Süddeutsche Zeitung

Ratingagentur straft Euro-Länder ab:Furcht um den Rettungsfonds

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Frankreich und Österreich die Top-Bonität entzogen. Die Empörung in der Politik ist groß - auch weil nun klar ist, dass die Rettung Europas nun noch teurer und komplizierter wird.

Die Töne sind verräterisch: Kanzlerin Merkel mahnt zur Gelassenheit und Frankreichs Finanzminister François Baroin sagt: "keine Katastrophe". Wenn so demonstrativ zur Ruhe gemahnt wird, gibt es dann eben doch einen Grund zur Unruhe. Und der heißt: Europa ist an seine Grenzen gestoßen.

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P's) hat die Kreditwürdigkeit von neun der 17 Euro-Länder schlechter bewertet - Frankreich und Österreich haben sogar ihre bislang als Top eingestufte Kreditwürdigkeit verloren - erstmals seit 1975. Immerhin: Deutschland konnte die Bestnote AAA behalten. Und mit dem Hinweis auf den Ausblick "stabil" deutet S&P's an, dass das auch noch einige Zeit so bleiben könnte.

Die Herabstufung der Länder ist an sich nicht sonderlich dramatisch: Die etwas höheren Kosten für Kredite dürften verkraftbar bleiben, außerdem hatte S&P's schon länger angedeutet, dass eine Entscheidung dieser Art bevorstehe. Insofern blieben auch die Reaktionen an den Finanzmärkten verhalten.

Nun aber ist das Konstrukt der Euro-Rettung ins Wanken gekommen - darum ist der Frust in der Politik so groß. CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs spricht von "Attacken auf den Euro" aus den USA.

"Fast ein Währungskrieg"

Der CDU-Europa-Politiker Elmar Brok sagt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, die Abstufung käme in der Konsequenz "fast einem Währungskrieg" gleich.

Was bedeutet dies für die Rettungsbemühungen, etwa den EFSF, der bei Investoren offenbar unbeliebt ist und dem nun der Entzug der Bestnote AAA droht?

Der Rettungsfonds muss sich am Markt das Geld für hilfsbedürftige Euro-Länder beschaffen, was bei einer Abstufung der Kreditwürdigkeit von tragenden Säulen wie Frankreich teurer werden kann. Damit der Fonds 440 Milliarden Euro verleihen kann, müssen die Euroländer Garantien in Höhe von 780 Milliarden Euro bereitstellen. Merkel glaubt nicht, dass Deutschland wegen höherer Zinsen mehr als die vom Bundestag beschlossenen Garantien von 211 Milliarden Euro beisteuern muss. Und der FDP-Finanzexperte Otto Fricke betont: "Das Rating hat nicht zwangsläufig eine Zinserhöhung zur Folge."

Wie Merkel verweist er darauf, dass die Zinsen für den EFSF ohnehin recht hoch seien, also von den Finanzmärkten die Herunterstufung Frankreichs, aber auch Österreichs längst miteinberechnet worden sei.

"Der EFSF ist auch schon in der Vergangenheit immer bewertet worden nach dem stärksten schwachen Stück", sagt Fricke mit Blick auf Frankreich. Merkel betont, mit der Ratingagentur Fitch habe zudem gerade erst eine der drei dominierenden Kredit-Beurteiler mitgeteilt, Frankreich werde bei ihr wohl seine Bestnote "AAA" in diesem Jahr behalten.

Die Uneinigkeit der Urteile wird in Berlin als vorteilhaft empfunden. Die SPD hingegen fordert ein Aus für sämtliche Steuersenkungspläne, da auf Deutschland womöglich nun höhere Belastungen zukommen könnten.

Kompliziertes Tandem

Im Extremfall - bei einer Insolvenz Griechenlands, Irlands, Italiens, Portugals und Spaniens zusammen - kämen laut Ifo-Institut auf den deutschen Staat Zahlungsverpflichtungen von bis zu 564 Milliarden Euro zu. Weil die deutschen Risiken steigen könnten, beziffert Regierungsberater Clemens Fuest die Chance, dass auch Deutschland seine Topbonität verlieren könnte, auf 50:50. Dann würde es deutlich teurer, sich Geld zu besorgen.

Das Tandem mit Frankreich ("Merkozy") könnte für Merkel in den nächsten Wochen komplizierter werden, da sich Präsident Nicolas Sarkozy schon im Wahlkampf befindet. Zugleich könnte aber nun der Druck so groß sein, dass Frankreich dem deutschen Konsolidierungskurs folgt. Merkel nutzt daher am Samstag nach einer CDU-Vorstandsklausur in Kiel das S&P-Votum auch für ihre eigentliche Mission.

Sie fordert, der Pakt für eine strenge Haushaltsdisziplin und Schuldenbremsen in den 17 Euro-Staaten müsse nun erst Recht möglichst rasch kommen. Völlig unklar ist, wie trotz harter Sparkurse in Schuldenländern Wachstum erzeugt werden könnte, um der Schuldenpirale zu entrinnen. Die Rolle des Sparwächters birgt daher auch die Gefahr anti-deutscher Ressentiments. Deutschland dürfe sich angesichts der Geschichte nicht oberlehrerhaft aufspielen, mahnte Altkanzler Helmut Schmidt (SPD).

Um von Rating-Urteilen unabhängiger zu werden, fordert Merkel, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM, der den EFSF ablösen soll, schnell kommen muss. Denn der ESM wird über einen festen Kapitalstock verfügen und muss sich das Geld nicht am Markt leihen. Der ESM soll 500 Milliarden Euro stark sein und bis Juli kommen. Nur: Frankreich könnte es nun schwerer haben, seinen Anteil aufzubringen. Deutschland zahlt bislang 21,7 Milliarden Euro und garantiert weitere 168,3 Milliarden.

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