Süddeutsche Zeitung

Rangliste der Konjunktur-Prognosen:Wer 2013 richtig lag

Mehr als Kaffeesatz-Leserei und Blick in die Glaskugel: Mit ihren Prognosen für 2013 lagen viele Konjunkturexperten besser, als Spötter argwöhnen. Am besten vorhergesagt hat die Entwicklung der deutschen Wirtschaft die DZ Bank, weiter unten im Ranking rangieren Ifo-Institut und der Internationale Währungsfonds.

Von Thomas Fricke und Charlotte Bartels, Berlin

Vor einem Jahr galt als ausgemacht, dass die deutsche Wirtschaft ganz und gar unbeschadet durch die Euro-Krise kommen würde - das war die Krise der Anderen. Im Rückblick auf das nunmehr ablaufende Jahr zeigt sich, wie gewagt die Zuversicht gewesen ist. Die deutsche Wirtschaft kam nur knapp an einer Rezession vorbei und wird 2013 am Ende um höchstens 0,5 Prozent noch gewachsen sein. Das kommt einer Stagnation gleich.

Nur wenige Konjunkturexperten ahnten schon vor zwölf Monaten, wie lang das Kriseln und die Rezession der Anderen noch ins Jahr 2013 hinein nachwirken würden - und wie stark dies auch die deutsche Wirtschaft treffen würde. Die beste Vorhersage dazu lieferten die Experten der Frankfurter DZ Bank um Chefökonom Stefan Bielmeier, knapp gefolgt von Jürgen Michels von der Citigroup. Beide prophezeiten schon vergangenen Dezember, dass die deutsche Wirtschaft der Krise nicht mehr so problemlos widerstehen wird.

Mit verhaltenen Prognosen auf der sicheren Seite

Klar: Kein einziger Konjunkturexperte hatte Ende 2012 erwartet, dass Deutschland plötzlich boomen würde. Damit lagen die Prognosen allesamt näher an der Wirklichkeit, als es der gängige Spott über die Ökonomenzunft vermuten ließe; und nur drei von 46 Experten erwarteten überhaupt mehr als ein mageres Prozent Wachstum. Selbst diese Volkswirte lagen nicht so enorm weit von der Wirklichkeit entfernt.

Viele erwarteten damals allerdings, dass die Euro-Notrettung durch die Europäischen Zentralbank vom Spätsommer 2012 nicht nur die Finanzmärkte beruhigen würde, sondern bald auch für neue Export- und Investitionsschübe sorgen würde.

Andere Optimisten beschworen - wie etwa Carsten-Patrick Meier von Kiel Economics - damals die vermeintlich magische Wirkung niedriger Zinsen auf alle diejenigen, die Geld jetzt billig aufnehmen und damit Investitionen in neue Fabriken, Büros und Arbeitsplätze tätigen würden.

Exporteure in der Krise

Von wegen. Bis ins Frühjahr 2013 folgten erst einmal neue Ernüchterungen. Deutschlands ach so starker Export kriselte plötzlich, und die Unternehmen kappten ihre Investitionsbudgets, statt sie mit billigem Geld auszuweiten. Zwar hatten sich die Märkte nach der Intervention von EZB-Chef Mario Draghi beruhigt, nur wirkten nun die heftigen Kürzungen und Steuererhöhungen in den Krisenländern noch stark dämpfend auf die Konjunktur - und die Nachfrage nach deutschen Exportprodukten in ganz Europa. In den Vereinigten Staaten hatte der Stopp von Ausgaben, der im Januar automatisch eingesetzt hatte, ähnlich zweifelhafte wirtschaftliche Wirkung.

Immerhin 17 der geprüften Prognostiker erwarteten vor einem Jahr, dass das Wirtschaftswachstum wegen all dieser Einflüsse am Ende höchstens 0,5 Prozent erreichen würde, darunter auch die Experten des damaligen Wirtschaftsministers Phillip Rösler. Kein einziger rechnete mit weniger als 0,3 Prozent. Zu Recht. Ganz so schlimm sollte es nicht kommen. Die Erholung kam später.

Bei genauerem Hinsehen stellt sich auch heraus, dass manch einer der vermeintlich treffsicheren Wissenschaftler zwar die richtige Wachstumszahl erahnte, aber nicht mit der richtigen Begründung. So rechneten etwa die Ökonomen des Essener RWI-Instituts damit, dass die Wirtschaft (auch deshalb) schwächeln würde, weil die Deutschen ihren Konsum 2013 so gut wie nicht steigern würden.

Am Ende hat das Ausgabenplus bei einem Prozent gelegen - auch nicht berauschend, aber immerhin. Ein Zuwachs in dieser Größenordnung hatte das gesamt obere Dutzend der Auguren in der Endauswahl tatsächlich vorhergesagt.

Wie sehr Deutschlands Exporteure von der Krise getroffen würden, unterschätzten umgekehrt allerdings ebenfalls fast sämtliche Experten. Die Volkswirte der Bundesbank ahnten dabei immerhin, dass die Verkäufe rund um den Globus nicht einmal um zwei Prozent höher liegen würden als im Gesamtjahr 2012. Nur Citigroup-Ökonom Michels setzte das Plus sogar unter zwei Prozent an.

In Wirklichkeit dürften es noch mickrige 0,5 Prozent gewesen sein - ein herber Dämpfer nach vielen Jahren, in denen der frühere Exportweltmeister regelmäßig Zuwächse von bis zu zehn oder mehr Prozent produziert hatte.

Wer wird Prognostiker 2013?

Beim Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden verbleibenden Spitzenkandidaten für den Prognostiker 2013 lag am Ende dennoch DZ-Ökonom Stefan Bielmeier leicht vorn. Zwar überschätzte der Volkswirt, der als Deutsche-Bank-Konjunkturexperte schon 2005 einmal die beste Prognose abgab, die Exportkraft, wie viele andere auch. Dafür lag er punktgenau richtig - und besser als Michels - bei seiner Prognose zur Konsumlust der Deutschen.

Vor allem prophezeiten Bielmeier und seine Kollegen bei der DZ Bank vor einem Jahr bereits, dass Deutschlands Unternehmen ihre Investitionen unter dem Eindruck der Krise um noch einmal beängstigende rund zwei Prozent kappen würden - ein Hauptgrund dafür, dass die Konjunkturflaute so hartnäckig spürbar blieb.

Und: Bielmeier hatte das richtige Gespür für noch ein anderes beeindruckendes Phänomen des Konjunkturjahres 2013 - dass in Deutschland die Arbeitslosigkeit trotz einer derart heftigen konjunkturellen Krise und trotz steigender Lohnkosten nicht wieder hochschnellen würde.

In Wirklichkeit fiel sie im Schnitt 2013 mit 2,95 Millionen Arbeitslosen kaum höher aus als 2012. Damit hatten sonst fast nur die Auguren gerechnet, die für die Wirtschaft insgesamt - zu Unrecht - deutlich mehr Wachstum veranschlagt hatten.

Das Ranking wurde exklusiv von Wirtschaftswunder erstellt und basiert auf den Angaben der befragten Institutionen zum Ende des Jahres 2012.

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Quelle:
SZ vom 28.12.2013/mati
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