Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Von der Nordsee in den Weltraum

"Das Ziel sind irgendwann 24 Starts im Jahr": Mehrere Unternehmen wollen von einer schwimmenden Plattform aus Kleinraketen starten lassen - aber es gibt noch Hürden.

Von Dieter Sürig, München

Die Pläne für einen Raketenstartplatz in der deutschen Nordsee werden konkreter. Am Montag haben sich Vertreter der Raumfahrtbranche in einer Videokonferenz mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) getroffen - eine von mehreren Runden, bei denen der Industrieverband BDI und Firmen das Konzept vorgestellt haben. Nun will ein Industriekonsortium den Startplatz realisieren.

Der Satellitenhersteller OHB, die maritimen Firmen Tractebel Doc Offshore und Media-Mobil sowie die Reederei Harren & Partner wollen ausloten, wie eine schwimmende Startplattform für Kleinraketen in der Nordsee privatwirtschaftlich betrieben werden kann. Die Unternehmen sind zu jeweils 25 Prozent Gesellschafter der German Offshore Spaceport Alliance (Gosa) und wollen 2023 die erste Kleinrakete von dort aus starten. In einer Studie ist von der Äußeren Wirtschaftszone als möglichem Standort die Rede, etwa 460 Kilometer nördlich von Bremerhaven, dem Heimathafen der Plattform. Zur Gosa gehören als Partner der Logistiker BLG sowie Lampe & Schwartze, die Raumfahrtmissionen versichern, weitere sind willkommen.

"Wir möchten die Fragen erörtern, die bisher nicht behandelt wurden", sagt OHB-Chef Marco Fuchs. Dazu gehören der Umwelt- und Gewässerschutz, Fragen der Luft- und Seeschifffahrt oder auch Versicherungsthemen. OHB beteilige sich an der Vorbereitung, "wir beabsichtigen aber weiterhin nicht, den Spaceport selbst zu betreiben". Er möchte ein "offenes System für alle - auch für internationale Anbieter", sagt er. "Das Ziel sind irgendwann 24 Starts im Jahr." Eine Konzeptstudie solle nun den regulatorischen Rahmen und mögliche Beschränkungen definieren. Fuchs glaubt, dass der Bedarf für solche Raketenstarts steige. Die OHB-Tochter Rocket Factory Augsburg will selbst so genannte Microlauncher bauen - ebenso wie Isar Aerospace und Hyimpulse.

Die Idee eines Startplatzes war vor einem Jahr vom Industrieverband BDI ins Gespräch gebracht worden. "Unser Ziel war es, Unternehmen zusammen zu bringen, die die Expertise in ganzer Bandbreite haben: Die maritime Wirtschaft, Logistik, Raumfahrtkomponenten", sagt Matthias Wachter vom BDI. Er erhofft sich eine Aufwertung des Raumfahrtstandortes und die Förderung von Innovationen. Für die Startphase fordert er die finanzielle Unterstützung des Bundes, ähnlich wie bei Offshore-Windprojekten. "Wir gehen in der Initialphase von 30 Millionen Euro Gesamtkosten aus. Darin enthalten sind Bürgschaften von 10,5 Millionen Euro." Außerdem wäre es wünschenswert, wenn der Bund nach amerikanischem Modell für fünf Millionen Euro Starts kauft, um das Projekt zu unterstützen. "Die Politik entscheidet, ob ein Startplatz in der Nordsee kommt und ob dieser wirtschaftlich trägt."

Einige Ministerien sehen die Pläne kritisch

Der Raumfahrtbeauftragte des Bundes , Thomas Jarzombek (CDU), sieht das Vorhaben positiv, "allerdings ist die Genehmigungslage sehr komplex, und im Kreise der zu beteiligenden Ministerien gibt es auch teils deutlich kritische Stimmen". Eine finanzielle Beteiligung sei denkbar, wenn "das wirtschaftliche Risiko zuerst bei dem kommerziellen Betreiber liegt und nicht bei den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern." Auch Minister Scheuer ist aufgeschlossen: "Was das Verkehrsministerium als ein zuständiges 'Satellitenministerium' tun kann, werden wir tun", sagt er. "Das ist eine wachsende Zukunftsbranche Made in Germany."

Mögliche Nutzer begrüßen eine Startplattform. "Hierfür müssen natürlich Betriebskonzept, Logistik und Startpreis mit landbasierten Startplätzen konkurrieren", sagt Hyimpulse-Co-Chef Christian Schmierer. Für Daniel Metzler, Chef von Isar Aerospace, wäre ein deutscher Startplatz "aus bürokratischer Sicht sinnvoll, da wir unsere Raketen nicht exportieren müssten". Wichtiger sei es aber, die Entwicklung von Kleinraketen zu stärken, als Geld in einen Startplatz zu stecken. Ororatech-Chef Thomas Grübler, der ein Satellitennetz als Waldbrand-Frühwarnsystem entwickelt, braucht einen niedrigen Erdorbit. "Der geplante Raketenstartplatz würde einen schnellen Zugang zum All in genau diese Orbits ermöglichen und die Entwicklungsgeschwindigkeit drastisch beschleunigen", sagt er.

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