RaumfahrtHier sollen künftig Esa-Astronauten forschen

Lesezeit: 4 Min.

Die private Raumstation „Haven-2“, die das US-Unternehmen Vast bis 2032 voll ausbauen möchte.
Die private Raumstation „Haven-2“, die das US-Unternehmen Vast bis 2032 voll ausbauen möchte. (Foto: Vast Space)

Während Elon Musk ein schnelles Ende der Raumstation ISS fordert, planen mehrere Firmen kommerzielle Forschungslabore im Erdorbit. Das erste könnte schon nächstes Jahr im All sein.

Von Dieter Sürig

Wenn die kalifornische Raketenfirma Space-X etwa 2030 die internationale Raumstation ISS vom Himmel holt, um sie im Meer zu versenken, dann sollte im Idealfall schon mindestens eine neue Forschungsstation um die Erde kreisen. Gut möglich, dass die ISS sogar schon früher aufgegeben wird, wie Space-X-Chef Elon Musk fordert. Die Raumfahrtagenturen Nasa und Esa benötigen jedoch auch nach ihrem Ende Forschungsplätze für Astronauten im Erdorbit.

Die US-Weltraumbehörde Nasa hat deshalb schon 2021 einen Designwettbewerb mit einem Volumen von rund 415 Millionen Dollar initiiert und will voraussichtlich 2026 entscheiden, wer den Zuschlag für den Bau einer kommerziellen Raumstation bekommt. In der ersten Runde konkurrieren noch die Firma Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos und die Nanoracks-Gruppe, zu der Voyager Space gehört. Voyager will gemeinsam mit Airbus die Raumstation Starlab bauen.

Bei dem neuen Wettrennen ins All mischen aber auch andere Firmen mit, darunter das US-Unternehmen Vast Space. Für das 2021 gegründete Start-up kam der Nasa-Wettbewerb zu früh. Vast-Chef Max Haot verfolgt deswegen eine andere Strategie. Er will nun einfach Tatsachen schaffen und vor dem Nasa-Entscheid eine erste funktionierende Raumstation im Erdorbit für Forschungszwecke haben. Die Station namens Haven-1 soll rund zehn Meter Länge haben, bei einem Durchmesser von 4,4 Metern.

Die US-Firma Vast Space will zunächst 2026 die kleine Raumstation „Haven-1“ im Orbit platzieren.
Die US-Firma Vast Space will zunächst 2026 die kleine Raumstation „Haven-1“ im Orbit platzieren. (Foto: Illustration: Vast Space)

Vast baut die Raumstation in Long Beach, Kalifornien, voraussichtlich im Mai nächsten Jahres soll sie dann mit einer Falcon 9-Rakete ins All fliegen, wie das Start-up gerade angekündigt hat. Vast arbeitet eng mit Space-X zusammen, da das Lebenserhaltungssystem der Space-X-Crewkapsel Dragon auch Haven-1 versorgen soll. Damit könne Vast das Programm beschleunigen. Space-X sei deshalb am Design-Prozess beteiligt, sagt Haot im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Einige Monate nach dem Start von Haven-1 soll eine erste Crew mit vier Raumfahrern zwei Wochen auf der Station verbringen, die ähnlich wie die ISS auf einer Höhe von 425 Kilometern um die Erde kreisen soll. „Bei einer Lebensdauer der Raumstation von drei Jahren sollen Astronauten dort insgesamt 40 Tage verbringen“, sagt er. Vast plant deswegen vier Crew-Missionen, bevor Haven-1 wieder in die Erdatmosphäre eintreten soll. Die erste Raumstation soll etwa eine Milliarde Euro kosten, „einschließlich der Einnahmen durch die erste Crew-Mission und der Finanzierung durch unseren Gründer“, so Haot. Voraussichtlich Ende 2025 soll es deswegen eine Finanzierungsrunde geben. „Oberstes Ziel von Haven-1 ist es, die Nasa und ihre Partner zu überzeugen, dass sie uns als Ersatz für die ISS auswählen.“ Um die Astronautenplätze der ersten Mission zu verkaufen, führt Vast Gespräche mit Raumfahrtbehörden und auch Privatpersonen.

Testmodul für die kommerzielle Raumstation „Haven-1“ am Versuchsstand in Mojave, Kalifornien, im Januar dieses Jahres.
Testmodul für die kommerzielle Raumstation „Haven-1“ am Versuchsstand in Mojave, Kalifornien, im Januar dieses Jahres. (Foto: Vast Space)

Als eigentliche Raumstation ist dann Haven-2 vorgesehen, die das Unternehmen von 2028 bis 2032 im Orbit zusammenbauen möchte: Ein Zentralmodul und acht Außenmodule, in denen Platz für insgesamt zwölf Astronauten wäre.

