Süddeutsche Zeitung

RAG:Schicht im Schacht

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Der Konzern kündigt Kohlekumpeln betriebsbedingt - zum ersten Mal. Etwa 200 Bergleute seien von der Sparmaßnahme betroffen, heißt es. Sie hätten alle Angebote ausgeschlagen, zu anderen Arbeitgebern zu wechseln.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Was hat sich die Ruhrkohle AG (RAG) nicht alles ausgedacht: Tausende ehemalige Bergleute arbeiten heute für die Bahn, die Feuerwehr, an Flughäfen oder als Pfleger. Wenn Deutschland von diesem Jahr an keine Steinkohle mehr in der Tiefe abbaut, sollte kein Bergmann "ins Bergfreie fallen", wie es im Ruhrpott heißt: Niemand sollte in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Doch nun, ein halbes Jahr nach Schließung der letzten deutschen Steinkohlezeche, spricht die RAG erstmals in ihrer Geschichte betriebsbedingte Kündigungen aus. Etwa 200 Bergleute seien betroffen, heißt es. Sie hätten alle Angebote ausgeschlagen, zu anderen Arbeitgebern zu wechseln. Nun bleibe der RAG keine Wahl. "Wir haben versucht und werden auch bis zuletzt versuchen, alle Kollegen in neue Jobs zu bringen", sagt ein Sprecher. "Aber sie müssen sich auch helfen lassen."

Selbst die Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) hatte die Bergleute aufgefordert, dass sie die Angebote annehmen sollten. Diese auszuschlagen, sei "wirklich fahrlässig", sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis. Die Arbeitsplätze in anderen Branchen seien "wirklich zumutbar". Allerdings wollen mehrere betroffene Bergmänner ihre Kündigungen nun vor Gericht überprüfen lassen. Steinkohle für Kraftwerke und die Industrie abzubauen, ist hierzulande deutlich teurer als in Indonesien oder Südafrika, in denen der Rohstoff nicht so tief unter der Erde liegt, in denen aber auch Löhne niedriger und Auflagen schwächer sind. Deutschland subventionierte den heimischen Bergbau jahrzehntelang, auch um Tausende Arbeitsplätze im Ruhrgebiet und im Saarland zu erhalten. Bis der Bund 2007 beschlossen hat, dass die Förderung 2018 auslaufen soll. So hatte die RAG genug Zeit für einen möglichst sozial verträglichen Personalabbau.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Unternehmen nach eigenen Angaben gut 80 000 Arbeitsplätze abgebaut. Knapp die Hälfte der Bergleute habe Arbeit in anderen Branchen gefunden. Betroffene konnten Abfindungen annehmen oder in eine Transfergesellschaft wechseln. Außerdem konnten Beschäftigte, die mindestens 25 Jahre lang unter Tage gearbeitet hatten, von einem Alter von 50 Jahren an in den Vorruhestand gehen. Die RAG wird in den nächsten Jahren nur noch einige Hundert Mitarbeiter zur Abwicklung brauchen.

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Quelle:
SZ vom 03.06.2019
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