"Quantum Break":Serienmarathon für Baller-Fans

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Die Zeit zerspringt: Quantum Break versucht sich am Spagat zwischen Fernsehserie und Computerspiel - und zwischen guter Idee und niedrigem Anspruch. (Foto: Microsoft/PR)

Microsoft will mit "Quantum Break" Computerspiel und Fernsehserie vereinen, also die Netflix- mit der Nintendo-Generation zusammenbringen. Aber dem Experiment fehlt es am nötigen Mut.

Von Jan Bojaryn

Das Feuerwerk knallt und kracht, der Himmel leuchtet, dann schießt ein Riss über das Firmament. Die Welt pulsiert unruhig, aber sie hängt wie ein Videostream ohne Internetverbindung. Nichts bewegt sich mehr. Bunte Blitze hängen flirrend in der Luft. Nur Jack Joyce kann noch mit den Achseln zucken. Langsam gewöhnt er sich daran.

"Quantum Break" erscheint am 5. April für Windows-10-PCs und Xbox-One-Konsolen. Es ist ein ambitioniertes Experiment. Zwei Dinge soll es auf einmal schaffen: Erstens ist es ein großes Action-Adventure, mit starker Grafik, und endlich einmal keine Fortsetzung. Zweitens ist es eine TV-Miniserie, produziert auf Augenhöhe mit anderen Fernseh-Produktionen. Das ist kühn. Der Markt für Actionspiele und TV-Serien ist übersättigt. Also müssten beide Hälften stark ausfallen, um "Quantum Break" zum Erfolg zu machen.

Blasser Held, sympathischer Schurke

Die Zeit stottert am laufenden Band. Im Kern der Science-Fiction-Geschichte geht es um nicht weniger als das Ende der Zeit, wie Physiker sie beschreiben. Denn der Wissenschaftler William Joyce (Herr-der-Ringe-Hobbit Dominic Monaghan) hat entdeckt, dass sie aus Zeitteilchen besteht. Und experimentiert munter damit herum, bis die drohende Katastrophe den Zeitfluss wie eine apokalyptische Brezel in alle Dimensionen kringelt.

Action-Adventure
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Das Spiel schaut einfach verdammt gut aus. Packende Unterhaltung, beeindruckende Video-Sequenzen - doch für den großen Wurf fehlt der Mut.

Von Jan Bojaryn

Shawn Ashmore, der Iceman aus den X-Men-Filmen, leiht der Hauptfigur im Spiel Körper und Stimme. Er spielt den Bruder dieses Wissenschaftlers. Durch einen Zufall wird er mit Zeit-Superkräften ausgestattet, einer Art Pausentaste für die echte Welt. Leider bleibt er blass, eine Projektionsfläche für das Publikum. Der Shooter mit leichten Erkundungs- und Rätselpassagen ist kurzweilig, hält sich nicht zu lang mit der Geschichte auf. Das würde nicht groß stören, wenn da nicht der Schurke wäre.

Auf jedes Spielkapitel folgt eine Fernseh-Episode mit Aidan Gillen ("Game of Thrones") in der Hauptrolle. Er spielt den Widersacher Paul Serene, Firmenchef der nebulösen Monarch Industries. Seine Figur ist viel interessanter, als der stromlinienförmige Actionheld des Spiels.

Das ist vor allem dem Medium Video geschuldet. Die vier jeweils rund 20 Minuten langen Episoden fallen eher mittelmäßig aus. Aber sie zeigen deutlich, wie weit ein Schauspieler aus Fleisch und Blut einer Computeranimation noch überlegen ist. Gillen kann als Serene gläsern in die Ferne blicken, und vieldeutig hadern. Der Held Jack Joyce muss dagegen seinen verkniffenen Gesichtsausdruck selten wechseln. Er ist ohnehin meist von hinten zu sehen, wie er durch Lagerhallen läuft oder um sich schießt.

Die Entwickler kennen sich in ihrer Popkultur-Welt gut aus

Weniger Zwischensequenzen, dafür lieber gleich richtiges Video - die Idee des renommierten Entwicklerstudios Remedy ist nachvollziehbar. Aber davon wird die Prämisse nicht origineller. Quantum Break ist ein einziges Déjà-vu-Erlebnis: Zeit-Paradoxe, Fragen nach Ursache und Wirkung, nach Vor- und Selbstbestimmung üben keinen Reiz mehr aus. Und im Durch- und Nebeneinander der Zeiten werden Helden und Schurken mit allerlei Wendungen konfrontiert. Das wirkt irgendwann beliebig.

Aber nicht die Geschichte soll spannend sein, sondern die Art, wie sie erzählt wird. Das hat bei Remedy Entertainment Tradition. Das finnische Studio lebt von Zitaten. Es steht für eine hemmungslose Liebe zu amerikanischer Popkultur. Mit "Max Payne" hat es eine bierernste Hard-Boiled-Cop-Geschichte vorgelegt, mit "Alan Wake" eine selbstironische Hommage an Stephen King. In seinen popkulturelle Bezugswelten kennt Remedy sich gut aus.

Schweißnähte zwischen Spiel und Film

So funktioniert auch Quantum Break: Es wirkt als effektreicher Action-Thriller, leicht wie Popcorn, wenn auch wenig sättigend. Gute Schauspieler dürfen ihr Gesicht in die Kamera halten, aber nur die wenigsten spielen einen interessanten Charakter. Viele Handlungsstränge werden angerissen, wenige interessant zu Ende geführt. Und das bleibt eine Enttäuschung, denn mit den Mitteln wäre großes Kino drin gewesen.

Der Druck auf den Entwicklern dürfte beachtlich sein. Der Windows- und Xbox-One-exklusive Titel muss ein Hit werden - nicht nur kommerziell. Wenn das gewagte Experiment scheitert, wer glaubt dann noch an so eine enge Verzahnung von Film und Spiel?

Mehrere Jahre haben die Entwickler daran gearbeitet, die Welt von Quantum Break so fotorealistisch wie möglich aussehen zu lassen, das digitale Effektgewitter mit den real gefilmten Szenen verschmelzen zu lassen. Doch die nahtlosen Übergange funktionieren eben nicht, wenn jedesmal die Schweißnähte an den Kapitelübergängen ins Auge fallen. Vor allem der Wechsel von Film zu Spiel bleibt irritierend - aus charismatischen Schauspielern werden unheimliche Roboter. Gerade weil Quantum Break so nahe am Fotorealismus ist, fällt der Unterschied besonders auf.

Ein Spiel wie ein Serienmarathon

Eines aber erreichen Remedy und Microsoft: Der von Netflix bekannte Sog stellt sich ein, das sogenannte Binge-Watching, bei dem der Zuschauer schon die nächste Serienepisode startet bevor er sich überhaupt überlegt hat, ob er weiterschauen will. Die Geschichte mag nicht neu sein, aber sie treibt den Spieler ähnlich gut von Episode zu Episode. Das Spiel erfindet den Shooter zwar nicht neu, aber es ist schön und abwechslungsreich.

Für die Erfindung eines neuen Blockbusterformats zwischen Spiel und Fernsehen reicht es aber nicht. Dafür mangelt es Quantum Break an emotionaler Tiefe oder auch nur am Potenzial für Überraschungen. Aber es zeigt, was die Zukunft von Spiel, Film und Fernsehen bringen kann, wenn sich talentierte Spielemacher und Geschichtenerzähler daran wagen. Vorausgesetzt, es kommen nicht nur Fortsetzungen dabei heraus.

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Quantum Break (USK ab 16) erscheint am 5. April 2016 für PC und Xbox One.

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