Im Besprechungszimmer im Erdgeschoss des flachen Bürogebäudes hängen zehn Plaketten an den Wänden. Darauf sind Gütesiegel abgebildet, die anzeigen, dass zum Beispiel die Fenster und Türen in dem Zimmer besonders guten Standards genügen. So sind die Teppiche und Wandfarben mit dem Umweltlogo Blauer Engel ausgezeichnet, weil sie wenig Schadstoffe enthalten, wie auf der Plakette zu lesen ist. Für den Besitzer des Raums ist diese Logo-Parade eine Art Leistungsschau, denn das Zimmer gehört zur Zentrale des „RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung“ in Bonn.
Die Einrichtung mit dem sperrigen Namen erstellt und vergibt seit fast 100 Jahren Gütezeichen – bekannte wie den Blauen Engel, weniger bekannte wie das „RAL-Gütezeichen Buskomfort“ oder das „RAL-Gütezeichen Kerzen“. Das Bus-Zeichen belegt, dass das Fahrzeug einen bestimmten Komfort bietet, das Kerzen-Logo garantiert, dass diese nicht rußt und tropft. „Fast alle Kerzen in Deutschland tragen dieses Gütezeichen, weil der Handel das von den Herstellern verlangt“, sagt RAL-Geschäftsführer Thomas Roßbach. Zusammen mit Hauptgeschäftsführer Rüdiger Wollmann führt er das Institut mit 70 Beschäftigten.
Gegründet wurde die Einrichtung schon 1925 von der Regierung der Weimarer Republik, als „Reichsausschuss für Lieferbedingungen“, kurz: RAL. Die Organisation legte Qualitätsstandards fest, um Unternehmen und Behörden Ausschreibungen zu erleichtern. Sucht eine Firma einen Zulieferer, kann sie in der Ausschreibung auf das RAL-Gütezeichen verweisen und geht so sicher, dass die angebotene Ware eine bestimmte Qualität hat. 1927 definierte RAL dann die ersten Farbtöne, um Anstreichern und Druckereien das Leben zu vereinfachen. Anfangs gab es nur 40 sogenannte RAL-Farben, mittlerweile sind es mehr als 2500. RAL 3000 feuerrot ist zum Beispiel die Farbe von Feuerlöschern.
Der Standard wird inzwischen weltweit genutzt, doch die Urmuster – also Farbkarten mit dem exakten Ton – lagern in Gefrierschränken im Keller des Instituts. Die Kühlung soll verhindern, dass sich Pigmente verändern. Ansonsten würde die Farbkarte, die das Aussehen von „feuerrot“ festlegt, irgendwann weniger feurig wirken.
Auch ungesundes Essen muss den Nutri-Score tragen
Seit 1978 vergibt RAL auch den Blauen Engel, später folgt das EU-Ecolabel als europäisches Pendant. Unternehmen müssen den Bonnern mit Prüfzeugnissen nachweisen, dass ihre Produkte den Kriterien genügen. Dann erlaubt das Institut, die Logos auf die Verpackungen zu drucken. Die Kriterien bestimmen das Umweltbundesamt und die EU-Kommission. Das ist ein Unterschied zu den eigenen Gütezeichen der Einrichtung. Die Standards für die inzwischen 153 RAL-Kennzeichen werden durch öffentliche Anhörungen ermittelt, bei denen sich Wirtschafts- und Verbraucherverbände, Behörden und Prüfinstitute einbringen. Dabei müssen die Standards anspruchsvoller sein als die üblichen Normen und Gesetze.
Interessierte Unternehmen haben sich zu 117 sogenannten Gütegemeinschaften zusammengeschlossen. Die verleihen für ihre jeweilige Branche die Kennzeichen, wenn die Produkte oder Dienstleistungen die Kriterien erfüllen und wenn die Anbieter sich regelmäßig kontrollieren lassen. Das RAL-Institut organisiert und überwacht das ganze System. Mehr als 9500 Firmen weltweit verwenden die Logos.
Manchmal werden Gütezeichen abgeschafft, weil die Produkte wegen des technischen Fortschritts nicht mehr gebraucht werden. Dafür entstehen neue Qualitätslogos in anderen Bereichen. „Wir führen gerade Gespräche zum Thema 3D-Druck von Gebäuden“, sagt RAL-Manager Roßbach. „Zudem sehen wir viel Potenzial für Gütezeichen beim Thema Kreislaufwirtschaft.“
Seit 2013 haben die Bonner ein weiteres Geschäftsfeld. Sie vergeben im Auftrag der Stiftung Warentest Lizenzen für Werbung mit dem Test-Logo. Hat eine Matratze prima abgeschnitten bei Stiftung Warentest und will der Hersteller die Top-Note auf die Verpackung drucken, muss er die Erlaubnis dafür beim RAL-Institut kaufen.
Zudem gewann die Einrichtung eine Ausschreibung der Bundesregierung und ist nun nationale Regulierungsstelle für die Nutri-Score-Skala. Die gibt mit Noten von A bis E an, wie nahrhaft und gesund ein Lebensmittel ist. Die Bonner kontrollieren, ob Hersteller die korrekte Note auf ihre Verpackungen drucken, ob also die Zutatenliste zur Bewertung passt. Entscheiden sich Konzerne, Nutri-Score zu nutzen, müssen sie das bei sämtlichen ihrer Produkte machen, nicht bloß bei den gesunden. Dies überwacht das Institut ebenfalls. „Wir prüfen, ob der Nutri-Score nur bei der Pizza ohne Belag angegeben ist, nicht aber bei der mit doppelt Käse und Schinken“, sagt Hauptgeschäftsführer Wollmann.