Quelle: Ein Jahr Insolvenz:Vom Küchentisch in den Abgrund

In der Fürther Moststraße beginnt vor 87 Jahren die Erfolgsgeschichte von Quelle - im Oktober 2009 endet sie mit der Insolvenz. Dazwischen liegen viele Kataloge, eine folgenreiche Fusion und umstrittene Millionen-Honorare. Der Aufstieg und Fall von Quelle in Bildern.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Am Anfang steht ein Streit im fränkischen Fürth. Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist dort ein Herr namens Gustav Schickedanz beim Kurzwarengrossisten Otto Lehnert eingestiegen - erst als Mitarbeiter, später als Teilhaber. Doch die beiden können sich nicht über die richtige Strategie einigen. Schickedanz will seine Waren verkaufen, indem er per Post Preislisten an potentielle Kunden verschickt; Lehnert lehnt das ab. Also gründet Schickedanz (im Bild eine Aufnahme aus den sechziger Jahren) in der Fürther Moststraße 35 eine eigene Firma, die "Kurzwaren en gros". Vier Jahre später tauft er das Unternehmen in "Quelle" um - ein Schritt, der die Wirtschaft in Deutschland mehr als 80 Jahre lang prägen sollte.

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Das Team von Gustav Schickedanz (fünf Mitarbeiter) war ebenso überschaubar wie das Konzept: Ab sofort sollte es jedem möglich sein, sich die Waren des täglichen Bedarfs nach Hause liefern zu lassen, ohne Umwege über den Zwischenhandel, sondern sprichwörtlich von der Quelle. Anfangs arbeitet Schickedanz (im Bild das Porträt Schickedanz', das lange in der Firmenzentrale hing, daneben ein Porträt seiner zweiten Frau Grete) mit einer umfangreichen Kundendatei und Inseraten in der heimischen Lokalzeitung, doch schon ein Jahr nach der Firmenumbenennung kommt der erste der später so berühmten "Quelle-Kataloge" auf den Markt - so denn ein solch dünnes Heftchen, wie Schickedanz es verschickt, den Namen Katalog verdient.

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Schickedanz hält nichts auf, auch nicht ein dreijähriges Berufsverbot nach dem Zweiten Weltkrieg, das er wegen seiner NSDAP-Mitgliedschaft, seiner Tätigkeit als Stadtrat von Fürth während der NS-Zeit und der Einverleibung Unternehmen jüdischer besitzer erhalten hatte. Aus dem dünnen Heftchen von 1928 wird schnell ein echter Katalog - und dieser Katalog liegt in den sechziger und siebziger Jahren auf nahezu jedem Küchentisch eines bundesrepublikanischen Haushaltes. Die Auflage betrug rund acht Millionen, trotz starker Konkurrenten wie Otto oder Neckermann. Bis in die achtziger Jahre hinein ist Quelle eine der fünf großen deutschen Warenhausketten.

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Dabei gelingt es den Verantwortlichen zunächst durchaus, auf die veränderten Wünsche ihrer Kunden zu reagieren. Quelle steigt ins Foto- und ins Reisegeschäft ein, setzt in der Mode auf namhafte Designer wie Karl Lagerfeld und gründet eigene Shops. Auch das Internet als Absatzmarkt entdeckt die Firma relativ früh - was auch naheliegt, da das Konzept von Quelle ja in gewissem Sinne als frühes Modell von heute erfolgreichen Internet-Anbietern wie Amazon gelten kann. Dennoch gibt es erste Dämpfer in der Entwicklung des Unternehmens.

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Zu einem folgenreichen Einschnitt kommt es 1999. Quelle fusioniert mit einem bisherigen Rivalen, der Warenhauskette Karstadt AG, zur neuen KarstadtQuelle AG. 21,5 Prozent an diesem Unternehmen hält Madeleine Schickedanz, die einzige Tochter des 1977 verstorbenen Quelle-Gründers Gustav Schickedanz und dessen zweiter Frau Grete. In dem neuen Großkonzern gibt es nichts, was es nicht gibt: prominente Kaufhäuser wie das Berliner KaDeWe, Filialen von Karstadt und Hertie, Universalversandhäuser wie Quelle und Neckermann, Fachgeschäfte wie Runnerspoint und SinnLeffers, Spezialversandhäuser wie Baby Walz, Tourimusangebote, E-Business-Aktivitäten und so weiter und sofort. Doch offenbar übernimmt sich Quelle mit diesem Deal, denn ...