Ein entscheidender Unterschied zur ISS soll in Haven-2 eine künstliche Schwerkraft werden, die durch eine ständige Drehung der Raumstation erzeugt wird. Trotz täglichen Trainings im All bilden sich bei den ISS-Astronauten Knochen und Muskeln zurück. Und es dauert, bis sie sich auf der Erde wieder erholen. „Wenn wir auf der Haven-2 eine künstliche Schwerkraft schaffen können, dann können wir dazu beitragen, dass Menschen auch längere Zeit außerhalb dieses Planeten leben und arbeiten können“, sagt Haot. Vast Space wolle die Firma werden, die dies schafft.

Die Frage sei, ob in der Station ein Drittel (Mars) oder ein Sechstel (Mond) der normalen Schwerkraft von einem G auf der Erde ausreichen. Langfristig wolle man beides ausprobieren, sagt Haot. Seinen Informationen zufolge braucht Vast immerhin sieben Starts des neuen Riesenraumschiffs Starship von Space-X, um die Module für die Raumstation in die Erdumlaufbahn zu befördern. Daraus werde dann ein 105 Meter langes Gebilde mit 4,4 Metern Durchmesser, das zentrale Modul soll sogar sieben Meter Durchmesser haben. „Wir wollen unsere Raumstation mit künstlicher Schwerkraft mit vier Umdrehungen pro Minute drehen.“ In der Mitte des Gebildes soll Schwerelosigkeit herrschen, in den äußeren Modulen 1G wie auf der Erde. Gravitationszustände wie auf Mond und Mars könnten dann an verschiedenen anderen Punkten simuliert werden.

Innendesign der Raumstation „Haven-1“.
Innendesign der Raumstation „Haven-1“. (Foto: Illustration: Vast Space)

Die europäische Raumfahragentur Esa hat bereits Absichtserklärungen mit künftigen Betreibern privater Raumstationen abgeschlossen, um diese nutzen zu können, darunter auch mit Vast. Ziel sei es, „die Bedingungen, Kosten und Vorteile für uns Europäer zu klären“, sagt Esa-Generaldirektor Josef Aschbacher zur SZ. „Unter anderem geht es auch darum, welche Räumlichkeiten uns diese Anbieter im Weltraum auf kommerzieller Basis zur Verfügung stellen können.“

Ob Medizin, Pharmazie oder Materialwissenschaften: Auf der Raumstation „Haven-1“ sollen Astronautinnen und Astronauten wie auf der ISS forschen.
Ob Medizin, Pharmazie oder Materialwissenschaften: Auf der Raumstation „Haven-1“ sollen Astronautinnen und Astronauten wie auf der ISS forschen. (Foto: Illustration: Vast Space)

Eines der Hauptziele sei, dass europäische Astronautinnen und Astronauten dort langfristig wissenschaftlich arbeiten können. Die Esa denkt an Missionen von etwa sechs Monaten Dauer, wie bisher auf der ISS. „Wir wollen aber auch sicherstellen, dass das Geld, das wir dort investieren, in Europa bleibt“, sagt Aschbacher. „Das heißt, dass wir technische Infrastruktur mit unserer Industrie in Europa entwickeln, wofür wir im Gegenzug Astronautenflüge und Aufenthalte im Weltraum für Forschungszwecke bekommen.“ Auch für die ISS hatte die Esa etwa ein Labor und Frachtkapseln beigesteuert, um dort Astronautenplätze zu bekommen.

Diesmal hat die Esa einen Industriewettbewerb ausgeschrieben, um eine wieder verwendbare Frachtkapsel zu entwickeln, die auch Fracht zur Erde zurückbringen kann. Den Zuschlag haben das Münchner Start-up The Exploration Company und der französisch-italienische Konzern Thales Alenia Space bekommen. „Die Esa hat sich verpflichtet, die erste Phase der Entwicklung eines Frachtschiffs zu finanzieren, das drei bis vier Tonnen in den Weltraum bringen wird“, sagt Aschbacher. Um einen Wettbewerb zu haben, möchte er jeweils mehrere Anbieter nutzen – auch bei den Raumstationen.

Das Münchner Start-up The Exploration Company möchte künftig mit der Frachtkapsel "Nyx" Raumstationen beliefern.
Das Münchner Start-up The Exploration Company möchte künftig mit der Frachtkapsel "Nyx" Raumstationen beliefern. (Foto: The Exploration Company)

Ob Vast seine teuren Pläne auch ohne Nasa-Zuschlag realisieren könnte, hängt letztlich von der Finanzierung ab. „Wir müssen den Nasa-Wettbewerb gewinnen, dann haben wir sie als Ankerkunden“, sagt Haot dazu. Dass Vast bereits mit der Nasa kooperiert, um Konzepte für künstliche Schwerkraft im All zu entwickeln, dürfte da weiterhelfen. Außerdem hat Vast zwei Astronautenflüge zur ISS angekündigt, um Erfahrungen zu sammeln.

Kann man mit Raumstationen wirklich Geld verdienen? Die Analysten von PwC sehen jedenfalls einen wachsenden Markt für den Bau und Betrieb kommerzieller Raumstationen. In den kommenden Jahren seien Umsätze von einer bis zu 2,6 Milliarden Dollar jährlich zu erwarten, heißt es in einer PwC-Studie.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: