Quelle: Ausverkauf:Chaostage in Fürth

Quelle löst sich unter katastrophalen Umständen selbst auf. Beim großen Ausverkauf gehen die Server in die Knie, und dann ist da auch noch Ex-Arcandor-Chef Middelhoff.

Uwe Ritzer

Sie begann am frühen Morgen, ausgerechnet am Totengedenktag Allerheiligen: die virtuelle Leichenfledderei. Punkt sechs Uhr startete über die Internetseite www.quelle.de der Ausverkauf des 82 Jahre alten bankrotten Versandhauses. Hunderttausende Schnäppchenjäger stürzten sich auf 18 Millionen einzelne Artikel, die verscherbelt werden sollen. Noch nie hat es in Deutschland einen größeren Schlussverkauf gegeben. Obwohl die Server des insolventen Versandhauses aufgerüstet worden waren, war das IT-System völlig überlastet. Zeitweise war die Internetseite nicht mehr erreichbar. Bis Mittag klickten 660.000 Menschen auf die Quelle-Seite und gaben 19200 Bestellungen auf. Dabei sind die Rabatte zwischen zehn und 30 Prozent gar nicht so groß.

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Zeitweise ging nichts mehr: Unter www.quelle.de sollte am Sonntagmorgen der große Ausverkauf starten, doch die Server gingen in die Knie.

(Foto: Foto: dpa)

Die Massenverramschung im Internet - das hätte sich ein Theaterregisseur kaum passender als Schlusskapitel für das Quelle-Drama ausdenken können: Lange hatte das Versandhaus das Online-Geschäft verschlafen. Als man es endlich entdeckte, war es zu spät. Kaum hatte Insolvenzverwalter Klaus-Hubert Görg nach tagelangen Zuversichtsbekundungen am späten Abend des 19. Oktober überraschend doch das Aus für Quelle verkündet, brach das Chaos aus. Seither zeigt sich immer deutlicher, dass Görg offenbar nie einen Plan B hatte für den Fall, dass seine Verkaufsverhandlungen scheitern würden.

Wenn der Kontrollverlust droht

Im spektakulärsten Fall seiner langen Karriere als Insolvenzverwalter drohte Görg zeitweise die Kontrolle zu verlieren. Tagelang war völlig unklar, welche Waren überhaupt noch verkauft werden können. Denn über viele Artikel hielten noch unbezahlte Lieferanten die Hand. Auch zu welchen Konditionen und auf welchen Kanälen das Restsortiment verkauft werden sollte, blieb lange Zeit offen. Und vorige Woche verweigerte die Post-Logistiktochter DHL einige Tage lang ihren Transportdienst, weil es sehr viele, sehr hohe offene Rechnungen bei Quelle gibt, für die DHL zuvor gerne Geld gesehen hätte.

Bis heute weiß auch niemand genau, wie viele Mitarbeiter das Versandunternehmen für den Resteverkauf und die eigene Abwicklung benötigen wird. 3900 Menschen wurden bereits in den Wochen vor dem 19. Oktober entlassen. Weitere 2000 mussten vergangenen Freitag gehen; die meisten von ihnen erfuhren davon kurz zuvor telefonisch. Andere treten an diesem Montag ihren Dienst zwar regulär an, erwarten aber, gleich wieder nach Hause geschickt zu werden. Ginge es nach den Buchstaben des Gesetzes, könnten sich die Betroffenen nicht einmal umgehend arbeitslos melden. Denn obwohl die Quelle-Personalabteilung Sonderschichten schiebt, schafft sie es nicht, den scheidenden Kollegen die nötigen Kündigungspapiere auszustellen. Die Bundesagentur für Arbeit kündigte an, sich unbürokratisch zu verhalten.

Die Wut und das Entsetzen sind nicht nur bei den Betroffenen riesig. Viele empört die unwürdige Art und Weise, wie Quelle abgewickelt wird. Noch nie hat sich ein Traditionsunternehmen dieser Größenordnung binnen weniger Tage derart rasant selbst aufgelöst. Von geordneten Prozessen ist in Fürth kaum noch etwas zu erkennen. Und während Quelle stirbt, meldete sich ausgerechnet noch der Mann zu Wort, den viele für den Totengräber des Unternehmens halten: Thomas Middelhoff, Ex-Vorstandschef des Quelle-Mutterkonzerns Arcandor, sagte, das Aus für Quelle hätte nicht sein müssen. Er ließ offen, warum er es nicht verhindert hat.

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