Raumfahrt:Erster bemannter Space-X-Flug zur ISS gestartet

Space X, Falcon 9

Die "Falcon 9"-Rakete mit Bob Behnken und Doug Hurley in der "Dragon Crew"-Kapsel ist vom Kennedy Space Center in Florida aus gestartet.

(Foto: David J. Phillip/AP)

Die Nasa hat erstmals eine Privatfirma beauftragt, Astronauten ins All zu fliegen. Der Start ist am Samstag geglückt, nachdem er am Mittwoch am Wetter gescheitert war.

Von Dieter Sürig

Es gibt diese Computerspiele, in denen der Spieler das nächste Level erreicht, wenn er bestimmte Aufgaben gelöst und Hürden überwunden hat. Scheitert er, geht die Runde wieder von vorne los. So ähnlich mag es den Nasa-Astronauten Bob Behnken, 49, und Doug Hurley, 53, ergangen sein, als sie am Mittwochabend Ostküstenzeit wieder aus ihrer nagelneuen Kapsel Crew Dragon steigen mussten: 17 Minuten vor dem bemannten Premierenflug einer Privatfirma zur Internationalen Raumstation ISS drohte ein Gewitter über dem Startplatz in Cape Canaveral/Florida. Der Reiseveranstalter Space-X brach den Countdown ab. Also alles wieder auf null in dieser Runde und zurück ins Crew-Quartier.

Drei Tage später saßen die beiden Raumfahrer am Samstag wieder in ihrer Kapsel an der Spitze der Rakete Falcon 9, in 70 Metern Höhe auf der historischen Startrampe 39A und hofften auf besseres Wetter. Vorher war es ähnlich gelaufen wie am Mittwoch: Nach dem Frühstück ging es in die Umkleide, im Neil Armstrong Operations and Checkout Building, wo vor 50 Jahren bereits die ersten Mondfahrer logiert hatten. Dort erhielten die Astronauten ihre weißen Space-X-Raumanzüge, auch der Besuch des coronabedingt maskierten Nasa-Chefs Jim Bridenstine gehörte zum Déjà-vu. Space-X-Gründer Elon Musk schaute diesmal nicht vorbei. Beide hatten Behnken und Hurley drei Tage zuvor in gebührendem Abstand alles Gute gewünscht. Selbst der ein wenig sarkastische Tweet Behnkens war am Samstag fast identisch: "Launch Day. In America. Again."

Mit dem Tesla brausten die Astronauten dann zum rund 15 Kilometer entfernten Startplatz, begleitet von AC/DCs "Back in Black" und den Klängen von "The Girl from Ipanema", fuhren mit dem Lift zur Zugangsbrücke und warteten in der Kapsel geduldig auf den Tankvorgang - und den Start.

Ein dritter Anlauf blieb ihnen sowie den Hunderten Mitarbeitern von Nasa und Space-X dann erspart, auch wenn es zeitweise wieder nach Gewitter ausschaute. Dann aber klarte der Himmel auf. "Falcon/Dragon sind darauf ausgelegt, Blitzeinschläge auszuhalten", hatte Musk zuvor getwittert, "wir sollten dieses Risiko aber nicht eingehen". Sicherheit geht vor. Deshalb musste auch US-Präsident Donald Trump erneut zum Start nach Florida anreisen - obwohl er derzeit eigentlich ganz andere Probleme hat.

Der aktuelle Flug der "Crew Dragon" ist noch ein Testflug

Am Samstag pünktlich um 15.22 Uhr Ortszeit hob die Falcon-9-Rakete mit der Crewkapsel an der Spitze ab, zwölf Minuten später erreichte sie den Orbit, nach etwa 19 Stunden Flug soll die Kapsel am Sonntag an die ISS andocken, die in etwa 400 Kilometern Höhe die Erde umkreist. Die Astronauten hatten eigens einen kleinen Dino mitgebracht, der prompt wegen der Schwerelosigkeit durch die Kabine schwebte. Vorher war bereits die wieder verwendbare erste Falcon-Stufe auf einer Plattform vor der Küste Floridas gelandet.

Behnken und Hurley sollen mindestens einen Monat auf der Raumstation bleiben, die derzeit mit zwei russischen und einem US-Astronauten besetzt ist. Spätestens Anfang August soll es wieder zurück zur Erde gehen, weil die Kapsel nach der Wasserung im Atlantik noch letzten Untersuchungen unterzogen werden muss. Nach jetzigen Planungen soll der erste reguläre Crew-Flug von Space-X bereits am 30. August zur ISS starten, dann mit vier Astronauten, die etwa ein halbes Jahr auf der Raumstation bleiben sollen.

