Süddeutsche Zeitung

Rapper Tapete lebt von Hartz IV:Voll fett, Vater Staat

"Ich bedank' mich jeden Tag bei Vater Staat, dafür dass ich hier auf seine Kosten leben darf" - wegen dieser Zeilen stehen nun die Hartz-IV-Bezüge des Rappers Tapete zur Diskussion. Das Amt will eine Erklärung, denn die Einstellung des Künstlers passt so gar nicht zum "Fördern und Fordern"-Motto der Arbeitsagentur.

Christoph Giesen

Der Berliner Rapper Leonard Kroppach alias Tapete, 28, hat Stress mit dem Jobcenter Berlin Mitte. Ein Arbeitsvermittler ist beim Googeln auf einen seiner Songs gestoßen, in dem er die Zahlungen vom Amt bejubelt. In einem Brief fordert die Behörde Tapete nun auf, sich zu erklären - sonst droht ihm eine Kürzung seiner Hartz-IV-Bezüge. Tapete hat den Brief auf Facebook gepostet.

Süddeutsche.de: Guten Tag Herr Kroppach.

Tapete: Tag, hier ist Tapete.

Süddeutsche.de: Sie kassieren Hartz IV und rappen: Ich bedank' mich jeden Tag bei Vater Staat, dafür dass ich hier auf seine Kosten leben darf. Verstehen Sie, dass ihre Arbeitsvermittler beleidigt sind? Immerhin haben die Ihnen in einem Brief gedroht, wegen dieser Zeilen Ihr Arbeitslosengeld zu kürzen.

Tapete: Bushido und Konsorten reimen noch ganz anderes Zeug. In einem Gespräch vor zwei Wochen haben mir gleich drei Vermittler verklickert, dass sie wütend sind. Sie sehen nicht ein, meinen Strom zu zahlen, während ich mich angeblich darüber lustig mache.

Süddeutsche.de: Tun Sie das?

Tapete: Blödsinn. Wenn sich die Arbeitsvermittler die Mühe gemacht hätten, den Song komplett anzuhören, würden sie merken, dass es eine Abrechnung mit der Sozialpolitik ist. Ich prangere die Hotelvergünstigen der FDP an und beschwere mich über Westerwelles Unfug mit der spätrömischen Dekadenz.

Süddeutsche.de: Wie kam es überhaupt dazu, dass Jobvermittler Rap-Musik hören?

Tapete: Ich beziehe seit fast drei Jahren Hartz IV und habe denen immer gesagt, dass ich Musiker werden möchte, dafür wurde ich belächelt. Irgendwann hat dann mal einer im Amt meinen Namen gegoogelt und ist dabei auf eine Rezension in einer Musikzeitschrift gestoßen.

Süddeutsche.de: Und der hat dann geschlussfolgert, dass Sie reich und berühmt sind und kein Hartz IV bekommen dürften?

Tapete: Genau. Sie haben nicht verstanden, wieso ich meine Musik umsonst im Netz anbiete.

Süddeutsche.de: Eine berechtigte Frage.

Tapete: Mann, das ist doch einfach. Ich stelle meine Alben kostenlos ins Internet, damit ich bekannter werde. Und wenn ich erstmal bekannt bin, kann ich für meine Auftritte Geld verlangen. Das haben die drei Vermittler mir aber nicht geglaubt und weiter blöde Fragen gestellt.

Süddeutsche.de: So?

Tapete: Ich wurde gefragt, woher ich das Geld für das Tonstudio nehme. Die drei vom Amt leben noch in den 90ern. Heute genügen mein drei Jahre alter PC, ein ordentliches Mikro und eine Menge Talent, um gute Musik zu machen.

Süddeutsche.de: Vor ein paar Tagen kam dann der Brief. Das Jobcenter hat sie darin aufgefordert, alle ihre Auftritte anzugeben.

Tapete: Ja. Wahnsinn. Seit 2009 waren das locker 200 Auftritte. Viel schlimmer ist, dass die pingeligen Vermittler wissen wollen, wo ich überall übernachtet habe. Ich bin immer privat untergekommen. Ich habe keinen Schimmer mehr, auf wessen Couch ich alles geschlafen habe.

Süddeutsche.de: Und wie geht es jetzt weiter?

Tapete: Ich will mich bald selbständig machen. Der Brief des Jobcenters hilft mir dabei bestimmt. Ich habe schon viele Interviewanfragen bekommen. Merci liebes Jobcenter!

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