Raumfahrt:Das deutsche Weltraumgesetz kommt – aber langsam

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Die Firma Hyimpulse aus Baden-Württemberg hat Anfang Mai von Koonibba in Südaustralien aus ihre erste kleine Trägerrakete gestartet. Ein Weltraumgesetz hätte Vor- und Nachteile für Start-ups. (Foto: Hyimpulse/dpa)

Seit vielen Jahren ist es geplant, nun hat das Bundeskabinett zumindest die Eckpunkte verabschiedet. Die Industrie kritisiert das Gesetz, nicht nur wegen der zusätzlichen Regulierung.

Von Dieter Sürig

Was geht schneller: ein nationales Weltraumgesetz zu formulieren, um Firmen und Investoren Planungssicherheit zu geben? Oder ein Unternehmen aufzubauen, das kleine Raketen entwickelt, die Satelliten in die Erdumlaufbahn befördern können? Nun ja, es gibt seit 2018 sogar drei Start-ups in Deutschland, die bald ihre sogenannten Microlauncher ins All schicken wollen, um damit Geld zu verdienen – ein deutsches Weltraumgesetz indes noch nicht.

Wenn man mal davon absieht, dass das Vorhaben schon 2010 im Papier der Raumfahrtstrategie stand: Das Bundeskabinett hat nun zumindest die Eckpunkte für ein solches Gesetz verabschiedet. Dabei geht es um Versicherungs- und Haftungsfragen, aber auch um die „Vermeidung von Verunreinigungen des Weltraums“. Gemeint ist der Weltraumschrott, der aufs eigene Haus fallen und auch Satelliten im Erdorbit gefährden kann. „Das Weltraumgesetz wird die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik umsetzen“, heißt es in dem fünfseitigen Eckpunktepapier. Genehmigung und Überwachung würden helfen, um Risiken zu minimieren.

Bisher haftet der Bund für etwaige Schäden durch deutsche Satelliten und Raketen. Künftig müssten Raumfahrtfirmen bis zu einer Obergrenze von 50 Millionen Euro zahlen. Hochschulen und der Bund sollen vom Regress ausgeschlossen werden.

Raumfahrtexperte Matthias Wachter vom Industrieverband BDI fürchtet „zusätzliche bürokratische Belastungen für Unternehmen“. In Deutschland sei ein in Europa führendes New-Space-Ökosystem mit vielen jungen Unternehmen und hohen privaten Investitionen entstanden. „Ein Grund für diese Vorreiterrolle ist auch, dass das Segment bisher nicht überreguliert ist.“ Ein Weltraumgesetz würde die Gründer zu einem Zeitpunkt belasten, „an dem die finanziellen Rahmenbedingungen für viele Unternehmen deutlich schwieriger geworden sind“, kritisiert er. Die Bundesregierung argumentiert, dass mit einem Gesetz gerade kleinere Firmen, „besser am Markt der Raumfahrtindustrie teilnehmen können“, die Wettbewerbsfähigkeit werde gestärkt.

Wachter findet es gut, „dass der Zugang zum Markt für Start-ups sowie klein- und mittelständische Unternehmen verbessert werden soll“. Dass die Haftungsobergrenze geregelt werde, sei für Unternehmen und Investoren besonders wichtig. Grundsätzlich kritisiert er, dass einerseits ein Weltraumgesetz entstehe, gleichzeitig aber das nationale Raumfahrtbudget gesenkt werde. Abgesehen davon sei der Zeitpunkt wegen des parallel geplanten europäischen Weltraumgesetzes ungünstig. „Es droht somit eine Doppelregulierung für die Unternehmen.“

Zugriffsrechte der Bundeswehr

Eine Passage in dem Papier könnte zu weiteren Debatten führen: So soll das Gesetz der Bundeswehr und anderen Sicherheitsbehörden ermöglichen, „von Betreibern von Weltraumaktivitäten die vorrangige Bereitstellung von Leistungen im Rahmen der Weltraumaktivität anzufordern“. Voraussetzung sei der öffentliche Notstand, etwa der Kriegs- oder Katastrophenfall. Bedeutet also zum Beispiel: Raumfahrtfirmen sollen gegen Bezahlung vorrangig für die Bundeswehr produzieren, etwa Satelliten.

Wachter sieht einen solchen Eingriff in privatwirtschaftliche Aktivitäten als problematisch an. „Zum einen können sie private Investoren abschrecken, und zum anderen bedeuten sie für die betroffenen Unternehmen weitere Belastungen“, sagt er. Es wäre seiner Meinung nach sinnvoller, wenn die Bundeswehr eigene Fähigkeiten aufbaue und als Kunde fungiere, anstatt auf Zugriffsrechte zu setzen.

Raumfahrtjurist Ingo Baumann, der selbst in Start-ups investiert, sagt dazu, dass es bereits Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze gebe. Darunter könne der Staat etwa auf Energie, Wasser oder Lebensmitteln zugreifen. „Wenn die Regelungen sich auf extreme Fälle wie den Kriegs-, Bündnis- oder Katastrophenfall beschränken, maßvoll eingesetzt werden, und es eine Entschädigung gibt, ist erst einmal nichts dagegen zu sagen.“ Er fürchtet allerdings, dass private Unternehmen übermäßig stark als „Betreiber kritischer Infrastruktur“ eingeordnet werden könnten. Sie wären dann auch allen damit verbundenen Auflagen und Pflichten unterworfen. Wann der erste Gesetzesentwurf kommt, ist unklar.

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