Der jetzige Flug Demo-2 ist nämlich noch ein Testflug, wie Nasa-Chef Bridenstine ausdrücklich betonte. Dabei wollen die Astronauten vor dem Andocken auch die manuelle Steuerung mit den drei Touchscreen-Monitoren ausprobieren. Ansonsten verläuft der Flug autonom. Schon bei der Demo-1-Mission hatte im März 2019 eine Crew Dragon ohne Astronauten vollautomatisch erfolgreich an die ISS angedockt und war eine Woche später zur Erde zurück gekehrt. Bei einem Test der kleinen Kapsel-Triebwerke in Cape Canaveral war sie jedoch einen Monat später wegen eines Lecks explodiert.

Dass der letzte Testflug nun erfolgreich verläuft, ist wichtig für die Raumfahrtbehörde Nasa, die seit dem Ende der Space-Shuttle-Flüge im Jahr 2011 keinen eigenen Zugang zur ISS mehr hatte. In den vergangenen Jahren mussten US-Astronauten bei den russischen Kollegen in der Sojus mitfliegen, was auch den Nationalstolz der Amerikaner verletzt haben dürfte. Zweites Ziel ist aber, Raumfahrt künftig günstiger zu machen. Flüge mit Space-X sollen nach Nasa-Angaben 55 Millionen Dollar pro Sitzplatz kosten, die Russen hatten zuletzt 80 Millionen Dollar berechnet. Ein Platz in der Starliner-Kapsel von Boeing, die nach einem gescheiterten Testflug wohl erst 2021 Astronauten befördern wird, soll allerdings 90 Millionen Dollar kosten. Zum Vergleich: Ein Platz im Space Shuttle hat nach Berechnungen der Planetary Society inflationsbereingt etwa 170 Millionen Dollar gekostet.

Private Firmen entwickeln gerade Mondlander und -raketen

Boeing und Space-X hatten die Ausschreibung der Nasa gewonnen, die deren Kapseln künftig als Kunde chartern will. Nasa-Chef Bridenstine lässt deswegen keine Gelegenheit aus, von der historischen Tragweite dieses Testfluges zu sprechen: "Wir starten wieder amerikanische Astronauten mit amerikanischen Raketen von amerikanischem Boden", sagt er seit Wochen gebetsmühlenartig. Raumfahrt werde sich grundsätzlich verändern, "es geht um die Kommerzialisierung des niedrigen Erdorbits". In der Schwerelosigkeit könnten beispielsweise menschliche Organe per 3D-Druck hergestellt werden, sagte Bridenstine.

Er sieht für die Wirtschaft deshalb einen Billionen-Dollar-Markt im Weltraum. Darüber hinaus könne ein Public Private Partnership-Modell dazu beitragen, kostengünstiger zum Mond zurück zu kehren - diesmal für immer. "Wenn wir 2024 zum Mond fliegen, dann mit einem kommerziellen Landesystem." Die Nasa hat vor einem Monat die drei Firmen Blue Origin (von Amazon-Gründer Jeff Bezos), Dynetics und Space-X damit beauftragt, Mondlander zu entwickeln und dafür knapp eine Milliarde Dollar locker gemacht. Außerdem arbeitet sie gerade mit dem Boeing-Konzern an der neuen Mondrakete SLS. Und es gab noch ein Indiz dafür, dass auch Weltraumflüge kommerziell werden: "Danke, dass Sie heute mit der Falcon 9 geflogen sind", hörten die Astronauten später aus dem Space-X-Kontrollzentrum. Hurley ist bislang jedenfalls zufrieden mit der Kapsel: "Bisher ist es ein spektakuläres Raumschiff", kommentierte er nach den ersten manuellen Flugversuchen. Elon Musk gab sich nach dem Start gewohnt optimistisch: "Es ist hoffentlich der erste Schritt zu einem multiplanetaren Leben", sagte er. Erst am Freitag hatte er allerdings einen Rückschlag erlitten: Ein Prototyp seiner neuen Rakete Starship war bei einem Test explodiert.

Die Amerikaner sind immer für Pathos und Nationalstolz zu haben. Auch diesmal hatte die Nasa eine Art Wettlauf ausgerufen: Wer als erster nach der Schmach der vergangenen neun Jahre wieder von Florida aus zur ISS fliegt, darf dort eine besondere Belohnung abholen: Eine versiegelte US-Flagge, die mit dem ersten und letzten Space Shuttle zur ISS geflogen ist. Um dies zu erfüllen, mussten Astronauten sie aber erst einmal suchen. Sie war jahrelang auf der Raumstation verschollen, nachdem die letzte Shuttle-Crew, zu der ironischerweise auch Doug Hurley gehörte, sie dort 2009 deponiert hatte. Und was die Symbolik betrifft, so warteten Behnken und Hurley noch mit einer Überraschung auf: Während des ersten Pressetermins im All gaben sie bekannt, ihrer Kapsel den Namen Endeavour zu geben. Immerhin haben beide Astronauten ihren ersten Raumflug mit dem gleichnamigen Space Shuttle absolviert.

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