Süddeutsche Zeitung

Ratenkredite:Nicht für die Kreuzfahrt

Die Zinsen für Ratenkredite sind derzeit verlockend niedrig. Unvorsichtige Bankkunden können aber in eine Schuldenspirale geraten.

Von Sven Lüüs

"Nehmt unser Geld und behaltet auch ein bisschen davon" - nach diesem Motto wirbt das Kreditvergleichsportal Smava und bietet einen Negativ-Zinssatz von minus 0,4 Prozent. Wer sich bei Smava 1000 Euro leiht, muss 24 Monate lang jeweils 41,49 Euro zurückzahlen. Also insgesamt knapp 996 Euro, Kreditnehmer dürfen also vier Euro des geliehenen Geldes behalten.

Die niedrigen Zinsen machen solche Angebote überhaupt erst möglich: Kurz nach der Finanzkrise 2008 lag der Durchschnittszins für einen Ratenkredit mit drei Jahren Laufzeit bei neun Prozent, hat das Vergleichsportal Biallo.de berechnet. Wer sich 10 000 Euro per Ratenkredit geliehen und die Summe innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt hat, musste damals 11 389 Euro an die Bank zurückzahlen. Mittlerweile liegt der Durchschnittszins für Drei-Jahres-Ratenkredite bei 5,4 Prozent. Jetzt sind deshalb nur noch 10 833 Euro fällig. Der gleiche Kredit zur anderen Zeit kostet also 550 Euro weniger (Tabelle).

Das liegt daran, dass die Banken momentan extrem günstig Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) bekommen. Der Leitzins der EZB liegt bei null Prozent. Als der Durchschnittszins für Ratenkredite noch bei neun Prozent lag, betrug der Leitzins etwas mehr als einen Prozent. EZB-Präsident Mario Draghi versicherte im September, dass der Leitzins auch im kommenden Jahr "über den Sommer hinaus" nicht steigen wird. Diese niedrigen Zinsen lassen sich viele Kunden nicht entgehen: Sie haben im vergangenen Jahr laut Schufa acht Millionen Ratenkredite aufgenommen, das sind mehr als jemals zuvor und 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Schufa berechnet, wie kreditwürdig potenzielle Kreditnehmer sind.

Manche Angebote sind nicht mehr als ein "Marketing-Gag"

Also jetzt schnell noch auf Pump ein Auto kaufen oder die Wohnung renovieren, bevor die Zinsen wieder steigen? Nicht unbedingt, sagen Verbraucherschützer. Eva Raabe von der hessischen Verbraucherzentrale rät davon ab, einen Ratenkredit aufzunehmen, um sich Luxus wie eine teure Kreuzfahrt zu gönnen oder einen riesigen Flachbildschirm zu kaufen. Das machen viele Kreditnehmer auch nicht: Laut einer Studie, mit der die Postbank das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid beauftragt hat, gaben die meisten Kunden im Jahr 2014 an, das Geld aus ihrem Ratenkredit für ein Auto auszugeben. Ansonsten kauften die Kreditnehmer sich neue Möbel, renovierten ihre Wohnung, nutzten das Geld für medizinische Leistungen, bildeten sich damit weiter oder kauften Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik.

Je nachdem, wofür sie den Ratenkredit brauchen, können Kreditnehmer meist eine Laufzeit ab einem und bis zu zwölf Jahren wählen. Mit der Kreditlaufzeit steigt auch die Gesamtsumme, die Kreditnehmer zurückzahlen müssen: Wer sich neue Möbel kaufen will und dafür einen Ratenkredit über 10 000 Euro zum Zinssatz von fünf Prozent aufnimmt und diesen innerhalb von zwei Jahren abstottert, zahlt 24 Monate lang jeweils eine Rate von 438,22 Euro. Insgesamt gehen an die Bank die geliehenen 10 000 Euro plus 517,20 Euro Zinsen zurück. Nun kann es verlockend sein, die Monatsraten zu reduzieren, indem man die Laufzeit verlängert. Immerhin bleibt so pro Monat mehr Geld für anderes übrig. Wenn Kreditnehmer die Laufzeit des Ratenkredits auf vier Jahre erhöhen, müssen sie nur noch 229,79 Euro monatlich abbezahlen. Das aber 48-mal, und das wird teuer: Dann sind insgesamt mehr als 1000 Euro Zinsen fällig.

Was den Kredit außerdem oft teurer macht, als die Werbeslogans der Bank oder der Vergleichsportale suggerieren: Je geringer die Zahlungsfähigkeit von Kreditnehmern ausgerechnet wird, desto höhere Zinsen fordern die Anbieter. Banken und Vergleichsportale werben natürlich mit dem niedrigsten Zins. Den bekommen Kreditnehmer jedoch meist nur, wenn ihre Bonität top ist. Um diese festzustellen, nutzen Banken meistens das sogenannte Schufa-Rating.

Raabe wirft den Banken allerdings vor, oft nur fahrig zu prüfen, ob ihre Kunden den Kredit auch zurückzahlen können. Zwar hat eine Untersuchung der Schufa ergeben, dass fast 98 Prozent der Ratenkredite, die im vergangenen Jahr zurückgezahlt werden sollten, auch zurückgezahlt wurden. Raabe sieht aber ein anderes Problem: Beim Umschulden tilgen Menschen ihre Schulden durch neue Kredite. Die Studie von TNS Emnid besagt, dass 16 Prozent aller Ratenkreditnehmer einen Kredit zum Umschulden genutzt haben. In der Schufa-Statistik gilt der Kredit dann als abbezahlt, die Schuldner bleiben aber verschuldet. "Das kann nur in die Insolvenz führen", sagt Raabe über lange Ketten aus Umschuldungen.

Die negativen Zinsen oder die Nullzins-angebote, mit denen manche Unternehmen locken, helfen auch nicht weiter. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg spricht von einem "Marketing-Gag". Portale wie Smava verschenkten Geld, um neue Kunden auf ihre Plattform zu ziehen. Das Kampfangebot von Smava dürfte ohnehin für die meisten Kreditnehmer gar nicht infrage kommen: Schufa-Daten haben ergeben, dass 2017 der durchschnittliche Ratenkredit in Deutschland mehr als 10 000 Euro hoch war. Nur: Über das Negativzins-Angebot von Smava können sich Kreditnehmer nie mehr als 1000 Euro leihen.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2018
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