Süddeutsche Zeitung

Computer der Zukunft:Super Quanten

In München soll ein Quantencomputer mit einem Superrechner verbunden werden - ein bisher einmaliges Projekt.

Von Helmut Martin-Jung, München

Wenn die Sache bloß nicht so aufwendig wäre! Aber zumindest im Moment sieht es kaum danach aus, als käme man beim großen Hoffnungsträger der Computertechnik, dem Quantenrechner, ohne eine Menge an Technik aus, die eher an ein Physiklabor erinnert denn an einen Computer. Was liegt daher näher, als ihn in ein Rechenzentrum zu platzieren? Und zwar, weil er ja für ihn geeignete Aufgaben phänomenal schnell erledigt, am besten in die Nähe eines Supercomputers.

Genau das passiert nun am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching bei München, wo man ein Quantum Integration Centre (QIC) ins Leben gerufen hat. Die Erwartungen an diese Traumhochzeit, die Hoffnungen, sie sind groß - ebenso sehr allerdings auch die Hürden, die zu nehmen sind.

Die erste davon: Das LRZ hat noch gar keinen Quantencomputer, der muss erst noch entwickelt werden. Das soll in Zusammenarbeit mit der finnischen Firma IQM geschehen, die auch ein großes Standbein in München hat. Das Unternehmen baut gerade den ersten kommerziellen Rechner, aber einen solchen in eine Supercomputer-Umgebung zu bringen, "das ist der nächste Schritt", sagt Jan Goetz von IQM, "da prallen Welten aufeinander".

Aber wieso eigentlich diese Hochzeit, wenn sie so kompliziert ist? Supercomputer stoßen trotz all ihrer nahezu unvorstellbaren Rechenkraft bei vielen Aufgaben an Grenzen, etwa wenn es darum geht, die vertrackten Faltungen von Proteinen zu simulieren, oder bei Optimierungsjobs. Hier sind Quantencomputer in ihrem Element. Weil sie nicht bloß wie herkömmliche Computer mit Einsen oder Nullen rechnen, sondern mit Einsen und Nullen zugleich, verdoppelt sich ihre Rechenleistung theoretisch mit jedem zusätzlichen Bit. Quantencomputer könnten also Supercomputern dort aushelfen, wo diese ihre Schwächen haben - als Beschleuniger.

"Das Versprechen ist groß", sagt Jan Goetz, "aber der Weg ist ein langer. Es gibt Entwicklungsbedarf auf allen Ebenen." Welche das zum Beispiel sind, erklärt Martin Schulz, Professor an der TU München und Mitglied im Direktorium des LRZ: "Die Netzwerke müssen verbunden werden, Software muss entwickelt werden." Das klingt nicht nur nach Grundlagenforschung, das ist es auch. Der Reiz aber liege im Tun, sagt Schulz: "Das Spannende ist, dass wir das alles in der Praxis ausprobieren können - das ist einzigartig auf der Welt."

Doch was tun, solange es keinen funktionierenden Quantencomputer gibt in Garching? Deshalb ist im QIC auch der französisch-deutsche IT-Konzern Atos mit an Bord. Atos hat eine sogenannte Quantum Learning Machine (QLM) entwickelt. Man könne sich das System vorstellen wie einen Flugsimulator, sagt Martin Matzke von der Herstellerfirma. Die QLM, die aus herkömmlichen Computern besteht, erreicht zwar nicht die gigantischen Rechenleistungen eines echten Quantencomputers, verhält sich aber so - inklusive des Rauschens, also der Rechenfehler, die bei Quantencomputern prinzipbedingt auftreten. So lange, bis der echte Quantencomputer läuft, kann man damit bereits die Integration der Systeme testen.

Die hat es in sich, zwei bis drei Jahre, schätzt TU-Professor Schulz, werde das schon dauern. Nachfrage nach einer Rechenleistung, wie Quantencomputer sie liefern können, gebe es aber jetzt schon. Diese Nachfrage zu befriedigen, ist auch die Aufgabe des LRZ. Es gehört zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften und ist Dienstleister für alle IT-Aufgaben, darunter auch der Supercomputer in Garching, genannt SuperMUC. Die Wissenschaft will man also bedienen, aber nicht nur.

Es gehe auch darum, so formuliert es LRZ-Leiter Dieter Kranzlmüller, die Technologie "unter die Leute zu bringen". An diejenigen also, die sie einsetzen. Kranzlmüller hofft sehr, dass das Vorhaben gelingt, und ewig warten will er darauf auch nicht. Wenn der SuperMUC auf die nächste größere Stufe aufgerüstet werde, "sollte die Quanten-Beschleunigung schon dabei sein".

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