Radikalkur für Europas größten Chiphersteller:Infineon wird zerschlagen

Der Chiphersteller soll in zwei Teile zerlegt werden. Der angeschlagene Konzern will das schwankungsanfällige Geschäft mit Speicherchips Mitte 2006 ausgliedern und voraussichtlich an die Börse bringen.

Markus Balser

Dem Plan des Managements stimmte am Donnerstag der Aufsichtsrat zu. Damit trennt sich Infineon von 40 Prozent seines Geschäfts.

Infineon-Chef Wolfgang Ziebart beendet mit seinem Vorstoß monatelange Spekulationen um die Zukunft der Speicherchipsparte. Durch die Ausgliederung entstehe Unternehmen mit einer führenden Stellung im Weltmarkt und mit großem Wachstumspotenzial, sagte Ziebart weiter.

Die Abspaltung ist für den 1. Juli 2006 geplant. Erst dann will der Konzern über einen genauen Termin für den Börsengang des neuen Unternehmens entscheiden. Aus Unternehmenskreisen hieß es, der Börsengang solle als bevorzugte Variante möglichst schnell nach der Aufspaltung erfolgen. Auch ein Verkauf ist aber offenbar noch nicht vom Tisch.

Sitz bleibt in Deutschland

Die Erlöse aus der Trennung will Infineon in den Ausbau des verbleibenden Geschäfts stecken. "Es gibt zwei wesentliche Gründe, die uns zu diesem Schritt bewegen", sagte Infineon-Chef Wolfgang Ziebart. "Zum einen entwickeln sich Prozesse und Geschäftsmodelle für Speicher und Logik in unterschiedliche Richtungen, zum anderen verbessern wir Wachstumsdynamik und Profitabilitätsaussichten für beide Unternehmen." Im Zusammenhang mit der Ausgliederung plane Infineon keine Kündigungen, erklärte ein Unternehmenssprecher am Donnerstag.

Das verbleibende Infineon-Geschäft soll durch die Abspaltung des schwankungsanfälligen Speichergeschäfts (so genannte Drams) in ein ruhigeres Fahrwasser kommen. Infineon will sich künftig weg vom Massenmarkt hin zu spezialisierten Logikchips bewegen, wie sie zum Beispiel in die Autoindustrie und der Kommunikationsbranche eingesetzt werden. Infineon habe so künftig mehr Wachstumspotenzial und bessere Gewinnchancen, versprach Ziebart. Im Unternehmen verbleiben die beiden Geschäftsbereiche Automobil-, Industrieelektronik und Multimarket (Aim) sowie Kommunikation (Com).

Der neue Konzern soll seinen Sitz in Deutschland haben und vom bisherigen Leiter des Geschäftsfeldes, Loh Kin Wah, geführt werden. Den genauen Standort für die operative Zentrale ließ Infineon zunächst offen. Wie bisher soll aber in Dresden das Technologie-Entwicklungszentrum des Unternehmens bleiben.

Ziebart sagte, die Speichersparte habe ihre Marktposition seit dem Börsengang von Infineon im Jahr 2000 deutlich ausgebaut und gehöre heute zu den führenden Lieferanten weltweit. Der Markt biete großes Wachstumspotenzial, vor allem für ausreichend große Anbieter mit hoher Entwicklungskompetenz.

Ein rechtlich selbstständiges Unternehmen habe mehr Möglichkeiten für Kooperationen und Finanzierungen. Der Speicherbereich werde sein Produktportfolio ausweiten und künftig mehr Umsätze mit höhermargigen Produkten erzielen, etwa Speicher für Server, Unterhaltungselektronik oder Kommunikation. In den vergangenen Jahren hatte die Sparte von Infineon jedoch massive Probleme beschert und zuletzt hohe Verluste eingefahren. Die Konkurrenz aus Asien ist groß, zudem hängt der Markt stark von den zyklischen Schwankungen des Chipgeschäfts ab.

Aktie gibt nach

Mit der Abspaltung folgt der Konzern dem Muster seiner eigenen Entstehung. Infineon war 1999 selbst aus der Abspaltung von Siemens hervorgegangen. Knapp ein Jahr später ging Infineon an die Börse. In seiner kurzen Geschichte hat das Unternehmen Höhenflüge und Krisen erlebt. Nach dem glänzenden Börsendebüt mit einer 33-fachen Überzeichnung seiner Aktien litt Infineon unter dem Preisverfall in der Halbleiterbranche.

Trotz Sparmaßnahmen folgten drei Jahre mit hohen Verlusten. Erst 2004 gelang dem Konzern mit einem Jahresüberschuss von 61 Millionen Euro bei 7,19 Milliarden Umsatz die Rückkehr in die Gewinnzone. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 36 000 Mitarbeiter, davon etwa 7200 in Forschung und Entwicklung. Wie viele davon auf das Speichergeschäft entfallen, ließ der Konzern am Donnerstag offen.

Analysten sehen gute Chancen, dass Infineon trotz Abspaltung im Dax bleiben kann. Die Börse reagierte derweil skeptisch auf die Pläne: Infineon-Aktien gewannen nach Bekanntwerden der Entscheidung zunächst drei Prozent, drehten dann aber ins Minus und verloren bis zum Abend 1,5 Prozent. "Es bleiben noch viele Fragen offen", sagten Analysten.

Für den Analysten Theo Kitz von der Privatbank Merck Fink & Co wäre ein Börsengang der DRAM-Sparte in der zweiten Hälfte 2006 verfrüht. "Am besten wäre zunächst eine strategische Partnerschaft und erst später ein Börsengang der Sparte."

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