Jetzt wird's hässlich. Die amerikanische Agentur Standard & Poor's hat den meisten Ländern des Euro-Klubs schwindende Kreditwürdigkeit bescheinigt. In einem ebenso frechen wie in sich widersprüchlichen Rundumschlag stufte der amerikanische Rating-Gott gleich neun der 17 Euro-Länder herunter und schickte die Warnung hinterher, dass es im Laufe des Jahres überall noch weiter abwärts gehen könnte. Ein Monopolist droht, den Stab über der Politik demokratisch gewählter Regierungen zu brechen. Das ist an Chuzpe kaum zu überbieten.
Demonstration gegen den Rating-Abstieg in Frankreich. Das Land muss erstmals seit 1975 auf das Triple-A-Rating verzichten.
(Foto: REUTERS)Es wird damit eine ganz neue Qualität in der Auseinandersetzung zwischen krisengeschüttelten Regierungen und selbsternannten Bonitätsprüfern eingeläutet. Standard & Poor's will kräftig mitmischen. Die Agentur startete den Rundumschlag von sich aus, sozusagen ungefragt - und rechtzeitig vor dem nächsten EU-Gipfel, der in zwei Wochen in Brüssel stattfindet. Macht, was wir sagen, ihr habt keine Wahl - so lautet die klare Botschaft.
Eingriff in die Politik
Die Agentur schreckt dabei nicht davor zurück, Länder des Euro-Klubs auf eine Höhe mit Entwicklungsländern zu stellen. Wer Italien oder Spanien Geld leiht, geht nach ihrer Ansicht das gleiche Risiko ein, als würde er sein Geld nach Indien, Kolumbien oder auf die Bahamas schicken. Das ist absurd, das ist lächerlich. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieses verbale Urteil tatsächlich auch in ein monetäres wandelt. Das wird sich spätestens dann zeigen, wenn die betroffenen Länder wieder Staatsanleihen ausgeben.
Richtig gefährlich ist etwas ganz anderes: Standard & Poor's hat nicht einfach nur seine Meinung kundgetan, wo Investoren mit welchem Risiko ihre Milliarden Dollar anlegen können - sondern ganz massiv den Versuch gestartet, direkt in die europäische Politik einzugreifen und diese zu beeinflussen. Das ist nicht Aufgabe einer Rating-Agentur. Die Amerikaner drängen die Kontinentaleuropäer immer offener, die angelsächsischen Grundsätze ihrer eigenen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu übernehmen. Das heißt Geld drucken, wann immer nötig, etwa um Banken zu retten oder um Konjunkturprogramme aufzulegen. Wer das nicht macht, bekommt dann schlechte Noten.
In der Begründung zur Herabstufung der Euro-Länder nehmen die amerikanischen Experten zwar zur Kenntnis, dass es so etwas wie eine europäische Krisenpolitik gibt; dass die Euro-Länder viele Pakete zum Sparen und Reformieren geschnürt haben und dass es einen Fonds gibt, der notfalls klamme Partner retten kann. Nur: Verstanden haben sie das offenbar nur bedingt. Und so richtig trauen sie den Beschlüssen ohnehin nicht: zu kompliziert, zu wenig Geld im Fonds, zu viel Gespare, zu wenig Konjunkturspritzen; es sind die bekannten Argumente der Rating-Leute.
Die Aktionen der Europäischen Zentralbank freilich werden von diesen Rating-Leuten mit Lob überschüttet, etwa so: Die Notenbank habe in riesigem Ausmaß Staatsanleihen klammer Euro-Länder gekauft und damit geholfen, diese zu stützen. Sie habe sich erfreulich flexibel gezeigt, die Banken mit milliardenschweren Krediten zu billigsten Zinsen zu versorgen. Und es ist auch im Sinne der Rating-Experten, dass die Notenbank den europäischen Leitzins bei nur einem Prozent belässt - Inflationsängste hin oder her, schließlich sollen sich ja die Unternehmen billig Geld leihen können, damit wieder produziert und Arbeitsplätze geschaffen werden.