England:Keine Zigarette mehr vor dem Pub?

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Szenen wie diese könnten in England schon bald der Vergangenheit angehören. (Foto: Hollie Adams/REUTERS)

Die Engländer diskutieren über ein Rauchverbot auf Sportplätzen, vor der Uni oder eben auch in Biergärten. Manch einer fragt sich, wo das noch hinführen soll.

Von Martin Wittmann, London

Freitagmittag, Sonne über Richmond, herrlichstes Raucherwetter. Claudio Carta, 40, einer der Manager des „Coach & Horses“, sitzt vor dem Pub, Zigarette in der Hand, entspannt. Das angedachte Verbot? Er lächelt.

Die neue Labour-Regierung will (zumindest in England) das Rauchen an diversen Orten im Freien untersagen. Dazu zählen etwa Sportplätze, Uni-Campusse und eben auch Biergärten. Premierminister Keir Starmer bestätigte entsprechende Berichte der Sun und verwies auf die jährlich 80 000 Rauchertoten im Vereinigten Königreich.

Der Vorschlag wird von vielen Briten nicht nur begrüßt – laut einer fixen Umfrage von YouGov würden 58 Prozent die Maßnahme unterstützen, 35 Prozent ablehnen -, er kommt auch nicht gänzlich überraschend. Der Kurs deutete sich bereits unter der Tory-Regierung an.

Starmers Vorgänger, Rishi Sunak, hatte im November ein Gesetz angekündigt (Tobacco and Vapes Bill), nach dem das Mindestalter für den Kauf von Zigaretten schrittweise jedes Jahr zu erhöhen ist. Sobald es in Kraft tritt, darf niemand unter 15 Jahren (E-)Zigaretten kaufen, kommendes Jahr dann niemand unter 16 und so weiter. Das heißt: Wer nach 2008 auf die Welt gekommen ist, könnte im Königreich keine Zigaretten mehr kaufen.

Der Widerstand in der eigenen Partei war immens, einige Konservative sahen die Freiheit der Bürger verletzt. Kritiker sprachen von einem „Nanny State“, in dem der Staat die Bürger mit übertriebener Vorsicht und harten Vorschriften gängelt wie ein strenges Kindermädchen. Zumal die Zahl der Konsumenten im Königreich ohnehin kontinuierlich abnimmt. Heute raucht aber immer noch jeder achte Bürger.

Sunak bekam das Gesetz vor seiner Ablösung im Juli nicht mehr verabschiedet. Nachfolger Starmer indes setzt die Politik einfach fort. Er argumentiert unter anderem mit den Belastungen für den nationalen Gesundheitsdienst, NHS, durch raucherspezifische Krankheiten. Der NHS spricht von jährlichen Milliardenbeträgen.

Geld treibt nun auch die grummelnde Gastronomie um, und das schon eine Weile. Gab es im Jahr 2000 noch mehr als 60 000 Pubs im Königreich, waren es vergangenes Jahr noch etwa 45 000. Die jüngeren Gründe: Seit dem Brexit mangelt es an Personal, während Covid mangelte es an Gästen, Gas und Strom kosten immer mehr. Und auch das Bier wird immer teurer (Preis im „Coach & Horses“: 7,20 Pfund, also 8,50 Euro für etwas mehr als eine Halbe). Das 2007 beschlossene Verbot, in den Pubs zu rauchen, hat auch nicht gerade geholfen. So ist es wenig verwunderlich, dass sich jetzt breiter Widerstand regt gegen das angedachte Verbot, vor den Pubs zu rauchen.

Emma McClarkin von der British Beer and Pub Association klagt: „Seit Generationen heißen Pubs die Menschen willkommen, sie weisen sie nicht ab.“ Der Verband rechne mit weiteren 800 Geschäftsaufgaben in den kommenden fünf Jahren, „verheerend“.

Warum also lächelt Claudio Carta nur, wenn er vor dem „Coach & Horses“ an das Rauchverbot denkt? „Ich glaube nicht, dass es einen großen Effekt haben wird.“ Wer sollte das kontrollieren? Die Polizei? Und zum einen rauchten ohnehin immer weniger seiner Gäste; zum anderen würden die wenigen im Zweifel einfach um die Ecke gehen. „Wer rauchen will, raucht.“

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