Raumfahrt:Space-Allianz gegen US-Konzerne

Mynaric

Die Firma Mynaric gehört zu den Gründungsmitgliedern. Sie rüstet Satelliten mit Laserkommunikationsplattformen aus. Illustration: Mynaric/oh

Unternehmen versammeln sich in einer New-Space-Initiative des Industrieverbands BDI. Sie wollen im All unabhängig bleiben - auch die Autoindustrie macht mit.

Von Dieter Sürig

Ob Erdbeobachtung, Kommunikation oder Navigation - viele Branchen arbeiten bereits seit Jahren mit Daten aus der Raumfahrt. Angesichts der weltweiten Vernetzung (Internet der Dinge), dem autonomen Fahren und der Analyse des Klimawandels werden solche Dienste immer wichtiger. Im Grunde bietet die Raumfahrt das, was jeder braucht. Der Industrieverband BDI, der das Geschäft mit Satelliten, Raketen und Big Space Data schon vor Jahren entdeckt hat, will dem Rechnung tragen und die Branche nun auf eine neue Ebene heben.

Bei einer internen Hybridveranstaltung gründet der BDI an diesem Mittwoch eine New-Space-Initiative. Dabei geht es bei den rund 30 Gründungsmitgliedern um weit mehr als um New Space. Zu Start-ups und Raumfahrtkonzernen wie Airbus und OHB gesellen sich in der Initiative erstmals auch branchenfremde Unternehmen wie der Softwarekonzern SAP, die Rückversicherung Munich Re, das Rohstoffunternehmen K+S oder der Automobilverband VDA.

"Die branchen- und industrieübergreifende Initiative bildet einen einmaligen Zusammenschluss", sagt BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Unser Ziel ist, Deutschland und Europa fit für die digitale Transformation, die Energiewende und Industrie 4.0 zu machen." Der BDI sieht mit Besorgnis, dass in den USA Technologiekonzerne wie Google, Amazon, Space-X ins All drängen. "Deutschland und Europa sollten die Fehler der Vergangenheit und die daraus resultierende Daten-Abhängigkeit nicht wiederholen", so Lang. "Die Mitglieder der Initiative eint die Aufbruchstimmung und die Überzeugung, dass New Space unser Land digitaler, grüner und innovativer macht", sagt der Geschäftsführer der Initiative, Matthias Wachter. "Wir freuen uns schon darauf, aus den Daten, die wir im All generieren, nachhaltige Anwendungen zu entwickeln", auch New Space werde davon profitieren, heißt es bei SAP.

Der BDI setzt sich schon länger mit Veranstaltungen und Positionspapieren für New Space ein, hat auch einen deutschen Startplatz für Kleinraketen vorgeschlagen. Vier Arbeitsgruppen sollen sich nun mit Themen wie Weltraumgesetz, Industrie 4.0, Cybersicherheit, Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder Mobilität beschäftigen, um die Branchen besser zu vernetzen.

"In Zukunft wird jedes Unternehmen in die Raumfahrt gehen."

Während Munich Re seit Jahren Satellitendaten für das Risikomanagement nutzt und Satelliten versichert, hat auch die Autoindustrie die Raumfahrt entdeckt. Der chinesische Autokonzern Geely baut für das autonome Fahren sogar ein eigenes Satellitennetz auf, die Porsche-Holding investiert in den Raketenbauer Isar Aerospace. Nun beteiligt sich der Autoverband VDA an der Initiative. "Die Autoindustrie befindet sich in einer historischen Transformation", so VDA-Geschäftsführer Joachim Damasky, der unter anderem satellitenbasierte Kommunikation, neue Positions- und Navigationssysteme sowie Fertigungsprozesse anführt. Für klimaneutrale Mobilität, alternative Antriebe, Automatisierung und Vernetzung seien innovative Technologien nötig - "eine Win-win-Situation zwischen unserer Industrie und der Weltraumindustrie", so Damasky. "Der Ansatz des BDI, gerade auch führende deutsche Unternehmen aus Anwenderbranchen zu integrieren, ist sehr zu begrüßen", sagt Raumfahrtjurist Ingo Baumann, dessen Kanzlei BHO Legal auch zu den Gründern der Initiative gehört.

Nutznießer von Space-Daten ist auch die Forstwirtschaft. Das Münchner Start-up Ororatech will ein Satellitennetz aufbauen, um frühzeitig Waldbrände zu erkennen. Er schätze an der Initiative, dass "dort auch branchenfremde Unternehmen dabei sind", sagt Gründer Thomas Grübler, "das ist das Spannende". Er rechnet mit einem zunehmenden Bedarf an Raumfahrttechnologien. "In Zukunft wird jedes Unternehmen in die Raumfahrt gehen, um deren Daten für ihre Klimaziele zu nutzen." Die Initiative werde "die ideale Austauschplattform" für Space-Daten. Die Agrarwirtschaft nutzt schon länger Navigationssignale für den Präzisionsackerbau, um den Ressourceneinsatz zu optimieren. Mit der Initiative "wollen wir uns besser mit der Industrie vernetzen und an den neuesten Entwicklungen im Markt teilhaben", sagt Fabian Wendenburg, Geschäftsführer des Verbandes Familienbetriebe Land und Forst.

Die Initiative gründet sich in einer Zeit, in der noch unklar ist, welchen Stellenwert die Raumfahrt in der künftigen Regierung spielen wird. Im Koalitionsvertrag nimmt das Thema nur ein paar Zeilen ein, doch gelten Raumfahrt und New Space demnach als "zentrale Zukunftstechnologien". Diese könnten "gerade für den Klima- und Umweltschutz einen enormen Beitrag leisten", sagt Grünen-Raumfahrtexperte Dieter Janecek. "Die neue Bundesregierung muss aber daran arbeiten, die Rahmenbedingungen für Raumfahrt-Start-ups weiter zu verbessern."

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