Radikaler Schnitt bei ProSiebenSat.1:Münchner Geschichte

Mit einem radikalen Umbau stemmt sich ProSiebenSat. gegen die Krise: 225 Jobs fallen weg - und ein großer Teil der Sat.1-Belegschaft muss nach Bayern ziehen.

Caspar Busse

Zeitgleich wurden am Donnerstagmorgen die Mitarbeiter von ProSiebenSat.1 in Berlin und München informiert. Deutschland-Vorstand Andreas Bartl, 45, hatte sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht und wurde dort von dem wütenden Sat.1-Personal empfangen. Den angenehmeren Job hatte sicher der scheidende Konzernchef Guillaume de Posch, 50, der sich in München-Unterföhring den Fragen stellte - unter anderem nach seiner Nachfolgeregelung. Doch hier musste de Posch passen: Noch gebe es keinen neuen Konzernchef. De Posch hatte im Sommer seinen Abschied für Ende 2008 angekündigt.

Radikaler Schnitt bei ProSiebenSat.1: Logo von ProSiebenSat.1: Mit einem radikalen Umbau stemmt sich der Medienkonzern gegen die Krise.

Logo von ProSiebenSat.1: Mit einem radikalen Umbau stemmt sich der Medienkonzern gegen die Krise.

(Foto: Foto: AP)

Der angeschlagene Fernsehkonzern (Umsatz 2007: 2,7 Milliarden Euro), hinter RTL die zweitgrößte TV-Gruppe in Europa, versucht den Befreiungsschlag und will mit einem radikalen Umbau in Deutschland aus der Krise kommen. Dazu gehört nicht nur der seit Anfang vergangener Woche diskutierte Umzug von Sat.1 von Berlin nach München und ein Wechsel der Sender-Geschäftsführer. Es werden auch in allen Konzernbereichen insgesamt 225 Stellen gestrichen. Das sind immerhin etwa acht Prozent der 3000 Mitarbeiter in Deutschland.

Gleichzeitig wird aber offenbar weiter an einem zusätzlichen Sparprogramm gearbeitet. Der Budgetprozess für 2009 laufe noch, hieß es aus dem Konzern. Zuletzt war von geplanten Einsparungen in Höhe von 100 Millionen Euro die Rede. Der Umzug von Sat.1 dürfte aber zunächst einen zweistelligen Millionenbetrag kosten.

ProSiebenSat.1 leidet unter der aufziehenden Werbe- und Medienkrise. Dazu kommen interne Probleme wie ein fehlgeschlagenes Modell zur Werbezeitenvermarktung. Anfang 2007 hatten die beiden Finanzinvestoren Permira und KKR den TV-Konzern übernommen und mit der europäischen Sendergruppe SBS fusioniert. Seitdem leidet ProSiebenSat.1 unter hohen Schulden. Die Finanzinvestoren unterstützen den jetzt eingeleiteten Umbau. Der Aufsichtsrat hatte zuvor den Vorstand zu Maßnahmen ermächtigt, eine Zustimmung des Aufsichtsrats war nicht mehr notwendig.

Jobangebot oder Abfindung

Eines der Kernelemente ist der Umzug des Senders Sat.1. "Jeder betroffene Mitarbeiter in Berlin erhält ein Jobangebot in München oder eine angemessene Abfindung. Ich hoffe, dass viele Mitarbeiter den Umzug nach München antreten", sagte de Posch. Die Belegschaft protestiert dagegen und sei " auf Krawall gebürstet", teilte der Betriebsrat in Berlin mit. Er will prüfen lassen, ob der "Zwangsumzug" überhaupt rechtlich zulässig ist.

Der Berliner Senat teilte mit, es würde nun geprüft, ob öffentliche Fördergelder zurückgezahlt werden müssen. Es soll sich um acht Millonen Euro handeln. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisierte, Sat.1 werde damit vom Vollprogramm zur belanglosen Abspielstation degradiert. "Die Sat.1-Jobs in Berlin dürfen nicht der Gier der Eigentümer zum Opfer fallen", forderte der DJV-Vorsitzende Michael Konken.

Insgesamt sollen 350 Mitarbeiter umziehen. In Berlin bleiben der Nachrichtensender N24 sowie die Sat.1-Zentralredaktion, die unter anderem das Frühstücksfernsehen produziert. Künftig werden noch 450 Mitarbeiter des Konzerns in Berlin tätig sein. Der bisherige Sat.1-Geschäftsführer Torsten Rossmann, 45, soll künftig für den Standort Berlin verantwortlich sein.

Alberti steigt auf

Mathias Alberti, 45, bisher Vorsitzender der Sat1-Geschäftsführung, steigt dagegen weiter auf: Er wird künftig neben Bartl die German-Free-TV-Holding in München führen. In dieser werden dann Organisation und Programm der drei Sender Sat.1, Pro Sieben und Kabel1zusammengeführt. "Wir haben jetzt die Chance, gemeinsam für jeden Sender das bestmögliche Programm zu machen", teilte Bartl mit. Ohnehin liegen die wichtigen Programmrechte bei der Holding und werden von dort an die Sender verteilt.

Neuer Sat.1-Chef wird Guido Bolten, 46, der bisher Kabel1 führte. Sein Nachfolger dort wird Jürgen Hörner, 43, bisher Vize bei Pro Sieben. Außerdem wird der Anzeigenverkauf für die Sender und das Internetgeschäft zusammengeführt.

Ob das alles zum Erfolg führt? Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zumindest sieht das Medienunternehmen durch den Umzugsbeschluss gestärkt.

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