Internet:Europäisches Breitband aus dem All

Internet: Eine Falcon 9 hat im Mai 2019 erstmals 60 Satelliten auf einen Schlag für das Breitband-Netzwerk Starlink ins All gebracht. Space-X hat bislang 1025 Einheiten dafür gestartet.

Eine Falcon 9 hat im Mai 2019 erstmals 60 Satelliten auf einen Schlag für das Breitband-Netzwerk Starlink ins All gebracht. Space-X hat bislang 1025 Einheiten dafür gestartet.

(Foto: Malcolm Denemark/AP)

Eine Studie empfiehlt der Bundesregierung, sich für ein Internet-Satellitennetz der EU einzusetzen. Sonst drohe die Gefahr, von internationalen Konzernen abhängig zu werden.

Von Dieter Sürig, München

Wir schreiben das Jahr 2028, Tausende Internet-Satelliten umkreisen die Erde. Drei kommerzielle Konstellationen dominieren mittlerweile die Versorgung mit Breitband-Internet aus dem All: Starlink von Space-X, ein gemeinsames Netz von Amazon und Oneweb sowie ein chinesisch-russisches Breitbandnetz. Milliarden Menschen in ländlichen Regionen nutzen das Internet aus dem All, in den Ballungsräumen dominiert die Versorgung über Glasfasernetze.

In einer Studie der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik zeichnet Daniel Voelsen ein Szenario globaler Oligopole, in dem Deutschland und Europa nicht viel zu melden, geschweige denn Einfluss haben, was weltweite Kommunikationsnetze angeht. "Es droht eine nie dagewesene Konzentration wirtschaftlicher Macht und damit auch ein bisher unbekanntes Maß politischer Kontrolle über die globalen Kommunikationsnetze", warnt der Politikwissenschaftler. Er befürchtet unter anderem eine Fragmentierung des Internets, die Folge wären "erhebliche Einschränkungen des Rechts auf Meinungsfreiheit wie auch des Rechts auf Privatsphäre".

Staaten wie Deutschland drohe damit eine Abhängigkeit, "in der die selbstbestimmt-demokratische Kontrolle über die eigenen digitalen Infrastrukturen", so Voelsen, "immer weiter begrenzt wird". Der Streit um die Beteiligung des chinesischen Huawei-Konzerns am 5G-Netz zeige zudem, "wie sehr scheinbar technische Fragen digitaler Infrastrukturen mit geopolitischen Auseinandersetzungen um politischen und wirtschaftlichen Einfluss verbunden sind".

EU-Kommissar Breton hätte gerne ein Breitband-Internet per Satellit

Doch es ginge auch anders: Die Studie, die in den nächsten Tagen an Regierung und Bundestagsabgeordnete geht, setzt sich für ein europäisches Breitband-Satellitennetz ein, so wie es auch EU-Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton vorschwebt. Erst im Dezember hat die Europäische Kommission mehrere Unternehmen damit beauftragt, ein Konzept für ein europäisches Hochgeschwindigkeitsinternet per Satellit zu entwickeln. Ziel sei es, ähnlich wie beim Navigationssatellitensystem Galileo, ein unabhängiges Netz zu haben, das aber privatwirtschaftlich mitfinanziert werden soll. Ergebnisse werden in einem Jahr erwartet.

Voelsen diskutiert nämlich auch ein zweites Szenario, in dem 2028 nicht nur die globalen Mega-Konstellationen im Sinne eines fairen Wettbewerbs Regeln der Welthandelsorganisation WTO unterliegen, sondern es auch ein europäisches Breitband-Satellitennetz gibt, das weltweit nutzbar ist. Der Wissenschaftler ist der Auffassung, dass Deutschland den Aufbau einer europäischen Internet-Konstellation unterstützen sollte, auch um Einfluss auf deren konkrete Ausgestaltung nehmen zu können. "Es gibt noch keine breitere politische Debatte, doch sehe ich hier das Potenzial zu einer grundlegenden Neustrukturierung der globalen Kommunikationsnetze", sagt er. Er mahnt einerseits an, im Interesse einer "Balance der Infrastrukturen" das Glasfasernetz weiter auszubauen, um "zu starke und zu einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden". Europa sollte im Zuge einer Public Private Partnership aber auch ein eigenes Satellitennetz für Hochgeschwindigkeitsinternet anstreben, "um wirtschaftlich und politisch unabhängig zu bleiben".

Dass dies alles auch so kommen wird, ist für ihn trotz der Breton-Initiative noch nicht ausgemacht. "Ich habe die Sorge, dass Europa diesen wichtigen technologischen Schritt nicht mitgeht", sagt er, "die Politik sollte sich der strategischen Reichweite der Fragen bewusst werden". Ähnlich hatte Esa-Telekommunikationsdirektorin Magali Vaissière im Sommer 2020 gewarnt, "dass sich Europa nicht auf den guten Willen seiner internationalen Partner verlassen sollte, wenn es um die kritischen Infrastrukturen geht". Voelsen befürchtet jedenfalls Amazon-Verhältnisse - ähnlich wie im Handel. Dann drohe auch beim Breitband-Internet "ein Trend zur Konzentration wirtschaftlicher - und in der Folge auch politischer - Macht". Dies vor allem, wenn die Preise der Konzerne mit zunehmendem Ausbau sinken werden und Glasfaser auch in Ballungsräumen womöglich an Bedeutung verliert.

Eine europäische Alternative könnte auch für Entwicklungsländer attraktiv sein

Unabhängig davon sieht Voelsen noch einen weiteren Nutzen eines von Europa aufgebauten Netzes, zumal Breitband aus dem All zunächst vor allem für ländliche Regionen interessant ist, wo oft nicht Glasfaser teuer verbuddelt werden kann. "Es wäre wohl auch für viele Entwicklungsländer attraktiv, wenn es eine europäische Alternative zu den amerikanischen und chinesischen Netzen gäbe", findet er.

Sollte die Europäische Kommission die Pläne für ein unabhängiges Breitband-Satellitennetz weiter verfolgen, könnte es technisch gesehen eigentlich schon Mitte des Jahrzehnts im All sein. Doch die europäischen Entscheidungswege, Ausschreibungsmodalitäten und Erfahrungen aus den Verzögerungen bei Galileo würden eher Voelsens Vermutung bestätigen, dass das Netz erst 2028 in Betrieb gehen kann. "Wir sind spät dran, aber noch nicht zu spät, um im Spiel zu bleiben", gibt sich der Forscher optimistisch.

Bretons Vorschlag stößt auch auf Zweifler, zumal es in Europa bereits regionale Internet-Satellitennetze gibt. "Grundsätzlich ist die Idee, dünn besiedelte Gebiete über Satelliten mit Breitband zu versorgen, auf unserer Linie", sagt Walther Pelzer vom DLR-Raumfahrtmanagement. Allerdings gebe es im Bereich der Kommunikation bereits einen "relativ gut funktionierenden Markt", sagt er. "Diese privatwirtschaftlichen Initiativen sollten durch staatliche Aktionen nicht gefährdet werden."

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