Raumfahrt:Breitband vom Himmel

Kleoconnect_(c) Eighty Leo_OH

Kleo Connect arbeitet bereits seit einigen Jahren an einer Satellitenkonstellation für Breitband-Internet, geplant sind derzeit etwa 300 Satelliten rund um den Globus. Illustration: Eighty Leo/oh

Deutsche Unternehmen wollen ein eigenes Satellitennetz für schnelles Internet aufbauen. Potenzielle Kunden sind auch schon da, sie kommen aus der Logistikbranche und der Autoindustrie.

Von Dieter Sürig, München

Wenn Diebe einen Frachtcontainer ausräumen, dann kann der Logistiker ihnen künftig im Idealfall bei der Arbeit zuschauen - und sie so schneller zu fassen kriegen. Frachtcontainer zu transportieren, funktioniert nicht immer reibungslos: Diebstahl, beschädigte Ware oder der komplette Verlust von Containern auf den Meeren können hohe Kosten verursachen. Es gibt zwar bereits die Möglichkeit, Container per Standortbestimmung zu verfolgen, doch das Berliner Unternehmen Zeitfracht will die Überwachung künftig mit einer eigenen Technologie ausweiten, die per Internet-Satellit auch Live-Bilder und Daten übermittelt.

Zeitfracht profitiert dabei auch in anderer Hinsicht von der Raumfahrt. So hat das Space-Start-up Planetary Transportation Systems (PTS) für Zeitfracht gerade einen Sensor namens Clam entwickelt, der per Magnet im Container platziert wird, eine Kamera enthält und nicht nur die Position anzeigt. "Das Gerät gibt in Echtzeit Auskunft über Lage, Zustand der Ware, Temperatur in den Containern", sagt Robert Böhme von PTS. "Die Sensorik, die auch in der Raumfahrt genutzt wird, greift genau diese Probleme auf." Böhme hat mit seinem Team in den vergangenen Jahren eine Fracht-Mondfähre entwickelt, nun kann er seine Erfahrung auch für irdische Dinge anwenden.

"Wir nutzen Raumfahrttechnologien, um auf der Erde Transporte effizienter zu machen", sagt Zeitfracht-Chef Wolfram Simon-Schröter. "Wir haben es schon mit anderen Industriepartnern versucht, da hatte niemand eine Lösung." Clam soll in zwei Monaten auch für andere Nutzer auf den Markt kommen, und dafür ist ein flächendeckendes Breitbandnetz nötig. Zeitfracht hat deswegen Interesse an einem unabhängigen europäischen Satellitennetz, das zuverlässig Breitbandsignale sendet, um seine Fahrzeuge und Container flächendeckend verfolgen zu können. Und es sollte rasch kommen. "Wir können da nicht warten, bis sich die EU-Staaten geeinigt haben", sagt Simon-Schröter. "Ich will nicht ausschließen, mich auch als Investor zu beteiligen."

Kleo Connect hat schon die nötigen Frequenzen

Wenn derzeit also von einem privaten europäischen Breitband-Satellitennetz die Rede ist, dann ist das keine fixe Idee. Die Münchner Firma Kleo Connect möchte solch eine Konstellation mittelfristig realisieren, vorrangig für industrielle Anwendungen. "Wir arbeiten seit fünf Jahren an der Konstellationsarchitektur", sagt Matthias Spott, Geschäftsführer von Eighty Leo und neben chinesischen Investoren einer der Hauptgesellschafter von Kleo Connect. Voraussetzung für solch ein Vorhaben sind Sendefrequenzen, die sich Spott gesichert hat. "Wir waren vielleicht vier Jahre zu früh dran, dafür haben wir seit 2014 über einen Partner in Liechtenstein Zugriff auf zwei Funkfrequenzen", sagt er.

Spott fühlt sich durch die Initiative von EU-Kommissar Thierry Breton bestätigt, der ein Breitband-Satellitennetz aufbauen will. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass die europäische Industrie ein Satelliten-Netz für den Datenverkehr braucht", sagt Spott. Er fürchtet allerdings, dass das EU-Projekt zu lange dauern könnte. Angesichts der Konkurrenz von Starlink (Space-X) und Oneweb müsse schnell agiert werden. "Wenn aber ein rein privatwirtschaftliches Interesse dahinter steht, dann habe ich einen ganz anderen Drive." Solch ein Netz könne den neuen Mobilfunkstandard 5G in den Ballungsräumen nicht ersetzen und funktioniere in den Innenstädten auch nicht gut, es sei aber vor allem für ländliche Gebiete, Autobahnen, Schiene, Luftverkehr und Meere interessant.

Nach den Plänen Spotts sollen 2025 rund um den Globus etwa 300 Satelliten auf 1050 Kilometern Höhe fliegen. Kosten: etwa vier Milliarden Euro. Ein Satellit soll rund 600 Kilogramm wiegen, da er nach Angaben Spotts eine große Rechenpower braucht, bis zu vier Laserterminals, Batterien und Solarpaneele. Um weiteren Weltraumschrott zu vermeiden, sollen die Satelliten nach sieben Jahren Lebensdauer in der Erdatmosphäre verglühen. Spott kann sich vorstellen, solch eine Konstellation mit eigenen Lieferanten zu bauen - "wir sehen aber ein Konsortium als Gelegenheit, es schneller zu realisieren".

Autonome Fahrzeuge brauchen eine hohe Bandbreite

Solch ein Konsortium möchte Bulent Altan vorantreiben, Chef von Mynaric aus Gilching bei München, einer Firma, die Laserkommunikations-Plattformen herstellt. "Wir wollen etwas aufbauen, was wettbewerbsfähiger ist als der bisherige Ansatz der EU-Kommission", sagt er. "Design und Kosten hängen von den Anforderungen der Kunden ab." Er hat etwa die Autoindustrie im Blick, "die solche Bandbreiten später für das Autonome Fahren benötigt". Das Konsortium soll in ein paar Monaten konkreter werden, eingeladen seien nicht nur Start-ups, sondern ausdrücklich auch die etablierten Satellitenhersteller.

Spott, Geschäftsführer von Eighty Leo, geht nun erst einmal auf Investorensuche. "Für die nächste Stufe mit weiteren Prototypen brauchen wir etwa 150 Millionen Euro." Auch er sieht steigenden Bedarf für Breitbandsysteme, weil autonome Fahrzeuge lückenlos vernetzt werden müssen. "Bis in den Weltraum reichte die Vorstellungskraft bisher nicht bei Autokonzernen, weil sie mit der Dieselaffäre und der E-Mobilität beschäftigt waren", sagt er. Und ein großer Kunde könne die Konstellation voranbringen. "Das ist für Investoren spannend", sagt Herbert Mangesius, Partner der Münchner Risikokapitalfirma Vsquared Ventures, die bereits in mehrere deutsche Start-ups investiert hat. "Wenn es sinnvoll ist, würden wir auch in so ein Projekt gehen", sagt Mangesius. Zumal Deutschland in den vergangenen 20 Jahren "so einiges verschlafen" habe und diesen Fehler nicht wiederholen sollte.

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