete betrug er etwa die Hälfte.

Starship soll zunächst 100 Tonnen in den Orbit befördern können. Das jetzige Arbeitspferd Musks, die Falcon 9, schafft knapp ein Viertel, eine von Rivale Jeff Bezos geplante Rakete 45 Tonnen. Die neue Superrakete hat zudem einen Methanantrieb, soll wiederverwendbar sein und so die Kosten enorm senken. "Elon Musk hat sich aus einem ganz bestimmten Grund für Methan entschieden, weil man es nämlich auf Mond und Mars herstellen kann", sagt Ulrich Walter, der Raumfahrttechnik an der TU München lehrt. 1993 war Walter mit dem Space Shuttle im All. Insbesondere bei Marsflügen muss Starship den Treibstoff für den Rückflug also nicht von der Erde mitbringen, das spart viel Gewicht. Walter sieht weitere Vorteile: "Methan ist im Gegensatz zu anderen Treibstoffen relativ günstig und leicht zu beschaffen."

Das Testszenario, das Space-X bei der US-Kommunikationsbehörde FCC eingereicht hat, sieht einen 90-minütigen Flug vor: Gut acht Minuten nach dem Start landet die untere Stufe im Golf von Mexiko. Das eigentliche Starship soll dann im Erdorbit in Richtung Westen fliegen und vor der hawaiianischen Insel Kauai im Meer wassern. Musk hatte zwar noch im November auf einen Starttermin im Januar gehofft, doch hat ihm die US-Luftfahrtbehörde Federal Aviation Administration (FAA) gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Behörde kann die Umweltverträglichkeitsprüfung für den Startplatz in Boca Chica wegen 18 000 Stellungnahmen von Anwohnern und Behörden erst Ende Februar abschließen.

"Wenn es klappen würde, würde es alles verändern"

In der Raumfahrt gehört es sowieso zum Geschäftsmodell, dass die Entwicklung einer Trägerrakete mitunter länger dauert als geplant - es ist eben im wahrsten Sinne Rocket Science. Der damalige Space-X-Manager Hans Koenigsmann hatte der SZ vor zwei Jahren gesagt, dass das Starship noch 2019 in den Erdorbit fliegen solle. Wie realistisch ist es, dass die Rakete nun tatsächlich das erste Mal ins All starten wird? Zumal nach Branchenangaben auch am Raumschiff selbst noch Tests ausstehen.

"Wenn es klappen würde, würde es alles verändern", sagt Stefan Schlechtriem. Er ist Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe des Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Lampoldshausen, wo gerade die Triebwerke der neuen Ariane 6-Rakete getestet werden, und lehrt am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart. "Wenn dieses wiederverwendbare Methansystem betrieben werden kann, ist die Bedeutung fast aller anderen Raumtransportsysteme vernachlässigbar", sagt er, und spricht von einem weiteren Gamechanger für Space-X.

So könnten mit dem Starship "alle Aufgaben bewältigt werden: Bemannte Raumfahrt, wissenschaftliche Missionen und der komplette kommerzielle Markt mit Navigation, Kommunikation, Erdbeobachtung". Allerdings fügt er ein großes Fragezeichen hinzu, was den Erstflug betrifft. Zumal der Wissenschaftler beim Starship Parallelen zu der Mondrakete N1 der Sowjetunion sieht. Im Gegensatz zu den USA mit ihren fünf F-1-Triebwerken in der Saturn V sei es den sowjetischen Raumfahrtingenieuren nicht gelungen, ein Triebwerk mit ausreichend hohem Schub zu entwickeln. Daher musste die N1 von 30 Triebwerken in der ersten Stufe angetrieben werden, die damit verbundene Komplexität habe letztlich zu vier Fehlstarts und der Aufgabe des Programms geführt.

Methan statt Kerosin - ist das die Zukunft?

Bei der Entwicklung sehr großer Raketentriebwerke wie beim Starship gebe es also ein immenses Entwicklungsrisiko: "Große Brennkammern neigen zu Instabilitäten, sodass sie bei hohem Druck in alle Einzelteile zerlegt werden können", sagt Schlechtriem. Elon Musk habe beim Raptor-Triebwerk, das seine Ingenieure entwickeln mussten, dann auch die Reißleine gezogen. "Es hatte ursprünglich 360 Tonnen Schub, aber dabei sind mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig Instabilitäten in der Brennkammer aufgetreten." Nun betrage der Schub nur noch etwa 200 Tonnen, was für Musk letztlich einen kompletten Neustart des Programms bedeutet habe. "Immerhin haben zwei Triebwerksentwickler das Unternehmen verlassen, wer tut dies schon so kurz vor dem Ziel?", fragt er sich. "Die Triebwerksentwicklung ist jedenfalls für den Erfolg entscheidend, sonst brauchen Sie gar nicht anzufangen." Die Wahl von Methan und Flüssigsauerstoff ist für ihn aber "keine schlechte Treibstoffkombination": Effizienter als Flüssigsauerstoff und Kerosin bei der Falcon 9, und Kerosin kann auch nicht auf dem Mars hergestellt werden.

Auch der Umstieg von Carbonfaser-verstärktem Kunststoff auf schwereren Stahl für Strukturen und Tanks 2018 hat Musk vor neue Herausforderungen gestellt. "Stahl ist billig, einfach zu bekommen und zu formen", so hatte der ehemalige Space-X-Manager Koenigsmann die Motive umrissen - und es sei nicht so hitzeempfindlich. "Im Detail hat Space-X mit dem Triebwerk und dem neuen Design richtig viele Probleme, die es noch zu lösen gibt, da muss ja alles stimmen", sagt Schlechtriem nun. "Musk betritt an zu vielen Stellen Neuland und fängt bei jeder Spezifikationsänderung bei null an." Einen baldigen Start sieht er deshalb nicht. "Ich befürchte, er wird feststellen, dass viele Dinge grundsätzlich nicht funktionieren, und wird Zeit für eine komplette Revision des Designs brauchen", sagt er.

"Der Raptor mit Methan-Treibstoff ist ganz neu, da muss Musk herumprobieren", sagt auch Astronaut Ulrich Walter. Musk hatte Ende November in einer Mitarbeiter-Nachricht davor gewarnt, dass Probleme mit dem Raptor-Triebwerk zu weiteren Verzögerungen, gar zum Bankrott führen könnten. Wobei Musk gerne mal theatralisch werden kann und kurz darauf per Twitter wieder Entwarnung andeutete. "Wie ich Musk kenne, wird er relativ konservativ sein, weil der Start des Starship sehr publikumswirksam ist", sagt Walter zur Zeitplanung. Zumal das Raumschiff im Gegensatz zur Falcon 9 das Steckenpferd des Milliardärs sei. "Er wollte damit immer zum Mars fliegen. Es ist sein Traum, dass er die Menschheit zum Mars bringt und dort Habitate aufbaut."

Bislang habe der Space-X-Chef das Starship selbst finanziert. Erst jetzt kommt Geld in die Kasse, weil die Nasa es als Moonlander nutzen will und dafür knapp drei Milliarden Dollar zahlt. Musk hat übrigens an der National Academies of Sciences selbst schon mal vorgebaut, dass etwas schiefgehen könnte: "Dieser erste Start ist mit vielen Risiken verbunden, sodass ich nicht sagen würde, dass er wahrscheinlich erfolgreich sein wird, aber ich denke, wir werden große Fortschritte machen", sagte er dort.

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