Viele Start-ups wollen mit ihren Raketen und Satelliten in die Erdumlaufbahn, doch dieses hier möchte noch weiter hinaus: Das Bremer Unternehmen Levity will eine einheitliche Satellitenplattform bauen, mit denen Kunden Fracht zum Mond transportieren können: Zum Beispiel wissenschaftliche Versuche, Prototypen oder auch Komponenten etwa für ein Kommunikationsnetz am Erdtrabanten. Die Luft- und Raumfahrtingenieure Lars Kesseler, 30, und Andres Lüdeke, 29, haben das Start-up erst im vergangenen Juli beim Amtsgericht Bremen angemeldet. Die Idee sei vor ein paar Jahren beim Bier gekommen: "Es gibt so viel Potenzial, lass uns doch mal was in der Raumfahrt machen", beschlossen sie da.
"Damals ging es schon in die Richtung, dass es insbesondere Kleinsatelliten den Universitäten, Instituten und Start-ups überhaupt erst ermöglicht haben, darüber nachzudenken, Raumfahrt zu machen", sagt Kesseler, der gemeinsam mit Lüdeke an der FH Aachen studiert hat. Sie entwickelten die Idee einer Plattform für den Mondorbit, erhielten eine Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen und zogen in ein Gründerzentrum der Raumfahrtagentur Esa in Bremen ein.
Die Gründer möchten ihre lunare Plattform, die in etwa die Größe einer Waschmaschine hat und 150 Kilogramm wiegt, möglichst flexibel und preisgünstig anbieten, wie Projektmanager Niklas Kuchenbäcker, 25, erläutert - "mit auf dem Markt vorhandenen Komponenten, die schon für die Weltraumtauglichkeit zertifiziert sind". Levity will eine Satelliten-Plattform bauen, die Kunden für ganz unterschiedliche Missionen nutzen und mit bis zu 50 Kilogramm belegen können. "Wir möchten es kleineren Instituten und Unternehmen ermöglichen, eine Plattform aus dem Regal nutzen zu können, mit der in kurzer Zeit geflogen werden kann", sagt Kuchenbäcker. Eine Produktion wie am Fließband soll die Kosten senken. Bislang könnten Kunden nur maßgeschneiderte Satelliten bestellen, verbunden mit langer Entwicklungszeit und hohen Kosten.
Dass die Geschäftsidee nicht so abwegig ist, wie sie vielleicht klingen mag, zeigt eine neue Analyse des Beratungsunternehmens PwC zu Marktchancen rund um den Mond, die sich durch Forschung, Besiedlung und Ausbeutung des Erdtrabanten ergeben können. Demnach erwarten die Berater alleine für den Transport von Gütern in den nächsten beiden Jahrzehnten einen weltweiten Markt von konservativ geschätzt 55 Milliarden Dollar, mit optimistischen Szenarien sogar fast das Doppelte.
Davon wollen auch die Levity-Gründer profitieren. Sie können sich vorstellen, die Satelliten zunächst selbst in Bremen zusammenzubauen. "Wir wollen schauen, dass wir in Europa ansetzen und die Aufbruchstimmung nutzen, die es gerade gibt", sagt Kesseler. Die Produktion auszulagern, um ein paar Cent pro Schraube zu sparen, das kommt für ihn nicht in Frage. Den ersten Demoflug plant das Team mit mittlerweile knapp zehn Leuten für 2026, sie schätzen, dass ihr Produkt dann im Zuge der weltweit von vielen Ländern geplanten Mondmissionen genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kommt. "Wir sind dann eine New-Space-Spedition zum Mond, eben mit Kleinsatelliten", sagt Kesseler.
Auf dem Mond zu landen, ist bisher nicht vorgesehen
Dabei soll die Satelliten-Plattform mit einem Microlauncher in die Erdumlaufbahn gebracht werden. Dies dauere zwar, sei aber günstiger als mit einer großen Rakete, die einen schnelleren Mondflug erlauben würde. Selbst auf dem Mond zu landen, sieht das Geschäftsmodell aber noch nicht vor. Andererseits wirbt Levity auch um Kunden, die mit ihren Nutzlasten "nur" in den geostationären Erdorbit fliegen wollen, also etwa 35 800 Kilometer entfernt, wo bisher vor allem große, teure Satelliten unterwegs sind. Zum Vergleich: Die Raumstation ISS befindet sich auf 400 Kilometern Höhe. "Unsere Vision ist es, Firmen zu ermöglichen, von New Space zu profitieren und schnell in den Weltraum zu gelangen und auch neue Geschäftsfelder aufzubauen, die bisher gar nicht denkbar waren", sagt Kuchenbäcker.
Nach heutigem Ermessen sollen Satellit und Plattform sowie Start und Flug etwa zehn Millionen Euro kosten, "nach Nasa-Berechnungen kostet ein ähnlicher Satellit nach herkömmlicher, maßgeschneiderter Bauweise das Doppelte", so Kuchenbäcker. Viel Konkurrenz haben die Bremer bislang nicht ausgemacht, man befinde sich noch in einem Nischenbereich. Bis zum Premierenflug rechnet Kesseler mit Investitionen von etwa 15 Millionen Euro, alleine der Start koste etwa fünf Millionen Euro. Zur Finanzierung gebe es Gespräche mit Wagniskapitalgebern. Eine erste Finanzierungsrunde sei für kommendes Jahr geplant. "Jetzt geht es darum, den ersten Prototypen zu bauen."