Süddeutsche Zeitung

Ampel-Koalition:Raumfahrt soll nachhaltiger werden

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Die neue Bundesregierung will Weltraumschrott eindämmen, Start-ups fördern, um sich Schlüsseltechnologien zu sichern - und über ein europäisches Weltraumgesetz nachdenken.

Von Dieter Sürig

Deutschland ist in den nächsten Jahren zwar der größte Beitragszahler der europäischen Weltraumagentur Esa, doch nimmt das Thema Raumfahrt im Koalitionsvertrag nur ein paar Zeilen ein. Raumfahrt und New Space - also Start-ups - gelten dort immerhin als "zentrale Zukunftstechnologien". Rot-Grün-Gelb will das nationale Raumfahrtprogramm stärken und eine eigenständige Esa bewahren. "Wir entwickeln eine neue Raumfahrtstrategie unter Berücksichtigung der Vermeidung und Bergung von Weltraumschrott", heißt es weiter. Ein deutsches Weltraumgesetz, das dies mit regulieren könnte, ist aber immer noch nicht in Sicht.

Das modifizierte Wirtschaftsministerium, das vom Grünen Robert Habeck geführt werden soll, wird auch weiterhin für Raumfahrt zuständig sein. Dieter Janecek, Sprecher für Industriepolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, hat das Thema bei den Koalitionsverhandlungen eingebracht. Seine Partei habe "darauf Wert gelegt, dass beim Thema Raumfahrt insbesondere nachhaltige Nutzungsmöglichkeiten, New Space und Weltraumschrott im Vordergrund stehen", sagt er, also zum Beispiel auch wieder verwendbare Raketen. "Damit wollen wir unter anderem der Rolle der Raumfahrt für den Klimaschutz und das Klima-Monitoring Rechnung tragen", ergänzt SPD-Raumfahrtexperte Johann Saathoff.

Das seit zwei Legislaturperioden geplante Weltraumgesetz taucht nicht im Koalitionsvertrag auf. Bislang muss der Steuerzahler für etwaige Schäden durch Raumfahrtmissionen aufkommen, per Gesetz könnten Unternehmen in die Pflicht genommen werden. "Wir müssen Rechtsfragen klären und Unsicherheiten für New-Space-Akteure beseitigen", sagt Janecek. Schließlich sei Raumfahrt ein "wichtiger Teil der Industrie", ob es nun um automatisiertes Fahren, Satelliten, Raketen oder Telekommunikation und Erdbeobachtung gehe. "Ein nationales Weltraumgesetz kann hier Investitions- und Rechtssicherheit für nichtstaatliche Raumfahrtaktivitäten schaffen", sagt auch Saathoff: "Mir geht es dabei auch um die verantwortungsbewusste Nutzung des Weltraums."

Grüne und FDP, die bisher ein nationales Weltraumgesetz unterstützt hatten, denken mittlerweile darüber nach, ob die Rechtslage im Weltraum nicht EU-weit geregelt werden könnte. "Entscheidend ist, dass es ein europäisches Gesetz gibt", sagt Janecek. Diese Linie verfolgt auch Koalitionspartner FDP. Reinhard Houben, Wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, warnt davor, eine "nationale Überregulierung zu beschließen, die zu Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen auf dem EU-Binnenmarkt führt". Daher werde die FDP auch ein europäisches Weltraumgesetz prüfen.

Startplatz ja, aber nicht aus Prestigegründen

Bislang spricht allerdings Artikel 189 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU dagegen. "Das schließt eine solche Harmonisierung explizit aus", sagt der Kölner Weltraumjurist Ingo Baumann. "Die EU könnte den Vertrag natürlich ändern, aber das halte ich für unwahrscheinlich". Er könnte sich stattdessen eine Art Koordinierungsgruppe vorstellen, in der sich die EU-Mitgliedsstaaten zum Thema Weltraumregulierung austauschen, "um sich auf gemeinsame Ansätze zu einigen". So könne ein Wettbewerb auf Regulierungsebene verhindert werden. Dass zumindest ein nationales Gesetz kommt, davon ist Baumann überzeugt. "Wir haben ja einen fortgeschrittenen Entwurf, der schon länger auf Referatsebene in der Abstimmung ist". Angesichts zunehmender Raumfahrtaktivitäten in Deutschland, ob es nun Kleinraketen oder das geplante Satelliten-Branderkennungssystem von Ororatech ist, "kommen wir um eine nationale Regelung nicht herum".

Auch der viel diskutierte Raketenstartplatz in der Nordsee wird wohl ein Weltraumgesetz benötigen und die neue Regierung beschäftigen. "Entscheidend ist, dass der Startplatz nicht nur aus Prestigegründen gebaut wird", sagt Janecek. Die FDP ist da entschiedener: Außer Frage stehe, "dass es im Interesse der Bundesregierung ist, einen unabhängigen europäischen Zugang zum Weltall zu sichern", sagt Houben. Saathoff von der SPD sieht "ein vielversprechendes Projekt", um dem wachsenden Bedarf an Kleinsatelliten gerecht zu werden.

Was das Budget für die Raumfahrt betrifft, so klingen die Ankündigungen aus Branchensicht bisher optimistisch. "Raumfahrt ist eines der großen Zukunftsfelder, ich gehe davon aus, dass das Budget in den nächsten Jahren entsprechend erhöht wird", sagt Janecek. Auch seine Ampel-Fachkollegen erwarten dies. Wer die Bundesregierung als Koordinator für die Luft- und Raumfahrt vertreten wird, soll frühestens an diesem Donnerstag entschieden werden - bisher war dies Thomas Jarzombek (CDU), der sich seit 2018 insbesondere für Start-ups und Kommerzialisierung eingesetzt hat.

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