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... die neue AG schreibt bald tiefrote Zahlen. Im Juni 2004 kommt als Vertrauter von Schickedanz der frühere Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff zum Konzern, zunächst als Aufsichtsratsvorsitzender, später als Vorstandschef. 2007 erfolgt die Umbenennung der KarstadtQuelle AG in Arcandor AG und die Aufsplittung des operativen Geschäfts in die drei Kernbereiche Warenhaus (Karstadt), Versandhandel (Primondo, mit Quelle als Flaggschiff) und Touristik (Thomas Cook). Doch beide Schritte helfen nichts, der Konsolidierungsprozess dauert nur kurz, ehe sich die nächsten Finanzprobleme auftürmen. Die Arcandor-Aktie bricht ein.

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Im Februar 2009 übernimmt Karl-Gerhard Eick den Vorstandsposten, doch den Abwärtstrend kann auch er nicht stoppen - obwohl er Luxus-Häuser wie das KaDeWe oder das Oberpollinger in München verkaufen möchte. Im Juni lehnt der Lenkungsausschuss des "Wirtschaftfonds Deutschland" den Arcandor-Antrag auf eine Staatsbürgschaft und einen Kredit ab, der Bund verweigert auch staatliche Rettungsbeihilfen. Einen Monat später stellt Arcandor einen Insolvenzantrag - für die Arcandor AG sowie die beiden Töchter Karstadt und Quelle. Von einem auf den anderen Tag ist Quelle von allen Geldflüssen abgeschnitten. Freuen kann sich nur der scheidende Vorstandschef: Eick bekommt für seinen Kurzzeit-Job eine satte Entlohnung von rund 15 Millionen Euro.

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81 Jahre nach dem ersten Quelle-Katalog sieht es Anfang Juli 2009 so aus, als sei die Zeit des Produkts endgültig abgelaufen. Die Druckereien stoppen die Produktion und die Auslieferung der aktuellen Ausgabe. Erst ein Eingreifen der Politik, vor allem der bayerischen Staatsregierung, für das Fürther Unternehmen bietet noch einmal einen kurzen Hoffnungsschimmer. Der Bund, Bayern und Sachsen bewilligen eine 50-Millionen-Euro-Bürgschaft in Form eines Massekredits - der Katalog kann ausgeliefert werden. Doch es ist zu spät: Das Vertrauen der Zulieferer und Dienstleister, vor allem aber der Kunden, ist kaum noch zurückzugewinnen - die Bestellungen brechen massiv ein.

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Drei Monate lang hat Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg nach einem Investor gesucht, doch am 19. Oktober 2009 ist es amtlich: Görgs Bemühungen waren größtenteils vergeblich, für Töchter wie die KüchenQuelle oder die FotoQuelle findet er zwar Käufer, aber der Traditionskonzern Quelle soll abgewickelt werden. Konkurrent Otto übernimmt die Marken "Quelle" und "Privileg". Im Internet verkauft Quelle seine Restbestände, der Ansturm auf die verbilligten Produkte ist enorm: Binnen vier Wochen gibt es 1,3 Millionen Bestellungen. Doch nach einem Monat endet das Angebot wegen zu hoher Kosten.

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Kurz vor Weihnachten 2009 endet die Geschichte von Quelle endgültig. Die letzten verbliebenen Technik-Center schließen, auch das traditionsreiche Quelle-Einkaufszentrum in Nürnberg öffnet ein letztes Mal. Viele malen für die Region ein Schreckensszenario, doch für die meisten der rund 10.500 Angestellten wendet es sich, teils nach öffentlichkeitswirksamen Auftritten wie der Plakataktion von fünf Sekretärinnen, noch zum Guten; nur noch rund 800 von ihnen haben bis heute keinen Job gefunden. Für ein paar Dutzend ist sogar immer noch Quelle der Arbeitgeber - sie sind bis heute mit der Abwicklung des Unternehmens beschäftigt.

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